21.12.2023 Rainer Heubeck

Mauritius jenseits der Baderesorts

Sie gilt als Traumziel für Luxusurlauber und Honeymooner, die Insel Mauritius im Indischen Ozean. Hier treffen Einflüsse vieler Länder aufeinander: aus Mosambik und Madagaskar, aus Holland, England und Frankreich, aus Indien, China und der arabischen Welt. Wer sich abseits der Strandresorts bewegt, stößt auf eine große kulturelle und ökologische Diversität – aber auch auf Naturschätze, die gefährdet sind.


Der Himmel ist dunkel, als wir morgens um neun Uhr an der Anlegestelle in der Bain de Rosnay ankommen. Hier, im Nordosten von Mauritius, ganz in der Nähe des Ortes Goodlands, legen abenteuerlustige Urlauber regelmäßig mit stabilen Seekajaks ab. Die Touren sind auch für Anfänger gut geeignet – denn die Bucht und die Inseln darin sind durch ein Riff geschützt, sodass kein hoher Wellengang zu erwarten ist. Unsere beiden Seekajakführer heißen Krishna Labhodharen Coden und Charlot Henrycot Jerry und machen die Touren nebenberuflich. Im Hauptjob arbeiten sie bei der Hafenfeuerwehr in Port Louis, der Hauptstadt von Mauritius, die seit Anfang des 18. Jahrhunderts nach dem französischen König Ludwig XV. benannt ist. Denn bevor die Engländer die Kolonialherren von Mauritius wurden, kamen Holländer und Franzosen hierher. Die Niederländer brachten Zuckerrohr aus Indonesien auf die Insel, die zuvor vor allem wegen ihres wertvollen Ebenholzes wirtschaftlich von Interesse war.

Bevor wir unsere Tour im Zweierkajak starten, gibt es erst einmal Trockenübungen, damit wir lernen, das Paddel richtig zu halten und möglichst synchron zu bewegen. Das dauert nur ein paar Minuten, dann helfen uns die Guides an einer flachen Stelle beim Einsteigen. Noch immer sieht es nach Regen aus, aber bald darauf klart es auf. Unser Ziel ist eine Insel, die etwa 400 Meter von der Hauptinsel entfernt liegt, und die nach einem seltenen und sehr wertvollen Mageninhalt von Pottwalen benannt ist – Ambra oder Amber, eine Substanz, die früher für die Parfümherstellung wichtig war.
 

Mit Seekajaks geht es von der Hauptinsel auf die Île d'Ambre, die in einem Naturschutzgebiet liegt. Foto: Rainer Heubeck

Kajaktour ins Naturschutzgebiet

Die Île d'Ambre liegt in einem Naturschutzgebiet. Sie ist nicht bewohnt, jedenfalls nicht mehr, und von Mangrovenwäldern umgeben. Mangroven, so erfahren wir von Krishna, unserem Guide, schützen die Küsten vor Erosion und sie binden mehr CO2 als andere Wälder. Mindestens genauso wichtig: Sie sind die Kinderstube des Meeres, in ihnen wachsen die Fische heran und können sich verstecken. Weltweit gibt es über 50 verschiedene Mangrovenarten, auf Mauritius finden sich nur zwei davon. Die Rhizophora-Mangroven, deren Wurzeln wie Beine und Füße aussehen, die sich bewegen, und die Bruguera-Mangroven, deren Wurzeln flacher sind und eher so aussehen, als würde jemand auf dem Boden knien.

Unsere Kajaktour führt uns nicht nur an die Mangroven und zu einer kleinen Badestelle, wir legen auch auf der Île d'Ambre an. Wie in einem Brennglas bündelt sich auf dem 140 Hektar großen Eiland die Geschichte von Mauritius. Hier wurden Schiffbrüchige angespült, die verunglückten, als im August 1774 ein Schiff aus Frankreich Maschinen für eine Zuckerfabrik anliefern sollte. Hier siedelten Familien mitsamt Rindern und Sklaven und versuchten sich im Anbau von Zuckerrohr. Später pachtete der Besitzer der St.-Antoine-Zuckerfabrik das Land und nutzte die Insel als Jagdrevier. Auf der Île d'Ambre wurde wahrscheinlich auch zum letzten Mal ein Dodo gesichtet, ein großer flugunfähiger Vogel, den es nur auf Mauritius gab. Etwa 15 Minuten spazieren wir auf der Île d'Ambre, vorbei an einem kleinen See und an Banyanbäumen mit Lianen und Luftwurzeln, bis zu den Ruinen eines ehemaligen Gehöftes. Anschließend klettern wir wieder in unsere Kajaks, mit denen wir nach einigen Stopps und weiteren Erläuterungen wieder zur Hauptinsel übersetzen.
 

Der Spaziergang auf der Île d'Ambre führt durch tropische Vegetation. Foto: Rainer Heubeck

Kulturelles Erbe bewahren

Die körperliche Betätigung macht hungrig. Von der Anlegestelle sind wir mit dem Kleinbus in wenigen Minuten in einem der wohl außergewöhnlichsten Restaurants der Insel, dem Demeure de Saint Antoine. Es befindet sich im ehemaligen Haupthaus einer Plantage, die eine französische Familie ab 1830 errichtet hatte. Die Insel selbst war zu diesem Zeitpunkt schon englisch, denn die Zeit als französische Kronkolonie endete bereits 1810. In den Jahren der Gründung der Plantage, genau genommen 1835, wurde die Sklaverei auf Mauritius verboten. Daraufhin brachten die Briten zahlreiche Vertragsarbeiter aus Indien hierher, um die Arbeitskraft der Sklaven zu ersetzen. Heute stellen die indischstämmigen Mauritier die Bevölkerungsmehrheit.
 

Das Restaurant Demeure de Saint Antoine ist in einer ehemaligen Plantage untergebracht. Foto: Rainer Heubeck
Die Statue der Hindu-Göttin Durga Maa Bhavani steht für die indische Kultur auf Mauritius. Foto: Rainer Heubeck

Die indische Kultur ist deshalb auf Mauritius allgegenwärtig: In der Nähe des Grand Bassin, eines heiligen Sees, den die Hindus auch Ganga Talao nennen, stehen mehrere Hindu-Tempel und zwei 33 Meter hohe Statuen: der Gott Shiva und die Göttin Durga Maa Bhavani. Eine Legende besagt, dass der Ganga Talao mit dem heiligen Fluss Ganges in Indien verbunden ist. Deshalb pilgern jedes Jahr im Februar und März mehrere hunderttausend Hindus barfuß zu dem heiligen See. Die Gläubigen kommen nicht nur aus Mauritius, sondern auch aus anderen afrikanischen Ländern.

„Die indischen Einwanderer durften ihre Kultur behalten, bei den afrikanischen Sklaven war das nicht so, deren Kultur wurde unterdrückt“, erläutert Marousia Bouvery, die in Beau Bassin im Westen der Insel für die bei der UNESCO akkreditierte Nichtregierungsorganisation Abaim arbeitet. Diese will helfen, das Erbe der aus Madagaskar, Mosambik und anderen Teilen Afrikas hierher verschleppten Sklaven zu bewahren. Vor allem das traditionelle Trommeln, das auf der Insel meist nicht mit der mit einem Fell bespannten Bechertrommel, der Djembé, praktiziert wird, sondern mit einer runden Rahmentrommel, der Ravanne.
 

Marousia Bouvery (links) gibt in Beau Bassin Kurse im traditionellen afrikanischen Trommeln. Foto: Rainer Heubeck

„Vor einigen Jahrzehnten geriet dieses Instrument, das für den traditionellen Sega-Tanz genutzt wird, fast in Vergessenheit. Wir haben Kurse gegeben und sind in die Schulen gegangen, um diese Kultur zu erhalten und zu bewahren“, berichtet Marousia Bouvery, die uns in die Geheimnisse des Ravanne-Spielens einweiht. Erste Lektion: Bevor das Instrument gespielt wird, muss die Ziegenhaut aufgewärmt werden. Dann üben wir verschiedene einfache Rhythmen: das Tamtam, bei dem man mit der offenen Hand auf das Fell schlägt, den Herzschlag und den Ankündigungsruf. „Die Ravanne ist heute ein Symbol unserer Zusammengehörigkeit auf der Insel“, beteuert Bouvery, „genauso wie unsere kreolische Küche und unsere kreolische Sprache.“

Einsatz für fragiles Ökosystem

Mauritius hat knapp 1,3 Millionen Einwohner, vor Corona kamen regelmäßig mehr als eine Million Besucher pro Jahr. Daran will man heute wieder anknüpfen. Doch wie wirkt sich die touristische Nutzung auf das Ökosystem aus? Auf unserer Kajaktour erfuhren wir, dass früher oft Mangrovenwälder den Erschließungsprojekten weichen mussten. Inzwischen wird zunehmend versucht, Tourismus und Umweltschutz in Einklang zu bringen.
 

Blick von der Poolanlage auf den Strand im Hotel La Pirouge in Flic en Flac. Foto: Rainer Heubeck

Ein Beispiel dafür finden wir in Flic en Flac im Westen der Insel: Das Hotel La Pirogue war das erste Hotel auf Mauritius, das ein eigenes Korallenzucht- und Wiederansiedlungsprojekt ins Leben gerufen hat. Urlauber können aktiv dabei mithelfen. Nitisha Boyjoo, eine ausgebildete Meeresbiologin, die zuvor für die Universität von Mauritius und für eine Umweltorganisation gearbeitet hat, leitet das Projekt. Das La Pirogue Marine Center setzt darauf, widerstandsfähige Korallenarten in ein Mal ein Meter großen Gestellen unter Wasser nachzuziehen – und sie dann wieder in der Natur auszusetzen. „Es ist eine Art Zuchtgarten für Korallen“, berichtet Nitisha Boyjoo. Notwendig wurde das Projekt, weil die Korallen rund um die Insel im Indischen Ozean von der Korallenbleiche bedroht sind. Dort, wo die Nesseltiere bereits schwer geschädigt sind, sollen neue, widerstandsfähigere Arten ausgesiedelt werden.
 

Die Meeresbiologin Nitisha Boyjoo leitet das La Pirogue Marine Center zum Schutz von Korallen. Foto: Rainer Heubeck
Wegen der rutschigen Steine ist an den Tamarind Falls Trittsicherheit und gutes Schuhwerk gefragt. Foto: Rainer Heubeck

Dass Mauritius nicht nur mit Badeurlaub lockt, sondern auch grandiose Naturerlebnisse bietet, erfahren wir am Ende unseres Aufenthalts noch einmal bei einer Wandertour. Der Inselguide Mathieu Radegonde führt uns zu einer Kaskade von Wasserfällen im Westen der Insel, den Tamarind Falls. Der Abstieg über teils rutschige Basalthänge ist steil, und mehr als einmal muss uns Mathieu an schwierigen Stellen die Hand reichen. Doch die Mühe lohnt sich: Am Ziel angekommen, können wir in Bassins unterhalb eines Wasserfalls schwimmen, unsere Füße genießen ein natürliches Fisch-Spa und wir können hinter dem Wasserschleier eines Wasserfalls vorbeilaufen. „Insgesamt gibt es hier 13 Wasserfälle, aber bei den Ausflügen kann man maximal sieben besuchen“, erläutert Mathieu, mit dem wir drei Stunden lang unterwegs sind, bevor wir die Schlucht wieder verlassen. Ein Erlebnis, das zeigt, dass Mauritius weit mehr zu bieten hat als traumhafte Sandstrände, malerische Sonnenuntergänge und luxuriöse Wellness-Tempel.

 

Abendstimmung in Flic en Flac: Die schönsten Sonnenuntergänge gibt es im Westen der Insel. Foto: Rainer Heubeck

ARCD-Reiseservice

  • Anreise: 
    Direktflüge nach Mauritius bieten unter anderem Condor und Eurowings Discover an.
    Umsteigeverbindungen finden sich unter anderem bei Emirates, Turkish Airlines, Air France und Air Mauritius.
  • Einreise: 
    Für deutsche Staatsangehörige genügt ein Reisepass, der über die geplante Aufenthaltsdauer hinaus gültig sein muss. Es empfiehlt sich, vor der Einreise online das Formular All in One Travel Form auszufüllen und auszudrucken:
    https://safemauritius.govmu.org
  • Reisezeit: 
    Die Insel ist ein Ganzjahresziel. Besonders empfehlenswert ist Mauritius von April bis Juni sowie von September bis Dezember.
  • Unterkunftstipp: 
    La Pirogue Resort & Spa, stilvolles 4-Sterne-Hotel im Westen der Insel, www.lapiroguemauritius.com
  • ARCD-Buchungsservice: 
    Das ARCD Reisebüro ist Ihnen gern bei der Planung Ihres Mauritius-Urlaubs behilflich.
    Kontakt: Tel. 0 98 41 / 4 09 150 oder info@arcd-reisen.de
  • Aktivitäten: 
    Seekajak: www.yemayaadventures.com;
    Wandern: Yanature, www.trekkingmauritius.com/hiking-mauritius;
    Ravanne-Unterricht und -Verkauf: Abaim, www.abaim.mu/en
  • Auskünfte: https://mauritiusnow.com

Titelfoto: Rainer Heubeck


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