11.09.2023 Claudia Diemar

Das fränkische Burgenland –
Schlösser, Fachwerk und Kulinarik rund um Coburg

Einst teilte der Eiserne Vorhang Bayern und Thüringen – heute lassen sich vom oberfränkischen Coburg aus grenzüberschreitende Entdeckungen in beiden Bundesländern machen.


Manchmal haben Entscheidungen weitreichende Folgen. Coburg im Jahr 1920: Das Deutsche Kaiserreich war Geschichte, die kurze Spanne als „Freistaat Coburg“ findet mit einer Volksabstimmung ebenfalls ein Ende. Coburg gehörte nun zu Bayern und fand sich dadurch nach dem Zweiten Weltkrieg in unmittelbarer Nähe der Zonengrenze auf der Westseite des geteilten Europas wieder.

Im Grunde aber verstanden sich die Coburger nach wie vor als Bürger einer einst herzoglichen Residenz. Und vielleicht tut die „gefühlte Großstadt“ mit ihren rund 41.000 Einwohner das bis heute. Prachtvoll zeigen sich das Stadtschloss und die „Fränkische Krone“ genannte Veste ebenso wie die Renaissancegebäude um den Marktplatz und die stolzen Bürgerhäuser der Belle Époque und des Jugendstils.

Die stimmungsvollste Art, die Coburger Altstadt kennenzulernen, ist ein abendlicher Spaziergang mit Nachtwächter Roland Schäfer. Auf Schritt und Tritt weiß er Anekdoten aus der Stadtgeschichte zu erzählen, etwa, warum die Coburger ihren Schutzpatron, den Heiligen Mauritius, so ins Herz geschlossen haben, dass er heute jeden Kanaldeckel ziert. Roland Schäfer erwähnt auch, dass das kleine Herzogtum berühmt dafür war, in der Weltgeschichte mitzumischen.

 

Das Rathaus gehört zu den markanten Gebäuden am Coburger Marktplatz, der abends stimmungsvoll beleuchtet wird. Foto: Coburg Marketing/Rainer Brabec
Nachtwächter Roland Schäfer erzählt beim abendlichen Spaziergang durch die Altstadt Coburger Geschichten. Foto: Coburg Marketing

Clevere Heiratspolitik

„Coburg ist das Gestüt Europas“, soll Kaiser Wilhelm II. gesagt haben. Er meinte damit aber nicht die Pferdezucht, sondern das Talent des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha, äußerst erfolgreich in diverse europäische Monarchien einzuheiraten. Berühmtestes Beispiel ist die Verbindung von Prinz Albert, der im Jahr 1840 die britische Thronerbin Victoria ehelichte. Die im Hochadel seltene Liebesheirat brachte neun Kinder hervor. Derlei erfahren die Besucher bei der Führung durch das Stadtschloss Ehrenburg. „Queen Victoria schlief hier zwar nur eine einzige Nacht, für ihren Komfort wurde jedoch eines der ersten Wasserklosetts auf dem europäischen Kontinent eingebaut“, so Schlossführerin Julia Struck.

 

Das kleine Schloss Rosenau in Rödental bei Coburg war einst der Lieblingsort von Königin Victoria. Foto: Coburg Marketing/Melanie Schillinger

Viel besser als Schloss Ehrenburg gefiel Victoria das im Vorort Rödental gelegene kleinere Schloss Rosenau in einem weitläufigen Park. „Wäre ich nicht, was ich bin, hätte ich hier mein wirkliches Zuhause“, notierte Königin Victoria über den Lieblingsort, an dem einst ihr Prinzgemahl geboren wurde. Ihre Begeisterung lässt sich bis heute nachempfinden: Lichtdurchflutet und mit bunten Farben ausgemalt präsentieren sich die Zimmerfluchten.

In Rödental findet sich auch eines der ältesten Gasthäuser der Region. Bis auf das Jahr 1425 zurück geht die Geschichte des Braugasthofs Grosch. Hier können die Gäste ein halbes Dutzend hausgebraute Biere verkosten und sich die deftige fränkische Küche schmecken lassen. Berühmt ist Coburg für seine „Rutscher“ genannten Klöße, die ihren Namen davon haben, dass sie wie von selbst durch die Kehle gleiten. Vor allem aber die Bratwurst hat in Coburg Kultstatus. Sie wird über der Glut von Kiefernzapfen gegrillt und im „Weckla“, einer Semmel, genossen. Ein oder zwei Bratwurststände stehen täglich auf dem Marktplatz.
 

Unbedingt probieren: die Coburger Bratwurst. Sie wird über der Glut von Kiefernzapfen gegrillt. Foto: Coburg Marketing/Melanie Schillinger

Filmreife Kulisse

„Franken ist wie ein Zauberschrank – immer neue Schubfächer tun sich auf und zeigen bunte, glänzende Kleinodien“, notierte Karl Immermann schon 1837 in seiner „Fränkischen Reise“. Ein solches Juwel ist Seßlach, das sowohl an der Burgen- wie auch an der Fachwerkstraße liegt. Hier wurden Filme wie „Der Räuber Hotzenplotz“ und „Luther“ gedreht. „Schon 1335 bekam Seßlach Stadtrechte“, erklärt Stadtführerin Bettina Knauth. Sie begrüßt die Besucher im bodenlangen weinroten Samtgewand einer großen Dame des 14. Jahrhunderts. Aber Seßlach, das zu den „100 Genussorten Bayerns“ gehört, lebt nicht nur in der Vergangenheit. Die Altstadt verfügt bis heute über fünf Wirtshäuser und ein Kommunbrauhaus, wo es den Liter Untergäriges für einen Euro gibt. An den Wochenenden ist die gesamte Altstadt für den Durchgangsverkehr gesperrt. „Dies dürfte die einzige bayerische Staatsstraße sein, die nur temporär zu befahren ist“, so Bettina Knauth. Dann weist sie auf die vielen mustergültig restaurierten Fachwerkhäuser hin, die als Auszeichnung eine eiserne Rose an der Fassade angebracht haben.

 

Stadtführerin Bettina Knauth zeigt Besuchern in Seßlach die touristischen und auch kulinarischen Höhepunkte. Foto: Claudia Diemar
Mustergültig renovierte Fachwerkhäuser und eine lebendige Altstadt mit mehreren Wirtshäusern zeichnen Seßlach aus. Foto: Claudia Diemar

Pittoresk und perfekt renoviert wie Seßlach ist auch Ummerstadt, das bereits in Thüringen liegt. Hier wurden 2003 etliche Szenen des Lutherfilmes gedreht. Aber Ummerstadt erscheint ebenso bildschön wie ausgestorben. Nur an den Wochenenden hat das „Bürgercafé“ nachmittags geöffnet, der einzige Laden ist zu, das „Gasthaus Bertl“ ist geschlossen und sucht dringend neue Wirte. Ummerstadt lohnt dennoch einen Besuch, zumal in der Nähe das „Grüne Band“ entlang der ehemaligen Zonengrenze verläuft. Wo sich früher der Todesstreifen befand, verläuft heute ein gesamtdeutscher Wanderweg, sind seltene Pflanzen und geschützte Vögel wie das Braunkehlchen zu beobachten.

Ganz nah am „Grünen Band“ liegt die Veste Heldburg, in der das sehenswerte Deutsche Burgenmuseum beheimatet ist. „Seit diesem Jahr können wir die Besucher mit einem hochmodernen multimedialen Guide-System ausstatten, mit dem sich etwa Kurzfilme über das Leben der Ritter einspielen lassen“, so Museumdirektorin Dr. Adina Christine Rösch. Was noch fehlt, ist ein Pächter für den neuen Gastronomiebereich auf der Burgterrasse mit Panoramablick ins sanft gewellte Land des Rennsteigs.

Wellness und Spielzeug

Von der Veste Heldburg ist es nicht weit nach Bad Rodach, dessen weitläufige „Therme Natur“ zur Entspannung im warmen Heilwasser der Innen- und Außenbecken lockt. Auch das charmante Heimatmuseum im Jagdschloss, das eine ganze Abteilung dem Thema Spielzeug gewidmet hat, lohnt einen Besuch.

Zu beiden Seiten der ehemaligen Zonengrenze war und ist die Spielzeugindustrie angesiedelt. Im bayerischen Neustadt werden bis heute Puppen produziert und folgerichtig gibt es hier auch ein Puppenmuseum. Wenige Kilometer weiter, im thüringischen Sonneberg, findet sich das Deutsche Spielzeugmuseum mit rund 60.000 Exponaten.
 

Im Innenraum der Veste erinnert das sogenannte Lutherzimmer an den mehrmonatigen Aufenthalt des Reformators in Coburg im Jahr 1530. Foto: Kunstsammlungen Veste Coburg
Der Außenbereich der Coburger Veste mit seinen wuchtigen Toren und Mauern ist einen Spaziergang wert. Foto: Coburg Marketing/Rainer Brabec

Zurück in Coburg muss noch die hoch über der Stadt thronende Veste besucht werden. Luther nahm 1530 für ein halbes Jahr hier Quartier und notierte: „Es ist ein überaus reizender und für Studien geeigneter Ort.“ Auch Lucas Cranach der Ältere weilte in den Burgmauern. Heute findet sich hier eine umfangreiche Kunstsammlung, in der er mit Dutzenden von Werken vertreten ist.

Von der Veste führt ein herrlicher Spaziergang durch den ausgedehnten Hofgarten zurück in die Stadt. Die verabschiedet sich mit einer Leckerei als Mitbringsel. „Schmätzchen“ nennen sich die kleinen Honigkuchen, was in der örtlichen Mundart für „Küsschen“ steht. Ein süßer Abschiedskuss sozusagen.

 

ARCD-Reiseservice

Titelfoto: Sebastian Buff (Bild zeigt die Veste Heldburg/Thüringen)


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