01.12.2023 Haiko Tobias Prengel

Surren statt knattern

Die benzinverliebte Motorradbranche hinkt dem E-Auto-Boom noch hinterher. Dabei können auch elektrisch betriebene Zweiräder faszinieren. Wir stellen sechs Beispiele vor, bei denen Biker aufs „Rauchen“ verzichten.


Motorräder sind beliebt: 2022 gab es mit 4,8 Millionen zugelassenen Krafträdern einen neuen Höchststand auf deutschen Straßen. Doch das Gros sind Verbrenner. Während sich der Elektroantrieb bei Autos immer mehr durchsetzt, sind zweirädrige Stromer – noch – eine Randerscheinung.

Topseller wie BMW R 1250 GS, Honda CB750 Hornet und Kawasaki Z 900 sind leistungsstarke Zweiräder, die bis zu sechs Liter Benzin auf 100 Kilometer verbrauchen. Da sind Pkw mitunter sparsamer – und sauberer. Ab 2035 dürfen in der EU gar keine Verbrenner-Pkw mehr neu zugelassen werden. Motorräder sind von dieser Regelung nicht betroffen.

Die Anreize, sich ein batteriebetriebenes Zweirad anzuschaffen, sind somit gering. Nur 1.600 Exemplare wurden nach Angaben des Industrie-Verbands Motorrad 2022 in Deutschland verkauft. Dabei seien die Stärken des Elektroantriebs auch und gerade bei Zweirädern beeindruckend, sagt Maximilian Funk vom Reload Land in Berlin. So nennt sich Europas erstes Festival für elektrische Motorräder, das im Sommer 2023 Hersteller aus ganz Europa und den USA in die Hauptstadt lockte.

Der Akku liege beim E-Motorrad tief, das verbessere die Straßenlage. Die irre Beschleunigung bringe mächtig Fahrspaß, sagt Funk: „Und du kannst samstagmorgens vom Grundstück fahren, ohne dass die Nachbarn wegen Motorenlärm aus dem Bett fallen.“

Geeignet für kürzere Distanzen

Und die Reichweite? Elektrifizierte Touren-Bikes schaffen teils schon bis zu 400 Kilometer. Viele Verbrenner-Motorräder erreichen kaum mehr. Ohnehin dürften Biker anders als Autofahrer mit Ladestopps weniger Probleme haben. Da für sie das Fahren auf langen Strecken viel anstrengender ist als im bequemen Pkw, sind sie regelmäßige Pausen gewöhnt.

Für die Kurzstrecke hat sich die Elektromobilität übrigens schon etabliert. Bei den E-Rollern bis 45 km/h haben sich die Zulassungszahlen 2022 mit 8.026 Stück im Vergleich zum Vorjahr fast vervierfacht. Noch deutlicher zeigt sich der Trend weltweit. In Indien etwa hatte bereits jede zweite der 633.000 neu zugelassenen Rikschas einen Batterieantrieb. Dort zählt der Transportsektor zu den größten Verursachern von Treibhausgasen. Aber auch in Deutschland könnten E-Roller dabei helfen, den Verkehr zu dekarbonisieren. Gerade in den staugeplagten Großstädten haben Zweiräder den Vorteil, dass man mit ihnen leicht und wendig durch den Verkehr cruisen kann.

 

Foto: fbn

Zero

Zero Motorcycles aus Kalifornien ist der Weltmarktführer für Elektromotorräder. Die Marke bietet High-End-Gefährte mit brachialen Beschleunigungswerten an, die jeden Verbrenner bei den Fahrleistungen in den Schatten stellen.

Sportliche Tourer wie die Zero SR/S (Foto, ab 23.400 Euro) fahren sich handlich und im Öko-Modus zudem sehr stromsparend.

Aufladen lässt sich bequem zu Hause über Haushaltssteckdose oder Wallbox. Dann kosten 100 Kilometer nur etwa vier Euro.

Foto: Haiko Tobias Prengel

LiveWire

Sogar Harley-Davidson, Kultmarke und Inbegriff der knatternden Easy Rider, hat inzwischen ein E-Motorrad im Programm.
LiveWire war 2019 das erste elektrifizierte Modell der US-Amerikaner. Inzwischen ist die Tochterfirma LiveWire EV ausschließlich auf Elektromobilität ausgerichtet und vertreibt das LiveWire One (Foto, ab 24.990 Euro).

Die Fahrleistungen sind beeindruckend, von Null auf Hundert vergehen nur drei Sekunden.

„Aufgetankt“ werden kann die E-Harley an Schnellladesäulen, der Ladehub von 20 auf 80 Prozent soll lediglich 30 Minuten dauern.

Foto: Haiko Tobias Prenge

BMW

BMW Motorrad feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Am Standort Berlin-Spandau laufen seit 1969 Zweiräder vom Band, heute sind es bis zu 800 pro Tag.

Doch der Anteil elektrischer Maschinen ist bislang marginal: 2022 verkaufte BMW Motorrad weltweit 202.895 Motorräder und Scooter. Nur knapp 5.000 Einheiten entfielen dabei auf den elektrischen Stadt-Scooter CE 04 (Foto).

Der ist ab 12.950 Euro für staugeplagte Autofahrer eine interessante Alternative. Denn er fährt sich nicht nur wendig und flott, der CE 04 lässt sich mit 7,7 kWh auf 100 Kilometer auch effizient bewegen.
Zum Vergleich: Selbst die sparsamsten E-Autos kommen kaum unter 14 bis 15 kWh. Mit der BMW CE 02 gibt es für 8.500 Euro ein zweites Modell für urbane Pendler.

Foto: Stilride

Stilride

Das 2020 in Schweden gegründete Unternehmen setzt stark auf Nachhaltigkeit. So ist die Karosserie des Leicht-Elektromotorrads Stilride 1 (Foto) zu 100 Prozent recycelbar. Das stylishe Gefährt ist aus einem einzigen Stahlblech gefertigt und unterscheidet sich so von herkömmlichen Motorrollern mit geschweißten Metallrohrrahmen und Kunststoffverkleidungen. Das bedeutet erheblich weniger Materialbedarf, ein geringeres Gewicht und die Möglichkeit, das Bike in kleinen regionalen Fabriken herzustellen.

Die Stilride 1 wird von einem Hinterradnabenmotor mit 280 Newtonmeter Drehmoment angetrieben und soll 2024 für voraussichtlich 15.000 Euro erwerbbar sein.

Die Top-Speed liegt bei 100 km/h, die Reichweite bei etwa 120 Kilometer mit vierstündiger Aufladung.

Info: www.stilride.com

Foto: Haiko Tobias Prengel

PohlBock

Auch für Motocross-Fans gibt es inzwischen elektrifizierte Alternativen. Der große Vorteil: Man kann ohne Lärm und Abgase durch Parcours in der Natur brettern und stört akustisch keine Tiere oder Menschen.

Die PohlBock GmbH wurde 2017 gegründet und hat ihren Sitz im Schwarzwald. Die Macher sind selbst Motocross-Fans und haben sich auf die Entwicklung von hochwertigen eCross-Maschinen spezialisiert.

Das Flaggschiff heißt eBock 2 (Foto, ab 15.999 Euro), der für Motocross auf einem neuen Niveau stehen soll: Mit E-Power-Technologie sei der eBock nicht der Lauteste, sondern der Schnellste.

Auch interessant: Das Bike ist über ein Solarsystem wiederaufladbar und somit emissionsfrei, zudem soll die Technik weitgehend wartungsfrei sein.

Foto: Haiko Tobias Prengel

Second Ride

Das Start-up Second Ride aus Berlin baut alte Simson-Motorräder auf (lokal) emissionsfreien Elektroantrieb um. Die knatternden Zweitakter aus der ehemaligen DDR sind zwar Kult, ihr Betrieb ist allerdings eine ziemliche Umweltsauerei. So sollen die Emissionswerte der bläuenden Zweitakter 150 Mal schlechter sein als bei einem modernen Verbrenner. Bei geschätzten 500.000 noch existierenden Simson hat der Umbau auf Elektroantrieb (Foto) somit durchaus eine ökologische Relevanz. Die Umrüstkits bietet Second Ride für etwa 3.000 Euro pro Zweirad an. Der Clou: Der Eingriff soll sich in zwei Stunden in der heimischen Werkstatt erledigen lassen – auch ohne große Schrauberkenntnisse.

Info: https://second-ride.de

Titelfoto: stock.adobe.com/© Stavros


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