27.12.2023 Simone Eber

Lech-Zürs am Arlberg:
Skiurlaub und Nachhaltigkeit – eine Bestandsaufnahme

Raubbau an der Natur, hoher Energieverbrauch durch Seilbahnen, Beschneiung und Hotellerie sowie CO2-intensive Anreiseformen: Das Skifahren steht in der Kritik wie nie. Wintersportorte halten dagegen, verweisen auf ihre langfristigen Anstrengungen für mehr Nachhaltigkeit. Wir haben uns angeschaut, was eines der bekanntesten österreichischen Skigebiete für die Umwelt tut.


Mit seinen vielseitigen Pisten bis in Höhenlagen von 2.800 Metern gehört Lech-Zürs zu den beliebtesten Skigebieten Österreichs. Foto: Simone Eber

Nur 1,2 Prozent des heimischen Strombedarfs falle durch Seilbahnen und Beschneiung an, rechnet der Seilbahnen Fachverband (FV) auf der Website der Wirtschaftskammer Österreich vor. Und der gesamte Stromverbrauch pro Skifahrer und Tag inklusive Seilbahnen, Beschneiung, Pistenpräparierung und Gastronomie liege bei gerade einmal 18,0 kWh – im Vergleich dazu verursache ein einziger Flug von Wien nach Mallorca pro Person einen 30-mal so hohen Energieaufwand. Eine hübsche Rechnung, die natürlich viele andere Umwelt- und Energiefaktoren außen vorlässt, – und deutlich zeigt: Der mächtige österreichische Seilbahnverband hat ein Image-Problem und versucht, sich mit solchen Zahlen in ein besseres Licht zu rücken.

Michael Manhart ist Seilbahn-Lobbyist seit Jahrzehnten. Obwohl schon über 80, ist er aktuell noch Gesellschafter-Geschäftsführer der Skilifte Lech und hat leitende Positionen bei weiteren Seilbahnen inne. Sein Großvater, Sepp Bildstein, errichtete 1938 den ersten Schlepplift Österreichs in Zürs und legte damit den Grundstein für die Skidestination Lech-Zürs am Arlberg, dem Herzstück von Österreichs heute größtem Skigebiet Ski Arlberg.
 

Mit einem Schlepplift fing in den 1930er-Jahren alles an. Auch heute finden sie sich noch vereinzelt im Skigebiet. Foto: Simone Eber

Rinder für blühende Wiesen

Wir treffen Manhart am Schottenhof in Oberlech, wo unter der Regie der Skilifte Lech seit 2008 auf 1.760 Metern Höhe mitten im Skigebiet Schottische Hochlandrinder gezüchtet werden. Die robusten zotteligen Tiere halten Temperaturen bis minus 30 Grad aus und grasen im Frühling erst auf den Wiesen rund um den Hof, dann auf den Alpen, erfahren wir von Manhart. „Ihr Fleisch wird komplett in den Gastronomiebetrieben der Skilifte Lech verwertet, auf der Rudalpe, am Schlegelkopf und auf der Balmalp“, fügt er hinzu. Doch der Zweck der Rinderzucht, die auch noch auf anderen Höfen betrieben wird, geht über den Gedanken der regionalen Versorgung hinaus: „In erster Linie beweiden wir mit ihrer Hilfe Steilflächen, um Hochlagen zu renaturieren und Lawinenabgänge zu vermeiden“, betont Manhart, dem ein nachhaltiger Umgang mit der alpinen Natur von jeher wichtig war. So organisierte er schon von 1978 bis 2000 die Internationalen Hochlagen-Umwelttagungen in Lech-Zürs. Von ruinierten Flächen, wie sie Kritiker in Skigebieten anprangern, will er nichts wissen und lädt uns für Juli ein, um uns ein Bild von den „herrlichen Blumenwiesen“ in der Berglandschaft zu machen.
 

Mit Hochlandrindern vom Schottenhof fördert Michael Manhart von den Skiliften Lech die Renaturierung alpiner Hochlagen. Foto: Simone Eber

Woher aber kommt der Strom für den Seilbahnbetrieb? Hier bezieht das Skigebiet am Arlberg für sämtliche Seil- und Sesselbahnen, Bergrestaurants und Schneeanlagen zu hundert Prozent Ökostrom vom Vorarlberger Unternehmen „illwerke vkw AG”, und zwar überwiegend aus Wasserkraft, der bedeutendsten heimischen Energiequelle. Ergänzt wird der Ökostrom-Mix durch Solarenergie und andere erneuerbare Quellen.

Breit aufgestellt ist man auch in Sachen Wärmeversorgung aus regenerativen Quellen. Die Haushalte und Betriebe in Lech, Zug, Oberlech und Zürs beziehen ihre Energie zu 98 Prozent aus den vier örtlichen Biomasseheizwerken, die zwischen 1999 und 2010 gebaut wurden. Der Geschäftsführer des Lecher Werks, Franz-Josef Schmutzer, erinnert sich noch gut an die Zeiten, als Ölheizungen dominierten und für negative Umwelteffekte wie Rußbildung im Schnee und einen unangenehmen Geruch bei Inversionswetterlagen sorgten. „Das Hackgut für die Biomasseheizwerke stammt zu 95 Prozent aus Vorarlberg, es handelt sich dabei um Sägerestholz aus der Holzindustrie“, erklärt Schmutzer. Bäume würden für die Werke natürlich keine gefällt, beugt er einer verbreiteten Annahme vor: „Das würde sich finanziell auch gar nicht lohnen.“ Allein durch das Heizwerk Lech werden jährlich 4,5 Millionen Liter Heizöl ersetzt und 22.000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart.
 

Franz-Josef Schmutzer, Geschäftsführer des Biomasseheizwerks Lech, informiert über die örtliche Wärmeversorgung. Foto: Simone Eber

Mobil mit Bahn, Bus und E-Auto

Wer den Skitourismus nachhaltiger gestalten will, muss auch die Mobilität in den Blick rücken, denn die meisten Gäste reisen bisher per Pkw an – wenn sie größere Distanzen zu bewältigen haben, oft auch mit dem Flugzeug. Die Bahnanreise ins Skigebiet Lech-Zürs ist zwar prinzipiell möglich, jedoch müssen Nutzer ab Langen oder St. Anton am Arlberg noch einen öffentlichen Bus, Shuttlebus oder ein Taxi nach Lech nehmen. Bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) können Zugfahrt und Skipass im Paket gebucht werden, der Transfer zur Unterkunft ist in diesem Angebot jedoch nicht enthalten.

Für die autofreie Mobilität in Lech-Zürs wiederum ist gut gesorgt: Blaue Ortsbusse verbinden im Winter kostenlos als Skibusse die angeschlossenen Dörfer. Ein E-Bus wurde 2020 im Streckennetz getestet; wegen der geringen Reichweite unter winterlichen Fahrbedingungen wird ein dauerhafter Einsatz momentan aber eher in der Sommersaison angepeilt, wie Tourismusdirektor Hermann Fercher erläutert. Gäste, die mit dem Stromer anreisen, finden in Lech seit 2019 eine grüne Garage ausschließlich für E-Fahrzeuge. Sie bietet 23 Stellplätze mit entsprechender Ladeinfrastruktur. Zusätzlich sind in den Lechwelten, einem Veranstaltungszentrum, das im Juni 2024 eröffnen soll, rund 80 Parkplätze mit Stromladeoption geplant.

Autofreies Dorf dank Tunnelsystem

Ganz ohne Autoverkehr geht der Winterurlaub schon seit 1997 am „Sonnendach des Arlbergs“ in Oberlech. Denn von Dezember bis April bleibt die Privatstraße von Lech in das auf 1.650 Metern gelegene Dorf für den Pkw-Verkehr weitgehend gesperrt. Ankommende Gäste parken ihr Fahrzeug in der Angergarage in Lech und schweben dann per Seilbahn hinauf nach Oberlech. Ihr Gepäck nimmt, in Container verstaut, denselben Weg und landet über einen Aufzug im Tunnelsystem der 100-Einwohner-Gemeinde. Auf 3,2 Kilometern erstreckt sich das unterirdische Straßennetz, an das rund 25 Unterkünfte angeschlossen sind. So auch das Burghotel von Gerhard Lucian, der seit zwei Jahren Bürgermeister von Oberlech ist. Lucian hat am Tunnelsystem selbst mitgebaut und seine Diplomarbeit über das ambitionierte Projekt geschrieben. „Wir hatten einen langen Vorlauf“, erinnert er sich, „mein Vater wollte schon das Handtuch werfen.“

Letztlich wurde das Ziel, die gesamte Ver- und Entsorgung in Oberlech unterirdisch abzuwickeln, aber erreicht. In den Umschlaghallen angekommen, werden die Container mit Gästegepäck, aber auch Lebensmittel, Wäsche etc. mit Elektrocars zu den Hotels transportiert und wieder abgeholt. Es gibt hier unten eine eigene Wäscherei und eine Garage für das Feuerwehrauto der Gemeinde, das im Winter, wenn der Schnee regiert, wie eine Pistenraupe auf Ketten fährt. Einzig Einwohner von Oberlech und Transporte mit für die Seilbahn ungeeignetem Ladegut dürfen die Privatstraße bis zu den Umschlaghallen nutzen. Wenn es nach Gerhard Lucian geht, sollte diese Regelung auch für den Sommer gelten: „Das ist einfach der Trend“, meint er.
 

Bürgermeister Gerhard Lucian war ein Vorkämpfer für das Tunnelsystem in Oberlech. Hier parkt auch das wintertaugliche Feuerwehrauto des Ortes. Foto: Simone Eber

Während Oberlech im Winter ein autofreies Dorfidyll bietet, herrscht unten in Lech wesentlich mehr Verkehr und Trubel. Dennoch versuche der Ort, seinen dörflichen Charakter als Walsergemeinde zu bewahren und sowohl unkontrolliertem Wachstum vorzubeugen als auch unerwünschten baulichen Veränderungen, erläutert Tourismusdirektor Hermann Fercher. „Wir folgen schon lange einem räumlichen Entwicklungsleitbild, zu dem unter anderem zählt, dass nicht mehr als 10.000 Gästebetten angeboten, die Landwirtschaft in möglichst großem Umfang erhalten und die naturnahe Kulturlandschaft gepflegt werden sollen.“ Zudem ist Lech seit 2019 klimaneutral, nicht vermeidbare Emissionen werden über die Schweizer Klimaschutzorganisation myclimate ausgeglichen.

Dennoch ist sich der Tourismusdirektor im Klaren darüber, dass das langfristig nicht genug ist. „Wir wollen die Nutzung von Wasserkraft ausbauen und künftig auch verstärkt auf Sonnen- und Windenergie setzen“, skizziert Fercher die Nachhaltigkeitsziele der Skidestination am Arlberg. Wie die Seilbahnbetriebe bezieht die Gemeinde mit all ihren Liegenschaften bereits zu hundert Prozent Ökostrom aus erneuerbaren Energien. Im nächsten Schritt könnte auch für Hotellerie und private Haushalte eine solche einheitliche Regelung kommen.
 

Wenn Oberlech im Winter für den Verkehr gesperrt wird, macht sich in dem Dorf eine heimelige Stimmung breit. Foto: stock.adobe.com/© Olena
Die Bergrestaurants im Skigebiet Lech-Zürs werden mit Ökostrom aus regenerativen Energiequellen versorgt. Foto: Simone Eber

Lech-Zürs und Best of the Alps

Lech-Zürs ist Mitglied des Zusammenschlusses Best of the Alps, zu dem auch Chamonix-Mont-Blanc, Cortina d’Ampezzo, Courmayeur, Crans-Montana, Davos, Garmisch-Partenkirchen, Kitzbühel, Megève und St. Anton am Arlberg gehören.

Diese ebenso renommierten wie traditionsreichen Orte haben eine breit angelegte Nachhaltigkeitsoffensive gestartet und zum Teil ihrer Gesamtstrategie ernannt.
Von der Vernetzung sollen Impulse ausgehen, so von Pionieren wie Lech-Zürs für Mitglieder mit Nachholbedarf in Sachen Klimaschutz.

Aus dem Austausch über aktuell bestehende und geplante Maßnahmen der einzelnen Mitglieder sollen so schrittweise länderübergreifend neue Projekte gemeinsam angegangen werden.

 

Blick auf das nächtliche Lech: Mit Bettenbeschränkungen und strengen Bauvorschriften soll das Gesicht der Gemeinde am Arlberg bewahrt werden. Foto: stock.adobe.com/© Studio Bachmann

ARCD-Reiseservice

  • Anreise:
    Mit dem Auto über Lindau – Bludenz – Langen – Flexenpass – Zürs – Lech oder über Innsbruck – St. Anton – Arlbergpass – Flexenpass – Zürs – Lech.
    Mit dem Zug nach Langen am Arlberg (17 km nach Lech) oder St. Anton am Arlberg (20 km nach Lech).
  • Eckdaten Skigebiet:
    Lech-Zürs bildet das Herzstück von Ski Arlberg, dem mit gut 300 km Skiabfahrten größten Skigebiet Österreichs. Es verfügt über 87 Liftanlagen, 73 % beschneibare Pisten und reicht bis auf 2.811 m Höhe. Lech-Zürs ist speziell für seine legendäre Skirunde, den „Weißen Ring“ (22 km), bekannt.
    Mehr Infos: www.skiarlberg.at
  • Auskünfte zu Lech-Zürs: www.lechzuers.com/nachhaltigkeit

Titelfoto: Simone Eber


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