Wie viel Auto gibt’s für kleines Geld?
In den vergangenen Jahren sind die Preise für Autos enorm gestiegen – zum Nachteil preisbewusster Konsumenten. Doch es gibt auch noch günstige Neuwagen. Am Praxisbeispiel des Dacia Sandero zeigen wir etwa, wie viel man von einem Kleinwagen für ab 11.300 Euro erwarten kann.
Wer sich heutzutage einen neuen Pkw anschaffen will, muss besonders tief in die Tasche greifen. Neuwagen kosteten im Jahr 2022 durchschnittlich 42.790 Euro und selbst Gebrauchtwagen bewegten sich mit 18.800 Euro immer noch auf hohem Niveau. Wer sich solche Summen nicht leisten kann oder will, muss deswegen aber nicht gleich auf Bus oder Bahn umsteigen. Es gibt sie, die günstigen Autos – vom Händler und mit Neuwagengarantie. Natürlich darf man beim Griff ins untere Regal hinsichtlich Image, Komfort- und Sicherheitsausstattung keine Wunder erwarten. Audi, BMW und Mercedes rangieren mit ihren Preisen in anderen Sphären und auch die einstige Volksmarke VW startet mit ihrem kleinsten Vertreter, dem Polo, aktuell mindestens ab 21.590 Euro. Wirklich preiswert ist das nicht, schon gar nicht für einen Pkw, der mittlerweile in Spanien gebaut wird.
Wer sich nur einen halben Polo leisten kann, bekommt dafür einen ganzen Dacia Sandero aus Marokko. Der kostet ab 11.300 Euro und ist Deutschlands günstigster Einstieg in das Neuwagensegment. Mussten vergangene Modelle des rumänischen Autoherstellers noch mit abgelegter Technik des Renault-Mutterhauses vorliebnehmen, nutzt das Kleinwagenmodell des Sandero eine aktuelle Plattform der Renault-Nissan-Allianz, auf der auch der Renault Clio, dessen Hochsitzbruder Captur sowie deren Derivate Mitsubishi Colt und ASX aufbauen. Die sogenannte CMF-B-Plattform ermöglicht die Nutzung einer zeitgemäßen Elektronik-Architektur, um Assistenzsysteme, schlüssellosen Zugang und eine Smartphone-Integration zu gewährleisten.
Doch könnte man auf viele elektronische Helferlein nicht verzichten, da sie den Preis eines Pkw nur in die Höhe treiben? Nein! Einerseits schreibt die EU den Autoherstellern zur Verringerung der Zahl der Unfalltoten regelmäßig neue Assistenzsysteme ins Lastenheft und anderseits ist eine reichhaltige Serienausstattung für Autokäufer ein sehr wichtiges Kaufkriterium, wie der Kfz-Datendienstleister Deutsche Automobil Treuhand (DAT) 2023 herausgefunden hat.
Zurück zum Sandero: Verglichen mit dem erschwinglichen Einstiegspreis kann sich dessen Serienausstattung in der Basisversion Essential durchaus sehen lassen. Sechs Front- und Seitenairbags für Fahrer und Beifahrer, Notbremsassistent, DAB+-Radio mit USB-Anschluss, Bluetooth-Freisprecheinrichtung, Tempomat mit Geschwindigkeitsbegrenzer, Multifunktionslenkrad, Zentralverriegelung mit Funkfernbedienung, elektrische Fensterheber vorn und LED-Abblendlicht sind zum gleichen Preis bei manch Gebrauchtem nicht zu finden.
Weniger nachgefragt ist hierzulande allerdings die Basismotorisierung mit bescheidenen 49 kW/67 PS aus einem Ein-Liter-Saugbenziner. Die meisten Käufer greifen lieber zum stärkeren Dreizylinder-Turbobenziner mit 67 kW/91 PS (ab 12.550 Euro), wie sie auch unser Testwagen besitzt.
Kräftiger Motor
Damit lässt sich im Verkehr flüssig mitschwimmen, die serienmäßige Fünfgang-Schaltung ist sinnvoll abgestuft, Drehzahl und Geräuschniveau fallen bei höheren Geschwindigkeiten angenehm niedrig aus. Anders dagegen beim Kaltlauf: Rau und rasselnd ist der Dreizylinder nach dem Kaltstart präsent. Was uns in dem Zusammenhang fehlt: eine im Instrumententräger stets ersichtliche Kühlwasser-Temperaturanzeige. Mit ihr könnte abgelesen werden, wann der Motor seine Betriebstemperatur erreicht hat. Die lässt sich zwar über Lenkradtasten im Menü aufrufen, zweckmäßiger wäre aber eine Anzeige, die auf einen Blick erkennen ließe, wann das Aggregat warm ist und der Autofahrer Gas geben kann, ohne Schäden am Motor zu riskieren. Beim Benzinverbrauch gibt der Hersteller 5,1 Liter pro 100 Kilometer an, wir kamen im Test auf 5,9 Liter und liegen damit noch auf dem Niveau teurerer Wettbewerber.
Windgeräusche und bei Regenwetter aufspritzendes Wasser in den Radkästen sind im Innenraum nicht zu überhören. Während der Hersteller offenbar an den für Passagiere nicht einsehbaren Stellen an Dämmwolle spart, lässt der Innenraum auf den ersten Blick keinen Billigheimer vermuten. Weiße Ziernähte hübschen auf allen Plätzen schwarze Stoffsitze auf. Neben einer großflächigen Hartplastikverkleidung sind Türen und Armaturenbrett mit Stoff bespannt, der sich angenehm anfühlt. Positiver Nebeneffekt: Auf dem Material ist Staub unsichtbar.
Typisch für Pressetestwagen: Sie sind oft besser als die Basisversion ausgestattet. Auch unser Exemplar in der höchsten Ausstattungsstufe Expression (ab 13.950 Euro) ist da keine Ausnahme. Elektrische Fensterheber vorn und auch hinten, manuelle Klimaanlage, Infotainmentsystem mit 8-Zoll-Monitor, Smartphone-Integration (USB-Kabel und Bluetooth), elektrisch einstellbare sowie beheizbare Außenspiegel und obendrein eine akustische, hintere Einparkhilfe versprühen bereits einen Hauch von Kleinwagen-Luxus.
Wenn es etwas mehr sein darf, empfehlen wir kälteempfindlichen Naturen das Winterpaket (550 Euro). Das beinhaltet eine schnell anspringende, zweistufige Sitzheizung für die Vordersitze sowie eine Klimaautomatik. Beachtenswert ist zudem das sogenannte Sicherheitspaket (450 Euro) mit Rückfahrkamera. Obwohl das Bild des rückwärtigen Verkehrsraums leicht verzerrt dargestellt wird, blickt die Kamera genau in den toten Winkel, der aus Fahrersicht heraus normalerweise uneinsehbar bliebe. Ebenfalls in diesem Paket enthalten ist noch ein Toter-Winkel-Warner mit orangen Leuchten in den beiden Außenspiegeln. Doch hier gibt es Licht und Schatten. Im Trockenen agiert die Technik weitestgehend zuverlässig, bei Nässe blinkt sie allerdings fast ohne Unterlass, selbst wenn sich gar kein Fahrzeug im toten Winkel befindet. Die aufspritzende Gischt scheint die Sensorik zu verwirren. Bei Dunkelheit stört das Flackerlicht, ausschalten lässt es sich leider nicht.
Fehlender Seitenhalt
Dass Kleinwagen nicht unbedingt für große Menschen jenseits der 1,90 Meter entwickelt werden, versteht sich von selbst. Die Platzverhältnisse auf den Vordersitzen des Sandero sind noch ausreichend, selbst mit stärker angewinkelten Beinen lassen sich kurze und mittlere Distanzen relativ locker zurücklegen. Negativ allerdings fällt der mangelnde Seitenhalt der Vordersitze auf. Der unveränderbare Winkel des Sitzkissens ist zu flach, die Beinauflage für große Fahrer zu kurz, was auf längeren Strecken doch noch zu einer unbequemen Sitzposition führen kann. Da selbst gegen Aufpreis keine anderen Sitze bestellbar sind, empfehlen wir Zwei-Meter-Menschen notwendigerweise eine längere Probefahrt. Des einen Leid, des anderen Freud: Auf der Rückbank sitzen erwachsene Mitfahrer relativ komfortabel.
Zu guter Letzt: Das Kofferraumvolumen beträgt 328 Liter. In die Praxis übersetzt passen zwei bis drei kleine bis mittelgroße Koffer hinein. Bei umgeklappter Rückbanklehne sind es bis zu 1.108 Liter oder so viel Platz, dass der Sandero sogar zum billigen Umzugshelfer taugen könnte.
Eine Auswahl von Fahrzeugmodellen bis 20.000 Euro finden Sie in unserer Bildergalerie
(Alle Preise und Angaben Stand: 18.01.2024)
Dacia Sandero TCe 90 Expression
- Motor: 1,0-l-Dreizylinder-Turbobenziner, 67 kW/91 PS, 160 Nm bei 2.100–3.750/min
- Antrieb, Getriebe: Front, Fünfgang manuell
- 0-100 km/h, Spitze: 12,3 s, 174 km/h
- Norm-/Testverbrauch: 5,1 (WLTP)/5,9 l S
- CO2-Ausstoß Norm/Test: 119 (WLTP)/137 g/km
- Länge x Breite x Höhe: 4,09 x 1,84/2,01 x 1,5 m
- Radstand, Wendekreis: 2,60 m, 10,5 m
- Kofferraum: 328–1.108 l
- Leergewicht, Zuladung: 1.147 kg, 414 kg
- Anhängelast: 1.100 kg
- Stützlast, Dachlast: 75 kg, 80 kg
- Tankinhalt: 50 l
- Typklassen KH/VK/TK: 19/19/19
- Kfz-Steuer pro Jahr: 68 Euro
- Wartung 30.000 km/60.000 km: ca. 220 Euro/ca. 520 Euro*
- Grund-/Testwagenpreis: 13.950 Euro, 16.750 Euro
- Modell verfügbar ab: 11.300 Euro
- Auswahl Basis-Serienausstattung: Sechs Airbags, Teil-LED-Scheinwerfer, Tempomat, DAB+-Radio/USB, Notbremsassistent, elektrische Fensterheber vorn, Zentralverriegelung, Berganfahrhilfe
* Herstellerangaben, Preise in Werkstätten können abweichen
Titelfoto: Wolfgang Sievernich