30.03.2024 Thomas Schreiner

Der EAC lud zu einem Gespräch über Mobilität in Europa

Wie lässt sich Mobilität klimafreundlich und zugleich erschwinglich gestalten? Darüber wurde Anfang März 2024 – im Vorfeld der Europawahl – in Brüssel intensiv diskutiert. Am Hauptsitz der EU veranstaltete der EAC einen parlamentarischen Abend zu dem komplexen Thema und fordert selbst Technologieoffenheit sowie Lösungen für die Bestandsflotte.


Die Interessengemeinschaft EAC European Automobile Clubs, deren Gründungsmitglied der ARCD ist, vertritt die Anliegen von insgesamt drei Millionen Verbrauchern gegenüber europäischen Institutionen und politischen Akteuren, wenn es um Fragen der Mobilität geht. Im Fokus stehen derzeit die Pläne der EU, dass ab 2035 alle in Europa neu zugelassenen Pkw emissionsfrei sein sollen. Bis 2050 sollen dann alle Fahrzeuge emissionsfrei fahren. Da sich die derzeitige EU-Verordnung ausschließlich auf die Auspuffemissionen konzentriert, bedeutet dies faktisch ein Verbot des Verbrennungsmotors und die Fokussierung auf elektrische Fahrzeuge. Im Jahr 2026 soll diese Entscheidung überprüft werden.

Nach Auffassung des EAC sei es für das Erreichen der europäischen Klimaziele im Verkehr zwingend notwendig, nicht nur künftige neue Fahrzeuge in den Blick zu nehmen, sondern auch Lösungen für die bestehende Pkw-Flotte zu finden. „Auf Europas Straßen fahren über 280 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor, weltweit rund 1,5 Milliarden. Bei einer jährlichen weltweiten Fertigungskapazität von knapp 90 Millionen Fahrzeugen und einem sofortigen Verkaufsstopp von Verbrennern würde der Austausch der gesamten Fahrzeugflotte über 16 Jahre benötigen“, sagt dazu EAC-Präsident Holger Küster. Da bis 2035 weiterhin Verbrenner produziert und verkauft würden, werde die Elektrifizierung der weltweiten Fahrzeugflotte jedoch sehr viel länger dauern. Europaweit liege die durchschnittliche Lebensdauer von Fahrzeugen bei über zwölf Jahren. „Wir brauchen daher alle Antriebstechnologien und Optionen für die Bestandsflotte, um die ambitionierten Klimaziele erreichen zu können“, erklärt Küster. „Klimaneutrale Mobilität ist ohne Technologieoffenheit nicht zu erreichen.“

Hochkarätig besetztes Podium

Dies war die Ausgangslage zum parlamentarischen Abend des EAC am 6. März. In der Brüsseler Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der EU diskutierte EAC-Präsident Küster mit den Europapolitikern MdEP Jan-Christoph Oetjen (Renew; Liberale) und MdEP Thomas Rudner (S&D; Sozialdemokraten), mit Algara Castle (eFuel Alliance e. V.) sowie Mitja Schulz (Verband der Automobilindustrie – VDA), ob die ambitionierten Ziele mit einer reinen Fokussierung auf Batterie-Elektrofahrzeuge erreichbar seien.

 

Ulrich Selzer betonte in seiner Keynote das hohe CO2-Einsparpotenzial beim Pkw-Verkehr, aber auch den dringenden Handlungsbedarf. Foto: Cédric Puisney Photography

In einem Impulsvortrag zu Beginn der Veranstaltung erteilte Automobilexperte Ulrich Selzer, Mitglied der Kommission Mobilität des Senats der Wirtschaft, der Vorstellung eine klare Absage, dass in gut zehn Jahren die Pkw-Flotte auf elektrische Antriebe umgestellt sei. Selzer präsentierte die Ergebnisse einer unabhängigen Expertenstudie der Kommission Mobilität. Von dieser wurden auf Grundlage der gefahrenen Kilometer die realen Möglichkeiten der CO2-Reduktion im Straßenverkehr bis 2035 evidenzbasiert berechnet und analysiert. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine Reduktion der CO2-Emissionen von bis zu 68 Prozent bis zum Jahr 2035 möglich sei. Gelingen könne dies allerdings nur mit einem Mix aus unterschiedlichen Antriebsarten wie Elektro, Wasserstoff, E-Fuels und Mineralöl. Das Einsparpotenzial sei also hoch und technologisch sei es bereits nach heutigem Stand erreichbar. Es mangele nur vielfach am entsprechenden Umsetzungswillen.

In der anschließenden konstruktiven und lebhaften Debatte darüber, welchen Weg es in Europa einzuschlagen gilt, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, zeigten sich bei den Teilnehmenden auf dem Podium unterschiedliche Positionen und Ansätze. Einig waren sich jedoch alle darin, dass dringender Handlungsbedarf bestehe. Angesichts eines immer kleiner werdenden Zeitbudgets zur CO2-Reduzierung sprach Ulrich Selzer gar von der sprichwörtlichen „Brechstange“, die inzwischen nötig sei.

 

Foto: Cédric Puisney Photography


Algara Castle

Head of EU-Affairs, eFuel Alliance e. V.

„Den Straßenverkehr als Zugpferd zu nutzen, um nachhaltige Kraftstoffe ressourcen- und kosteneffizient herzustellen, käme dem gesamten Verkehrssektor zugute. Einnahmen aus dem Verkauf erneuerbarer Kraftstoffe im Straßenverkehr führen reinvestiert zum Ausbau entsprechender Produktionsanlagen. Das würde nicht nur die Verfügbarkeit erneuerbarer Kraftstoffe für den Luft- und Seeverkehr fördern, sonderlich gleichzeitig dank Skaleneffekten zu sinkenden Produktionskosten führen. Bislang fehlen hierzu allerdings die politisch notwendigen Anreize.“

Foto: Cédric Puisney Photography


Holger Küster

Präsident, EAC European Automobile Clubs

„Mobilität muss auch in Zukunft bezahlbar sein. Eine erfolgreiche Transformation des Verkehrssektors erfordert gesellschaftliche Akzeptanz. Deswegen brauchen wir Lösungen statt Verbote für eine nachhaltige und bezahlbare Transformation, die wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte in ausgewogener Weise berücksichtigt, um Vertrauen und Akzeptanz in der Gesellschaft zu fördern. Ansonsten verlieren wir die Menschen, ohne die diese Transformation nicht möglich ist.“


Foto: Cédric Puisney Photography


MdEP Jan-Christoph Oetjen

Mitglied Ausschuss für Verkehr und Tourismus, Renew

„Klimaneutralität und Technologieoffenheit geht nur zusammen. Wir benötigen alternative Kraftstoffe zur Dekarbonisierung der Bestandsflotte und sollten bereits am Markt existierende klimaneutrale Kraftstoffe nutzen, um im Straßenverkehr Klimaeffekte und CO2-Reduktion zu erreichen. Die Umweltbilanz von Elektrofahrzeugen muss im Rahmen eines Life Cycle Assessment ganzheitlich betrachtet und bewertet werden, anstatt sich ausschließlich auf die Auspuffemissionen zu konzentrieren. Eine dementsprechende Kategorisierung von Fahrzeugen nach ihrer jeweiligen Umweltbilanz könnte hier Klarheit für die Verbraucher schaffen.“

Foto: Cédric Puisney Photography


MdEP Thomas Rudner

Mitglied Ausschuss für Verkehr und Tourismus, S&D

„E-Fuels sollten vorrangig dort eingesetzt werden, wo keine anderen Optionen eingesetzt werden können, wie im Flug- oder Schiffsverkehr. Nach jetzigem Stand sehe ich E-Fuels nicht als Lösung, um den Straßenverkehr CO2-neutral zu machen. Die Rücknahme des Verbrenner-Aus wäre eine fatale Entscheidung für die Automobilindustrie, die sich auf die Umstellung auf Elektromobilität vorbereitet, und könnte Unternehmen und Verbraucher verunsichern. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist entscheidend, um die Klimaziele zu erreichen.“


Foto: Cédric Puisney Photography


Mitja Schulz

Leiter Büro Brüssel, Verband der Automobilindustrie (VDA)

„Der Hauptbeitrag für klimaneutrale Mobilität erfolgt über die Elektrifizierung der Antriebe. Neben der Elektromobilität benötigen wir für die Bestandsflotte – aktuell weltweit um die 1,5 Milliarden Fahrzeuge – synthetische Kraftstoffe, also E-Fuels, und fortschrittliche Biokraftstoffe (alternative Kraftstoffe), damit diese klimaneutral unterwegs sein kann. Die EU-Kommission muss einen rechtssicheren und technisch umsetzbaren Rahmen entwickeln, damit Fahrzeuge, die ausschließlich mit CO2-neutralen Kraftstoffen betankt werden, auch nach 2035 zugelassen werden können.“

      

Titelfoto: Cédric Puisney Photography


Kategorien