02.02.2024 Haiko Tobias Prengel

Auf großer Fahrt mit dem Billig-Elektroauto


E-Autos sind zu teuer? Stimmt häufig, aber nicht immer. Der Dacia Spring Electric etwa ist günstiger als viele Verbrenner. Ob er auch alltagstauglich ist, haben wir auf einer Reise in die Sächsische Schweiz ausprobiert.


Verflixt, schon wieder ein steiler Anstieg. In der bergigen Landschaft bei Dresden schmilzt der Akkustand unseres Elektroautos dahin wie Eis in der Sonne – vor allem auf der Autobahn. Dabei fahren wir kaum schneller als 100 km/h. Immerhin hat der Kriechgang auf der rechten Spur sein Gutes: Gemächliches Reisen entschleunigt wunderbar, gerade wenn man auf dem Weg in den Urlaub ist. Wenn da nur diese Reichweitenangst nicht wäre.

Willkommen in der Holzklasse der Elektromobilität. Unser Testmobil ist der Dacia Spring Electric. Anfang 2024 ist der Kleinwagen der günstigste Stromer auf dem deutschen Markt, ab einem Listenpreis von 22.750 Euro ist er zu haben. Aber taugt er auch als Familienauto, für eine Reise mit Kind und Kegel? So viel vorab: Einige Abstriche beim Komfort muss man bei diesem Kampfpreis naturgemäß machen. Aber ist das nicht gerade die Herausforderung? Mit einem Mercedes EQS oder Tesla Model S Long Range mit über 700 Kilometer Reichweite kann ja jeder bequem verreisen. Doch wie langstreckentauglich ist ein auf das Minimum reduzierter Stromer wie der Dacia Spring?
 

Klein, leicht und genügsam

Nun, Renaults Billigmarke bewirbt das Einstiegsmodell als „kompaktes Stadtauto“. Unser Trip geht von Berlin ins Elbsandsteingebirge in Sachsen. Knapp 250 Kilometer bis zum Zielort zeigt das Navi unseres Testwagens beim Start an. Eine überschaubare Strecke also, die auch einem Kleinwagen zuzumuten sein sollte.

Also Gepäck verstauen und los geht’s. Doch beim Raumangebot fangen die Probleme schon an. Auf Werbefotos wirkt der Spring kompakt. Wenn man aber vor ihm steht, schrumpft er arg zusammen. Gerade einmal 1,77 Meter breit (mit Außenspiegeln) und 3,73 Meter lang ist der Knirps, nur gute 1.000 Kilo schwer. Da reichen 14-Zoll-Räder auf schmalen 165er-Reifen aus. Dass solche Spalt-Tabletten überhaupt noch gebaut werden.

Was nervt: Optisch will der Spring trotzdem einen auf SUV machen. Radläufe und Türen haben die Designer mit Plastik beplankt, die Karosserie offroadig aufgebockt. So wirkt er eher wie die Karikatur eines Geländewagens. Doch hier geht es nicht um Designpreise. Die stärkste Waffe des viersitzigen Dacia Spring ist seine Effizienz. Eben weil der Mini-Stromer mit einer Tonne Leergewicht für ein Elektroauto sensationell leicht ist, reicht ein 33 kW/44-PS-Motörchen in der Basismotorisierung aus. Neu ist die leistungsstärkere Variante namens „Extreme“. Unser Testwagen verfügt damit über 48 kW/65 PS und kostet laut Preisliste ab 24.550 Euro.

Aus heutiger Sicht erscheinen auch die als lächerlich, wo der durchschnittliche Neuwagen über mehr als 200 PS verfügt. Doch weil der Elektro-Dacia so leicht ist, lässt er sich erstaunlich flott bewegen. Dazu kommen beeindruckende Verbrauchswerte. Im Stadtverkehr sind laut Anzeige 5 kWh auf 100 Kilometer machbar, auf der Landstraße 10 kWh. Für ein vollwertiges Auto mit vier Türen und Kofferraum sind das Topwerte. Der 26,8-kWh-Akku des Spring ist zwar klein, dafür wiegt er nur 186 Kilogramm.

Sparsame Autos sind also möglich. Kritiker fordern solche Effizienzmodelle schon lange, wenn es die Gesellschaft mit der Verkehrswende ernst meint. Doch die Industrie setzt auch im Elektro-Zeitalter lieber auf viel Leistung und Komfort. Das macht Pkw irrsinnig schwer und erhöht den Verbrauch. Ein kompakter VW ID.3 etwa wiegt mit bis zu 1,9 Tonnen fast doppelt so viel wie ein Dacia Spring. Teslas Model Y, auf Platz eins der beliebtesten E-Autos, bringt über zwei Tonnen auf die Waage.
 

Defensives Fahren ist Trumpf

Der Preis, den man für wenig Gewicht zahlen muss, sind beim Dacia Spring Komfort und Reichweite. Nach dem Start in Berlin zeigt ein Blick auf den Bordcomputer schnell, dass wir unser Ziel im Elbsandsteingebirge nicht ohne Ladestopp erreichen werden. Zwar gibt Dacia für den Spring Electric „Extreme“ bis zu 220 Kilometer Reichweite an, im Stadtverkehr bis zu 305 Kilometer. Doch die erweisen sich selbst bei zurückhaltender Fahrweise als illusorisch, gerade auf der Autobahn. Hier steigen die Verbrauchswerte schnell auf 20 kWh und mehr, auch weil sich das etwas plumpe SUV-Design nachteilig auf die Aerodynamik auswirkt. Außerdem gibt es keine Wärmepumpe zur effizienteren Temperierung des Innenraums.

Der wichtigste Knopf im Cockpit ist daher der für den Eco-Modus. Dann laufen die Funktionen auf Sparflamme: Motorleistung und Höchstgeschwindigkeit werden limitiert. Selbst wenn man das Fahrpedal voll durchdrückt, sind maximal 110 statt 125 km/h drin, bei Rückenwind und bergab schaffen wir 113 km/h. Das ist gerade schnell genug, um Lkw zu überholen. Doch Vorsicht: In Deutschland sind die meisten Autofahrer solche Schnecken auf der linken Spur nicht gewohnt. Mit dem Spring bleibt man deshalb besser weit rechts. Einmal hängen wir uns an einen flotten Reisebus und segeln eine Weile hinter ihm mit, um Energie zu sparen. Dann geht’s bergauf, und der Diesel-Bus hängt uns gnadenlos ab.

Nach etwa 80 Kilometern müssen wir das erste Mal an die Ladesäule. Immerhin ist Schnellladen möglich, aber nur, wenn man 800 Euro Aufpreis für einen CCS-Ladeanschluss bezahlt. Dann lädt der Spring in circa 40 Minuten von 20 auf 80 Prozent auf. Für die Fahrzeugklasse ein passabler Wert. Und weil die Akkukapazität mit 26,8 kWh gering ist, lässt sich der Spring über Nacht sogar an der Haushaltssteckdose aufladen. Das notwendige Kabel kostet 300 Euro extra.
 

Ohne Zugeständnisse geht es nicht

Sein Debüt feierte der Dacia Spring 2021. Damals kam das Discounter-Modell mit 33 kW/44 PS auf den Markt. Nun ist mit dem „Extreme“ die leistungsstärkere Version erhältlich: Sie beinhaltet zum Preis von 24.550 Euro neben dem 48 kW/65-PS-Elektromotor diverse Extras, darunter Sitzpolster in Lederoptik, kupferfarbene Designelemente und ein Multimediasystem mit 7-Zoll-Touchscreen und Navi. Sogar eine Einparkhilfe hinten mit Rückfahrkamera gehört dazu.

Dass es heutzutage eine Kamera braucht, um einen Kleinwagen einzuparken, ist für die Autoindustrie ein Armutszeugnis. Die SUV-Mode hat Pkw schrecklich unübersichtlich gemacht. Hochgelegte Karosserien treffen auf schmale Glasflächen. Beim Dacia Spring ist die breite C-Säule ein echtes Problem. Wegen ihr können beim Abbiegen Radfahrer oder Fußgänger schnell übersehen werden. An einigen Kreuzungen muss ich deswegen laut fluchen. Unser Familienkombi aus den 1990ern ist gefühlt drei Mal so übersichtlich wie der Dacia Spring.

Wenig stört dagegen dessen Kargheit im Innenraum. Die Armaturen sind auf das Wesentliche reduziert, die Grafik des Touchscreens ist schlicht. Sprachsteuerung? Fehlanzeige. Dafür ist die Bedienung der wenigen Schalter und Funktionen einfach. Nur der Knopf für Verbrauchsanzeige und Kilometerzähler ist deplatziert: Er versteckt sich im Kombiinstrument. Um ihn zu bedienen, muss man umständlich durch das Lenkrad hindurchgreifen. Während der Fahrt ist das ein Ablenkungsrisiko.

Es gibt wenig Ablageflächen und keine Armlehne im Dacia Spring. Andererseits können auch größere Menschen vorne recht bequem sitzen, hier zahlt sich das SUV-Format aus. Enger geht es im Fond zu, hier gibt es nur zwei und nicht drei Sitzplätze. Das Gepäckabteil ist begrenzt: Einen großen Rollkoffer konnten wir verstauen, dann war das Ladevolumen praktisch ausgeschöpft. Schon klar, der Spring ist keine Reiselimousine. Doch er kann weit mehr als nur Stadtverkehr. Pendler fahren im Durchschnitt kaum 20 Kilometer zur Arbeit. Ihnen genügt die Reichweite des Dacia auch über Land locker. Dazu kommen sehr günstige Unterhaltskosten, gerade wenn man an der heimischen Wallbox Strom aus der eigenen Solaranlage nutzt.

Der größte Trumpf des stärkeren Dacia Spring aber ist sein niedriger Anschaffungspreis unter 25.000 Euro, selbst nachdem im vergangenen Jahr die staatliche Umweltprämie ad hoc komplett gestrichen wurde. Ein elektrischer Renault Twingo kostet ab 28.000 Euro, der mit Strom fahrende Renault Zoe mindestens 36.840 Euro.
 

Vorbild für mehr günstigere Stromer

In seiner Kargheit erinnert der Dacia Spring an den Fiat Panda. 1980 auf den Markt gebracht, war der Panda (Werbeslogan: „Die tolle Kiste“) kaum mehr als ein Fahrzeuggerippe ohne jeden Komfort. Mit 34 und später bis zu 55 PS war er ähnlich schwach motorisiert. Doch vielen Menschen reichte das minimalistische Konzept im Alltag aus. Mit über vier Millionen Fahrzeugen avancierte der Fiat Panda zu einem der meistverkauften Autos überhaupt. Er brachte die Menschen zuverlässig von A nach B. Das kann trotz kleinem Akku und überschaubarer Reichweite auch der Dacia Spring Electric, zumal er mit seinen 65 Elektro-PS weitaus spritziger fährt als gedacht. Doch auch wenn Elektroautos Marktanteile erobern: Mit zwei Prozent am Pkw-Gesamtbestand ist ihr Anteil weiter gering. Das liegt vor allem am hohen Preis. Wie Umfragen zeigen, ist dieser der Hauptgrund, warum viele Menschen mit einem Kauf noch zögern.

Der Dacia Spring Electric macht den Einstieg erschwinglich. Das Auto sei die „Eintrittskarte in die Elektromobilität“, sagt ein Sprecher von Renault. So seien ganze 93 Prozent der Käufer im Privatmarkt Elektro-Erstkunden. Europaweit lag der Dacia Spring Electric 2023 in den Top Ten der beliebtesten Stromer. Über 100.000 Bestellungen gab es seit Marktstart im Jahr 2021. Somit scheint das schlechte Abschneiden beim Crashtest kein Kaufhindernis zu sein. Bei den Experten von Euro NCAP versagte der elektrische Dacia mit nur einem von fünf Sternen. Zum günstigen Preis könnte zudem beitragen, dass der Dacia Spring bei Dongfeng Motor in China hergestellt wird. Ein Billigauto fahren auf Kosten von ausgebeuteten Arbeitern in einem undemokratischen, autoritären Land? Auch das erzeugt einen faden Beigeschmack.

Immerhin sind Alternativen in Aussicht. Citroën hat für 2024 mit dem ë-C3 ein weiteres Billig-Elektroauto angekündigt. 2025, vermutlich etwas später will VW mit dem ID.2 nachlegen, der ebenfalls unter 25.000 Euro kosten soll. Auch für Normalverdiener könnten E-Autos also endlich bezahlbar werden. Skeptiker der E-Mobilität werden so wohl bald umdenken müssen. Zumindest der Anschaffungspreis wird dann kein Grund mehr sein, sich für einen Verbrenner und gegen ein E-Auto zu entscheiden. Der Dacia Spring Electric beweist zudem, dass sie keine Zweitonnen-Asphaltbomber sein müssen und sparsam sein können. Auf unserer 250 Kilometer langen Anreise zu dritt und mit Urlaubsgepäck verbrauchten wir durchschnittlich 14,2 kWh auf 100 Kilometer (WLTP-Norm: 14,5 kWh). Bleibt die Frage, was in Zeiten der Klima- und Umweltkrise wichtiger ist: Gewohnter Komfort und Leistung oder ein Höchstmaß an Effizienz? Mit dieser unbequemen Frage muss sich letztlich jeder Autokäufer selbst auseinandersetzen.
 


Titelfoto: Haiko Tobias Prengel

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