12.01.2023 Thomas Schreiner

„Effizienzverbesserung alleine wird es nicht richten“:
Warum Klimaschutz auch eine Frage der Haltung ist

Nachhaltigkeit war das Leitthema der 26. ARCD-Hauptversammlung Ende Oktober in Bad Windsheim. Im Mittelpunkt der Eröffnungsveranstaltung stand ein Vortrag des Psychologen Prof. Dr. Florian G. Kaiser, der aus seiner Sicht erläuterte, weshalb es falsch wäre, in Sachen Klimaschutz nur auf den technischen Fortschritt zu vertrauen.


Auf Einladung des ARCD sprach Prof. Kaiser von der Uni Magdeburg über Einstellung, Motivation und Effekte für den Klimaschutz.

In gewisser Weise war es eine Herausforderung für beide Seiten. Für den Mann auf der Bühne, der ein nach eigenem Bekunden ganz und gar nicht typisches Publikum vor sich hatte. Und für die Menschen im Saal, die sich von ihm mitnehmen ließen auf den anspruchsvollen Weg, die Motto-Frage der Veranstaltung „Mobilität, Nachhaltigkeit, Lebensfreude – Wie geht das zusammen?“ zu beantworten.

Gewöhnlich spricht Prof. Dr. Florian G. Kaiser vor Studierenden oder auf Fachkongressen. Dieser Abend war für den Leiter des Lehrstuhls für Psychologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg eher unübliches Terrain. Er betrat es mit einem Lächeln auf den Lippen, das so viel sagte, wie: Wir lassen uns den Spaß nicht nehmen, aber ernst wird es trotzdem.

Allzu einfach dürfe man es sich jedenfalls nicht machen. Die Hoffnung darauf, Nachhaltigkeit nur mit technischem Fortschritt zu verbinden, führe nicht zum Ziel. Nötig sei auch eine veränderte Haltung der Menschen, sagte Prof. Kaiser:

Worin zeigt sich eine nachhaltige Haltung? Sie zeigt sich darin, wie viel wir tun. Wie viel wir bereit sind, auf uns zu nehmen. Und zwar an Kosten. Und Kosten, darunter verstehe ich Dinge wie Aufwand, ja, aber auch Geld und Zeit und Mühen, die wir in irgendetwas reinstecken. Und das, worin wir es reinstecken, ist eigentlich Klima und Umwelt zu schützen. Was tun wir alles dafür? Das ist sozusagen, was wir mit unserer Haltung zum Ausdruck bringen.“


Mit dieser Haltung zur Nachhaltigkeit sei das gemeint, was landläufig als Umweltbewusstsein beschrieben werde, so Prof. Kaiser.

Das Grundproblem bestehe darin, dass die Gesellschaft weniger CO2 emittieren müsste. Weniger sei also mehr, und je schneller dieses Ziel erreicht werde, umso besser. Doch auf dem Weg dorthin handele die Politik oft kurzsichtig, befand der Wissenschaftler.

Es geht immer darum, eine effiziente Technologie auf den Markt zu bringen und in der Gesellschaft auszubreiten. Das ist das, was uns die Politik als Maßnahme eigentlich grundsätzlich zur Verfügung stellt.“
 

„Individuen mit nachhaltiger Haltung formen in letzter Konsequenz auch nachhaltige Gesellschaften.“

Dass solche Maßnahmen schlecht verfangen, zeige das Beispiel Kühlschränke. Die seien etwa ab den 1970er-Jahren in der Produktion und im Betrieb immer effizienter und damit auch günstiger geworden. Mit der Folge, dass ihre Dimensionen wuchsen, was den technologisch erreichten Effizienzvorteil wiederum zunichte machte. Zumal nach dem Kauf eines modernen Kühlschranks das alte, ineffiziente Gerät häufig im Keller noch weiter genutzt werde.

Anderes Beispiel: Norwegen – dank starker staatlicher Unterstützung das vermeintliche Vorzeigeland in Sachen Elektromobilität in Europa. Dort hat man das Verkehrsverhalten von Menschen untersucht, die ihr Auto mit Verbrennungsmotor durch eines mit Elektroantrieb ersetzt hatten.

Nachdem nun diese Personen ein ökologisches E-Auto gekauft haben, was ist dann passiert? Man macht mehr Wege mit dem Auto. Man hat ja jetzt ein grünes Auto.
Sobald wir eine Effizienzverbesserung, eine Substitution einführen, verändert sich auch das Verhalten der meisten Menschen. Und das führt dazu, dass wir nachher mit Schlagzeilen konfrontiert werden, dass wir unsere politischen Ziele wieder nicht erreicht haben. Wieder sind die Emissionen nicht so stark gesunken und der Verbrauch von Energie nicht so stark gesunken, wie wir es gerne hätten.“
 

„Maßnahmen, die effektiv eine nachhaltige Gesellschaft formen, werden nur von einer Bevölkerung mit einer nachhaltigen Haltung mitgetragen.“

Die Bedeutung nachhaltiger Haltungen

Kühlschränke und E-Autos in Norwegen zeigen beispielhaft: Mit veränderter Technologie alleine ist noch nichts gewonnen, solange die Menschen nicht auch ihre Gewohnheiten danach ausrichten, diese Errungenschaften sinnvoll anzuwenden. Hier kommt für Prof. Kaiser entscheidend die nachhaltige Haltung, das Umweltbewusstsein ins Spiel. Denn nachhaltige Einstellung sei relevant dafür, ob und in welcher Weise sich jemand tatsächlich umweltgerecht verhalte.

Die gute Nachricht: Nachhaltiges Handeln lasse sich erzeugen, durch Verbesserung der persönlichen Motivation oder durch Reduzierung der Verhaltenskosten. Des Aufwands an Geld, Zeit und Mühen also, der auf unterschiedlichen Ebenen in Kauf genommen wird, um etwas Bestimmtes zu tun oder eben zu vermeiden.

Die Kosten jedes Verhaltens müssen kompensiert werden mit der persönlichen Wichtigkeit des Klima- und Umweltschutzes von Personen, also mit der Umwelteinstellung. Jedes Verhalten hat Kosten, und die Motivation, die Umwelteinstellung muss diese Kosten übersteigen, sonst werden wir dieses Verhalten nicht beobachten können.“


Dass die bloße Konfrontation mit Informationen und Wissen über Umweltschutz an sich schon hilfreich sei, entlarvte der Psychologe allerdings als Trugschluss.
 

„Klimaziele werden ohne nachhaltige Haltung der Bevölkerung eigentlich immer verfehlt. Da will ich Ihnen keine Hoffnung machen.“

Es ist nicht immer so, wie wir meinen, dass das Wissen die Motivation verbessert. Sondern gerade umgekehrt, wenn Menschen motiviert sind, dann schauen sie überhaupt diese Plakate an, die uns die Bundesregierung hinstellt, wo Informationen draufstehen. Die Hoffnung zu haben, dass das Wissen die Einstellung beeinflusst, ist unter Umständen fatal. Weil diejenigen, die bereits motiviert sind, sind diejenigen, die noch mehr lernen und noch mehr dran glauben. Und die anderen: schauen einfach weg.“

Die Gesellschaft kann sich helfen

Am Lehrstuhl für Psychologie der Uni Magdeburg hat man in Untersuchungen festgestellt, dass es um die Nachhaltigkeitsmotivation, das Umweltbewusstsein in Deutschland nicht sonderlich gut bestellt ist – europäischer Durchschnitt sozusagen. Eine Erkenntnis, die einen angesichts der prekären Lage des Weltklimas verzweifeln lassen könnte. Es gibt nach Ansicht Prof. Kaisers jedoch nach wie vor Hoffnung.Zwei Ebenen seien zur effektiven Reduzierung von CO2-Emissionen wichtig: die persönliche Motivation zu nachhaltigem Verhalten, die eigene Haltung also, und nachhaltigkeitsförderliche gesellschaftliche Bedingungen.

Individuen mit nachhaltiger Haltung formen in letzter Konsequenz auch nachhaltige Gesellschaften. Und das, finde ich, ist die positive Nachricht in einer demokratischen Gesellschaft.“


Zwei Ebenen seien zur effektiven Reduzierung von CO2-Emissionen wichtig: die persönliche Motivation zu nachhaltigem Verhalten, die eigene Haltung also, und nachhaltigkeitsförderliche gesellschaftliche Bedingungen.

„Solche Lebensbedingungen werden durch die Menschen geschaffen, in demokratischen Gesellschaften: durch Wahlverhalten, durch zivilgesellschaftliches Engagement, durch Berufswahl und durch Konsumverhalten. Eine ganze Menge Dinge, die wir tun können. In demokratischen Gesellschaften sind wir alle es, die darüber entscheiden, wie die Lebensbedingungen sind. Wir alle entscheiden darüber, wie wir effektive politische Maßnahmen überhaupt mittragen. Wenn die Menschen nachhaltig genug sind, und das wäre meine These, dann erlauben sie der Politik, effektive Nachhaltigkeitsmaßnahmen einzuführen. Beispielsweise einen effektiven CO2-Preis.
Maßnahmen, die effektiv eine nachhaltige Gesellschaft formen, werden nur von einer Bevölkerung mit einer nachhaltigen Haltung mitgetragen.“


Auch das lasse sich durch Studien der Uni Magdeburg untermauern, so Prof. Kaiser. Je nachhaltiger die Haltung von Menschen sei, umso eher seien sie auch bereit, zunehmend effektive Maßnahmen zu akzeptieren und mitzutragen. Selbst wenn sie restriktiv seien und von der Bevölkerung einen hohen Preis, also hohe Verhaltenskosten verlangen würden.

Die technologische Sicht reicht nicht

Eine nachhaltige Haltung zeigt sich darin, wie wir Umwelt und Klima schützen, wie viel wir bereit sind, an Kosten auf uns zu nehmen und zu ertragen, um das Klima zu schützen. Das muss uns einfach bewusst sein.
Effizienzverbesserung alleine wird es nicht richten. Klimaziele werden ohne nachhaltige Haltung der Bevölkerung eigentlich immer verfehlt. Da will ich Ihnen keine Hoffnung machen.“


Effektive Umweltpolitik werde häufig als unangenehm empfunden, da sie mit Kosten verbunden sei. Etwa weil man bestimmte Dinge nicht mehr wie gewohnt tun könne, oder aber ganz direkt in finanzieller Hinsicht. Wenn die Menschen allerdings bereit seien, die notwendigen Verhaltenskosten in Kauf zu nehmen, dann sei es zu schaffen, Mobilität, Nachhaltigkeit und sogar Lebensfreude unter einen Hut zu bringen, resümierte Prof. Kaiser.

Da war sie also, eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage. Wenn auch nicht erschöpfend. Ja, es kann wohl gelingen, umweltgerechter ein aktives, mobiles Leben zu führen. Doch die Gedankenspiele in die Lebenswirklichkeit zu übertragen und herauszufinden, wie das ganz konkret im Detail geht, bleibt eine ungleich größere Herausforderung.


Der Vortrag in voller Länge im Video

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