05.09.2023 Gerhard Prien

Die Caravaning-Branche gibt sich selbstbewusst

Das durch Corona beförderte Interesse an Freizeitfahrzeugen ist nach wie vor groß. Aber immer noch gibt es Lieferprobleme bei Basisfahrzeugen und verbauter Technik. Hinzu kommt ein Mangel an Fachkräften. Das führt zu gesunkenen Absatzzahlen. Trotzdem bleibt die Branche noch optimistisch.


Immer mehr Menschen reisen in ihrer Freizeit mit dem Caravan oder dem Reisemobil. Im ersten Halbjahr 2023 bekamen in Deutschland insgesamt 54.299 Freizeitfahrzeuge eine Zulassung. Dabei liegen die Wohnwagen mit 12.799 Neuzulassungen um zehn Prozent unter dem Vorjahresniveau. Im Gegenzug erreichten Reisemobile mit 41.500 Einheiten ein Plus von 1,3 Prozent und ihr zweitbestes Ergebnis aller Zeiten in einem ersten Halbjahr. Nach wie vor sind aus Corona-Zeiten die Auftragsbücher der Hersteller noch voll, die Nachfrage bleibt hoch.

„Die vergangenen Jahre haben die Caravaning-Industrie vor außergewöhnliche Herausforderungen gestellt“, sagt Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbandes (CIVD), und dämpft die Erwartungen: „Bis unsere Industrie wieder unter relativ normalen Bedingungen produzieren kann, wird es noch dauern.“ Das Potenzial der Branche sei jedoch „bei Weitem noch nicht ausgeschöpft“. Entsprechende Studien führt er als Beleg an. Rund 14 Millionen Deutsche, also etwa ein Viertel aller Erwachsenen, können sich laut GfK-Marktforschung in den kommenden fünf Jahren einen Urlaub mit Wohnmobil oder Wohnwagen vorstellen. Und eine Allensbach-Studie sieht 1,2 Millionen Camper mit konkreten Kaufabsichten für die nächsten ein bis zwei Jahre.

Selbstausbau als Trend

Da passt es ins Bild, dass bei Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) am 12. Juli 2023 der 200.000ste California vom Band rollte. Das Modell kam 1988 auf den Markt, seit 2004 wird der erfolgreiche Camper auf Basis des T-Modells in Hannover-Limmer gefertigt. Rund 21.600 California 6.1 wurden im vergangenen Jahr ausgeliefert, 14,9 Prozent mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Auch der Nachfolger des aktuellen California soll ab 2024 wieder aus Hannover kommen. Basisfahrzeug wird wohl der T7 sein, der Multivan. Der von Insidern liebevoll „Cali“ genannte Van macht aber auch das Dilemma der Branche deutlich: Basisfahrzeuge für andere Ausbauer sind bereits seit Monaten nicht mehr als Neufahrzeuge bestellbar. Der von VWN selbst gefertigte Camper fährt sich wie ein Pkw, ist kompakt und alltagstauglich, was seine Beliebtheit erklärt. Andererseits ist der Cali aber auch teuer.

Da viele Camper die fast sechsstelligen Preise nicht zahlen können oder wollen, setzen handwerklich begabte Reiselustige zunehmend auf den Selbstausbau gebraucht gekaufter Transporter oder Kleinbusse. Und sie kommen damit oft schneller und günstiger an ihr Freizeit-Mobil als beim Kauf eines Neufahrzeugs. Ganz klar, Do-it-yourself-Camper erleben eine Renaissance. Der Caravan Salon 2023 in Düsseldorf widmete ihnen gar eine eigene Sonderschau „Abenteuer Selbstausbau“.

Flexible Alternativen 

Da der Eigenausbau zum Wohnmobil komplex ist und viele an die Grenzen ihrer handwerklichen Fähigkeiten stoßen, bieten sich flexible Campingmodule zum Selbsteinbau als Alternative an. Die machen aus Hochdach-Kombi oder Bus im Handumdrehen ein Reisemobil. Darauf hat sich auch Natürliche Reisemobile aus Ottensoos eingestellt. Der Ausbau für den VW ID.Buzz ist herausnehmbar und in Echtholz gehalten. Der ID.Buzz bleibt auch mit eingebauten Möbelmodulen (ab 4.290 Euro) weiterhin als Fünfsitzer nutzbar. Mit an Bord: ein Bett (190 x 125 cm), Spüle, je 13 Liter fassende Frisch- und Abwasserkanister sowie eine Sitzbox mit Fach für ein WC.
 

Mit wenig Aufwand wird ein Bus durch Module zum Camper – hier in Echtholz von Natürliche Reisemobile für den elektrischen VW ID.Buzz. Foto: Natürliche Reisemobile

Ähnlich „trendy“ wie Campervans sind Dachzelte wie das Dometic TRT 140 AIR, ein aufblasbares Modell für zwei Personen. Es lässt sich bei knapp 50 Kilo Gewicht auf den meisten Fahrzeugen montieren. Ab 2.500 Euro ein vergleichsweise günstiger Einstieg ins Campen.
Den Trend zum Reisen mit dem Auto hat auch Toyota erkannt und bietet entsprechendes Zubehör an. Etwa die Campingbox von Ququq (2.620 Euro), die den Proace City Verso in einen Microcamper verwandelt. Ebenfalls im Angebot sind das Hartschalen-Dachzelt Airtop Medium (3.990 Euro) und ein klappbares Dachzelt für den Hilux (2.450 Euro) mit einer Liegefläche von 240 mal 140 Zentimeter.

 

Durch ein Dachzelt wird jeder Pkw zum Campingfahrzeug. Manche Modelle sind sogar aufblasbar wie das TRT 140 AIR von Dometic. Foto: Dometic
Andere Dachzelte kombinieren Hartschale und Zeltstoff. Beim Airtop von Autohome wird der Deckel über der gesamten Liegefläche senkrecht nach oben gehoben. Erhältlich sind unterschiedliche Breiten. Foto: Toyota

Aus Berlin kommt das Camping-Modul Small von PlugVan. Zu haben ist es ab 6.990 Euro, es passt in Kleintransporter wie den VW Bus oder den Mercedes Vito. Das Konzept: In fünf Minuten durch eine Person einladen, festzurren, der Campingtrip kann starten. Zur Ausstattung zählen die zum Bett (120 x 200 cm) ausklappbare Sitzbank, Küchenzeile mit Spüle, Schwenktisch, Kühlbox und Gaskartuschenkocher.
 

Das in den Laderaum schiebbare Wohnmodul von PlugVan inklusive Küchenzeile ist jetzt auch für Kleintransporter à la VW Bus verfügbar. Foto: PlugVan

Ansätze zur E-Mobilität 

Die Elektrifizierung läuft bei den Freizeitmobilen eher schleppend. VW bringt zwar seinen ID.Buzz mit langem Radstand, aber (noch) ohne Ausbau. Mercedes will noch in diesem Jahr eine Microcamper-Version des Kombis EQT liefern, mit einer Reichweite von 282 Kilometern plus Schnelllade-Funktion und minimalistischem Campingausbau. Bürstner bringt als erster der Großserien-Hersteller mit dem Lineo electric 590C auf Basis des Transit ein serienreifes E-Wohnmobil. Sein Preis dürfte jenseits von 85.000 Euro liegen. Und Knaus-Tabbert zeigte vor zwei Jahren den Prototyp eines E-Teilintegrierten. Um das Fahrzeug ist es aber recht ruhig geworden.
 

Gilt als erstes elektrisches Serienreisemobil: Bürstner Lineo electric 590C. Foto: Bürstner

Dafür bringt Knaus jetzt den Yaseo, einen gasfreien Wohnwagen. Per Strom betrieben werden Induktionskochfeld, Klimaanlage und Kühlschrank, entweder per Landstrom oder vom Zugfahrzeug mit V2L-Technik (Vehicle-to-load). Die Face-to-Face-Sitzgruppe kann für maximales Transportvolumen verkleinert und der Tisch hochgeklappt werden. Der so frei werdende Platz lässt sich über bis zu zwei Garagentüren beladen. Obendrein ist der Caravan (fahrbereit ab 905 kg) für Elektroautos optimiert.
 

Der leichte Knaus Yaseo ist für E-Autos optimiert. Bieten diese einen V2L-Anschluss, kann er sich Strom für Küche und Klimaanlage aus dem Auto holen. Foto: Knaus

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