23.11.2023 Martina Katz

Eine Reise von Abu Simbel bis nach Kairo

Ägypten ist voller Abwechslung. Auf dem Nil kann man entspannt mit einer Feluke segeln, auf dem Nassersee mit einem Kreuzfahrtschiff cruisen. An Land warten arabisches Leben, historische Tempel und gigantische Pyramiden.


Abdullah Mohamed holt das Segel näher heran. Der 37-jährige Ägypter schifft Einheimische und Touristen auf seiner traditionellen Feluke bei Assuan über den Nil. „Seit ich sechs Jahre alt bin, habe ich für mein Boot gespart. Ich habe es selbst gezimmert, es ist gerade fertig geworden“, sagt der schlanke Mann stolz. Abdullah ist Nubier, Angehöriger eines eigenständigen Volkes mit schwarzafrikanischen Wurzeln. Die Statur groß. Die schwarzen Haare sind grau meliert. Das Gesicht kennzeichnen feine Züge und ein moderner Anchor-Bart. „Mein Boot ist meine Heimat. Ich lebe und schlafe hier. Es ist zwar klein, aber gemütlich“, erzählt er und rückt seine schneeweiße Dschallabija, einen arabischen Kaftan, zurecht.
 

Abdullah Mohamed bringt auf seiner traditionellen Feluke bei Assuan Gäste zu Sehenswürdigkeiten am Nil. Foto: Martina Katz

Langsam steuert Abdullah die Feluke am Nilufer entlang. Vorbei an bunten Dörfern, an Bananen- und Zuckerrohrfeldern, an Mango-Gärten, im Hinterland die goldenen Wüstenberge. Auf saftigen Wiesen grasen Kühe, ab und zu schallt das Hupen der Eisenbahn herüber, ganz so wie in einem alten Agatha-Christie-Film. Im seichten Uferwasser staksen Reiher. Fischer in kleinen Holzbooten versuchen ihr Glück mit Stäben in der Hand.

Nilwasser für grüne Felder

Assuan ist die südlichste Stadt des Landes und bekannt für seinen Staudamm. Über 100 Meter hoch und fast einen Kilometer breit, produziert er zehn bis 20 Prozent der benötigten Energie Ägyptens und staut das Nilwasser zum 5.000 Quadratkilometer großen Nassersee, einem der größten künstlichen Seen weltweit. Durch ihn wird eine Bewässerung der Region das ganze Jahr über ermöglicht. Das ist auch nötig, denn Regen gibt es kaum. Inzwischen hat die Provinzregierung hier Wasserkanäle und eine gigantische Pumpstation in die Libysche Wüste gesetzt. Kreisrunde Beregnungsmaschinen bewässern nun Weizen, Melonen und Kartoffeln auf ersten grünen Feldern. Weitere sollen folgen.

In Assuans Zentrum fahren Autos neben Eselskarren. An der Uferpromenade Corniche warten Pferdekutschen auf die Urlauber, die den Nil auf dreistöckigen Kreuzfahrtschiffen erleben und von Zeit zu Zeit Ausflüge an Land machen. Im Basar bieten Fladenbrotbäcker frischgebackenes Brot, Schmuckläden Gold und Silber und alte Männer Gemüse und bunte Strickkappen an.
 

Auf Wunsch bringen Männer mit Eselskarren Touristen durch die nubische Wüste zu den Tempeln. Foto: Martina Katz
Der Tempel von Philae liegt auf der Insel Agilkia vor Assuan im Nil. Foto: Martina Katz

Als Nächstes ankert Abdullah sein Segelboot vor der Insel Agilkia. „Hier steht der nubische Tempelkomplex von Philae, in dem die Göttin Isis verehrt wurde“, weiß er. Die 1.600 Jahre alte Tempelanlage aus verzierten Pylonen, antiken Säulengängen und einem altägyptischen Trajan-Kiosk ist längst UNESCO-Weltkulturerbe. Dabei hat das nubische Heiligtum turbulente Zeiten hinter sich.

Genauso wie der Felsentempel von Abu Simbel. Der südlichste Tempel Ägyptens liegt nur 20 Kilometer von der sudanesischen Grenze entfernt. Vier gigantische Ramses-Kolossalstatuen ragen aus einem Felsen und blicken auf den Nassersee. Lange war der nubische Tempel aus dem 13. Jahrhundert v. Chr. im Wüstensand versteckt und in Vergessenheit geraten. Auch Anfang des 19. Jahrhunderts, als ein Schweizer Reisender die Köpfe im Sand entdeckte, brach kein Jubel aus. Denn das erhoffte Gold fand man bei der begonnenen Freilegung nicht. Erst im Jahr 1910 legte das Amt für Antiquitäten den Tempel endgültig frei, und die Menschen kamen und staunten: über die 20 Meter hohen Ramses-Statuen und über die kunstvollen Felszeichnungen im Inneren, die den Pharao verherrlichen.
 

Der Felsentempel von Abu Simbel beeindruckt mit seinen über 20 Meter hohen Ramses-Statuen. Foto: Martina Katz

Gigantisches Umsiedlungsprojekt

Doch mit der Eröffnung des Assuan-Staudamms im Jahr 1971 und der Flutung des Nassersees drohten 120.000 Nubier ihre Heimat zu verlieren und mehr als ein Dutzend historische Tempel in den Fluten zu versinken. Eine dramatische Vorstellung. Die ägyptische Regierung beschloss daraufhin, die Anwohner durch neue Grundstücke in der Wüste zu entschädigen und die Tempel zu versetzen – ein Mammutwerk. Allein Abu Simbel wurde in tausende einzelne Blöcke zersägt, jedes Teil nummeriert und wieder zusammengesetzt. So fand auch der Tempel von Philae, der vormals auf der gleichnamigen Insel beheimatet war, sein neues Zuhause auf Agilkia.

Der kleine Amada-Tempel wiederum, der vor bunten Petroglyphen, menschengroßen Reliefs und seltenen 16-kantigen Säulen nur so strotzt, konnte in einer sechsmonatigen Aktion im Ganzen versetzt werden, per Schiene zweieinhalb Kilometer landeinwärts. Heute sieht man davon nichts mehr. Einsam liegt der schlichte Bau in der weiten Wüstenlandschaft. Von Leben zeugen hier nur ein paar Ägypter, die die Besucher begleiten, ihnen vor den Tempeltoren eine Schlange in einer Plastikflasche präsentieren – und ein Eselskarren, der darauf wartet, sie zum nahen Dakka-Tempel zu transportieren und anschließend zum Kreuzfahrtschiff, das auf dem Nassersee dümpelt.
 

Der Dakka-Tempel liegt in der weiten nubischen Wüstenlandschaft nahe des Nassersees. Foto: Martina Katz
Einen Eindruck vom riesigen Nassersee bekommt man am besten bei einer Kurzkreuzfahrt. Foto: Martina Katz

„Ich habe keine Ausbildung, sondern habe auf kleinen Booten angefangen, Learning by Doing unter der Aufsicht des Kapitäns“, sagt Mohammed Mortada. Längst ist der 62-Jährige selbst Kapitän und dirigiert die MS Prince Abbas mit ihren 60 Privatbalkon-Kabinen sicher über den Nassersee. Barfuß, den Körper in eine himmelblaue Dschallabija gehüllt, eine weiße Kappe auf dem Kopf, sitzt er im Schneidersitz auf der Brücke vor dem Steuerpult des 84 Meter langen Kreuzfahrtschiffes. Vor ihm breitet sich der Nassersee einem Meer gleich aus. In der Ferne nur goldener Sand, ab und zu die Ruine eines verlassenen nubischen Lehmhauses. Am Ufer wiegt sich Seegras im Wind, darin zwitschern Vögel. Im Wasser schwimmen Bunt- und Viktoriabarsche. Von einem anderen Schiff weit und breit keine Spur. „Ich liebe die Ruhe und die Vollmondnächte auf dem Nassersee“, schwärmt Mohammed und lässt seinen Blick schweifen.

Kamelritt um die Pyramiden

In Gizeh, rund 850 Kilometer nördlich, schwärmen derweil Abdallah und Ansralam von den Pyramiden. Die beiden Männer sitzen in Gizeh in der Metropolregion Kairo auf ihren Kamelen Mickey Mouse und Adam. „110 von diesen Pharaonen-Begräbnisstätten gibt es noch. Die größte misst eine Seitenlänge von 230 Metern. Kaum vorstellbar, dass sie früher weiß verputzt gewesen sein sollen mit einer goldenen Spitze“, erklärt der 28-jährige Abdallah. Der sportliche Mann ist einer von zahlreichen Kamelführern, die Touristen einen Ritt auf ihrem Kamel um die berühmten Pyramiden anbieten. „Hier soll es auch einen Fluss gegeben haben, auf dem man die Felsbrocken für den Pyramiden-Bau transportierte“, ergänzt der 37-jährige Ansralam.
 

In Gizeh bieten Kamelführer einen Ritt rund um die Pyramiden an. Foto: Martina Katz

Die beiden Männer warten vor der Chephren-Pyramide auf Kundschaft. Das ist der Platz, der ihnen offiziell zugewiesen wurde. „Am liebsten bringen wir die Besucher zum Aussichtspunkt. Da kann man die Pyramiden von oben in der Wüste stehen sehen und hat Kairo im Hintergrund“, erzählt Abdallah. Wer abenteuerlustig ist, betritt die Grabkammer der Cheops-Pyramide über einen 70 Meter langen, nur 1,20 Meter hohen Gang. Es ist heiß, eng, stickig und schlicht. Der Weg ist das Ziel, denn antike Kostbarkeiten oder bunte Felsmalereien sucht man hier vergeblich.

Deutsche Schule als Sprungbrett

Auch in der Deutschen Schule der Borromäerinnen in Kairo geht es schlicht zu. In der Privatschule für die gehobene Mittelschicht, in der sich 620 Ägypterinnen auf das deutsche Abitur vorbereiten und die vom deutschen Außenministerium unterstützt wird, sind die Wände nackt, mit gelber Farbe getüncht. An einer Wand hängt ein Bild des Abendmahls. Es gibt eine Kapelle und einen Versammlungsraum mit 140 Holzstühlen und einer Fensterfront aus bunten Glasscheiben. Hier sitzen Sara, Lela, Tia und Laila beisammen und schwärmen von Deutschland. „Ich möchte in Deutschland studieren. Kairo ist mir zu chaotisch. Auf den Straßen kann man sich nicht frei bewegen“, sagt die 15-jährige Laila. „Meine Eltern sprechen zwar kein Deutsch, aber sie bezahlen alles. Schließlich darf ich in Ägypten erst mit 18 Jahren mein eigenes Geld verdienen und ich soll es einmal besser haben als sie“, ergänzt die gleichaltrige Sara.
 

An der Deutschen Schule in Kairo bereiten sich ägyptische Mädchen auf das deutsche Abitur vor. Foto: Martina Katz

Tatsächlich ist die Schule in Bab el Louk äußerst beliebt. „Pro Jahr gibt es 60 freie Plätze, aber doppelt so viele Bewerbungen“, weiß die stellvertretende Schulleiterin Kathrin Scholz. „Bei uns kommt es auf die Begabung an. Wenn eine Familie nicht die vollen 3.000 Euro im Jahr aufbringen kann, gibt es Schulgeldermäßigung“, ergänzt die 53-Jährige. Die blonde Deutsche ist seit fast zwei Jahren in Ägypten und fühlt sich in ihrer Schule genauso wohl wie der Bootsführer Abdullah auf seiner Feluke.

 

ARCD-Reiseservice

  • Anreise:
    Ab Stuttgart fliegt zum Beispiel Air France über Paris nach Kairo (ab 571 €), ab Frankfurt Condor direkt (ab 394 €). Preise jeweils für Hin- und Rückflug.
  • Beste Reisezeit: Von November bis März mit Tagestemperaturen von 20 bis 30 Grad Celsius
  • Unterkunft/Kreuzfahrtschiffe:
    MS Prince Abbas, schönes Kreuzfahrtschiff auf dem Nassersee, Übernachtung im DZ/Vollpension für 3 Nächte ab 1.529 €, https://movenpick.accor.com;
    MS La Traviata, Nil-Kreuzfahrtschiff mit Privatbalkonen, Übernachtung im DZ/Vollpension für 3 Nächte ab 1.216 €, https://springtours.com;
    Semiramis InterContinental Hotel, große Balkon-Zimmer am Nil an Kairos Corniche, Übernachtung im DZ/Frühstück ab 166 €, www.ihg.com.
  • ARCD-Buchungsservice:
    Das ARCD Reisebüro (Tel. 0 98 41 / 4 09 150 oder info@arcd-reisen.de) ist Ihnen gern bei der Planung Ihrer individuellen Reise nach Ägypten behilflich.
    Auch Gruppenreisen sind im Angebot, z. B. eine 14-tägige Studienreise „Kairo, Nil und Nassersee“ mit Studiosus (ab 3.890 €),
    eine 10-tägige Erlebnisreise „Luxus und Genuss“ mit Ikarus Tours (ab 3.760 €) und
    eine 13-tägige-Wanderreise „Segelkreuzfahrt durch Alt- und Neuägypten“ mit Wikinger Reisen (ab 2.875 €).
  • Auskünfte:
    Über die Botschaft und das Fremdenverkehrsamt: www.egyptian-embassy.de, www.egypt.travel

Titelfoto: Martina Katz


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