25.03.2024 Wolfgang Sievernich

Wenn LED-Scheinwerfer blenden

Moderne LED-Scheinwerfer leuchten die Straße heller, breiter und weiter aus. Die Lichtquellen können aber auch dazu führen, dass sich andere Verkehrsteilnehmer geblendet fühlen. Wir haben mit Experten untersucht, was zu Blendung führt, warum gerade ältere Menschen stärker davon betroffen sind, wie technische Funktionen helfen könnten und welche Maßnahmen Betroffene selbst ergreifen können, um den Blendeffekt zu reduzieren.


Der technische Fortschritt ist wie eine Medaille. Während auf der einen Seite die Vorzüge bewundert im Rampenlicht glitzern, fristen die Nachteile auf der Kehrseite ein weitgehend unbeachtetes Schattendasein. Das gilt auch für die über 160 Jahre alte Entwicklung der Lichttechnik im Automobilbau.

Lange Zeit ging es den Autoherstellern vorwiegend darum, die Helligkeit von Kerzen, Petroleumlampen, Bilux- und Halogenglühbirnen immer weiter zu erhöhen. Das galt auch für die ab Anfang der Neunzigerjahre erhältlichen Xenon-Scheinwerfer mit Gasentladungstechnik. Erstmals in der Geschichte der Lichttechnik ließen sich mit diesen aber auch sicherheitsrelevante adaptive Lichtfunktionen wie Kurven- und Kreuzungslicht, Stadt-, Landstraßen- sowie Autobahnlicht realisieren. Der selbsttätige Wechsel zwischen Abblend- und Fernlicht sowie die Anpassung der Lichtstärke an Umgebung und Gegenverkehr entsprach zu der Zeit einer lichttechnischen Revolution.
 

LED-Licht für Autofahrer ermüdungsfreier

Noch einen Schritt weiter geht das heute vielfach verwendete LED-Licht. Mit einer Farbtemperatur von 5.500 bis 6.000 Kelvin ähnelt es Tageslicht und ist verglichen mit Xenon (4.500 Kelvin) und Halogen (3.000 Kelvin) nochmals heller. Zulassungskonform leuchtet es die Fahrbahn weiter und breiter aus. Vorteil für Autofahrer: Das Licht lässt die Augen bei Dunkelheit und schlechtem Wetter kaum ermüden. Bei Nebel und Niederschlag sorgt LED-Licht zudem für weniger Eigenblendung. In der jüngsten Ausbaustufe, dem digitalen Matrix-LED-Licht von Audi, sitzen auf einem winzigen Chip in der Größe eines Fingernagels über eine Million Mikrospiegel. Mithilfe elektrostatischer Felder lässt sich jeder einzelne pro Sekunde bis zu 5.000 Mal kippen. Je nach Stellung gelangt das LED-Licht so entweder über Linsen auf die Straße oder wird in einem Absorber geschluckt, um Ausblendungen zu erzeugen. Und diese Ausblendungen gehören zu einer der wichtigsten Funktionen von Matrix-LED-Licht. Bei Autofahrern besonders beliebt: blendfreies Dauerfernlicht, bei dem vorausfahrende und entgegenkommende Pkw bei Dunkelheit gezielt ausgeblendet werden. Ganz neu ist das Spurlicht. Damit lässt sich der eigene Fahrstreifen heller ausleuchten, beim Überholen zieht das Licht dynamisch mit, sodass die Aufmerksamkeit des Fahrers immer auf dem für ihn relevanten Fahrstreifen bleibt. Selbst Personen am Straßenrand sollen nicht im Dunkel der Nacht verschwinden. Mit sogenanntem Markierungslicht können Passanten in Fahrbahnnähe automatisch angeblitzt werden.
 

Im Falle des Ford Focus strahlt das Licht von LED-Scheinwerfern (rechts) nicht nur heller, sondern auch weiter und breiter als das von Halogenlicht (links). Foto: Ford

Bei der Erfüllung der Funktionen, des Sehens und des Gesehenwerdens, besteht immer ein Zielkonflikt zwischen guter Ausleuchtung und der Blendwirkung für andere Verkehrsteilnehmer.“

–  Christopher Gerhard, Sprecher Bundesanstalt für Straßenwesen


Doch was für Fahrzeuginsassen gut und vorteilhaft erscheint, muss nicht gleichermaßen für andere Verkehrsteilnehmer gelten. Der ARCD etwa erhält häufiger Beschwerden von Mitgliedern, die sich vom grellen Licht moderner Autoscheinwerfer geblendet fühlen. Obwohl LED-Licht keine gesundheitsschädigende Wirkung auf das Auge hat, wie etwa der Blick in die Sonne, kann das taghelle Licht die Augen in der Dunkelheit irritieren und damit die Verkehrssicherheit des Geblendeten für wenige Sekunden beeinträchtigen. „Bei der Erfüllung der Funktionen, des Sehens und des Gesehenwerdens, besteht immer ein Zielkonflikt zwischen guter Ausleuchtung und der Blendwirkung für andere Verkehrsteilnehmer“, erklärt Christopher Gerhard, Sprecher der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) dazu. Vor dem Hintergrund dieses Zielkonflikts muss der Gesetzgeber die Anforderungen an lichttechnische Einrichtungen festlegen. Die Krux liegt im Detail. „Die Hersteller reizen die Grenzen der Zulassung bis aufs Letzte aus“, sagt Professor Dr. Dr. Bernhard Lachenmayr, Facharzt für Augenheilkunde in München und Sprecher der Verkehrskommission der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands. Bei Praxistests der BASt kam heraus, dass LED-Scheinwerfer meist nur im Stand blendfrei bleiben. Beschleunigen Fahrzeuge, entstehen Nickwinkel, was bedeutet, dass das Heck des Autos leicht einknickt und sich die Fahrzeugnase anhebt. Durch das Heben des Lichtkegels können vorausfahrende und entgegenkommende Autofahrer aber kurz geblendet werden. Beladung und Straßenunebenheiten verschärfen dieses Dilemma weiter.
 

Das LED-Scheinwerferlicht wird von der Fahrbahn stärker abgestrahlt und kann damit für zusätzliche Blendung sorgen. Foto: Audi

Die Blendung weitestgehend verhindern könnte dabei eine technische Funktion – die sogenannte dynamische Leuchtweitenregulierung (DLWR). Diese korrigiert den Lichtkegel beim Beschleunigen und Bremsen automatisch in Millisekunden. Der Haken: Die DLWR ist nicht gesetzlich vorgeschrieben und so liegt es im Ermessen der Autohersteller, ob sie die Funktion einbauen wollen. Dass die DLWR vorwiegend in hochpreisigen Fahrzeugen zum Einsatz kommt, stellt für Professor Lachenmayr ein finanzielles Kalkül der Autoindustrie dar. Diese spare sich außerhalb der Edelkarossen Aufwand und Kosten der Installation, sachliche Gründe sprechen seiner Meinung nach nicht gegen den Einbau in herkömmlichen Pkw.

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) macht sich indes für den verpflichtenden Einbau einer automatischen Leuchtweitenregulierung (ALWR) stark. Dabei handelt es sich um eine abgespeckte Funktion der DLWR, die zumindest Beladungsänderungen ausgleichen kann. Bislang ist diese Funktion aber nur für Xenon- und LED-Scheinwerfer mit sehr hoher Leuchtstärke vorgeschrieben. Serienmäßig muss in Fahrzeugen ab Baujahr 1990 lediglich eine manuelle Leuchtweitenregulierung (MLWR) an Bord sein. Über ein Stellrad im Innenraum kann der Fahrer damit jederzeit selbst die Scheinwerferneigung anpassen. Der DVR bemängelt aber, dass selbst pflichtbewusste Autofahrer die für den aktuellen Beladungszustand richtige Einstellung nur selten kennen und viele der Funktion in der Praxis kaum Beachtung schenken.


Kleine punktförmige Leuchten besitzen eine hohe Leuchtdichte, bei gleichzeitig steigender Blendwirkung.“

– Professor Dr. Dr. Bernhard Lachenmayr, Facharzt für Augenheilkunde, München


Neben der falschen Einstellung des Lichtkegels sind aber noch weitere Faktoren für Blendung im Straßenverkehr verantwortlich. Einer davon ist dem Design moderner Autos geschuldet. Der Trend geht zu kompakten, kleineren Scheinwerfern. Je kleiner die Lichtaustrittsfläche eines Scheinwerfers aber sei, umso höher müsse die Leuchtdichte werden, damit man das Licht auf die Straße bringen könne, sagt Professor Lachenmayr. „Kleine punktförmige Leuchten besitzen eine hohe Leuchtdichte, bei gleichzeitig steigender Blendwirkung“, so Lachenmayr. Anders verhalte es sich bei Halogenscheinwerfern mit Reflektorspiegeln. Deren Lichtaustrittsfläche sei oft viel größer und die potenzielle Blendwirkung geringer.

Ein weiteres Ärgernis: Obwohl man dem Gegenverkehr bereits nahekommt, hat dieser immer noch das Fernlicht eingeschaltet. Häufiger Grund: Die Lichtautomatik des entgegenkommenden Autos hat den eigenen Wagen nicht erkannt. In diesem Fall hilft es, selbst aufzublenden, damit der Fernlichtassistent des anderen Pkw abblendet. 
 

Die größere Lichtaustrittsfläche von Reflektorscheinwerfern, im Bild der Scheinwerfer eines Skoda Yeti mit LED-Umrüstleuchtmitteln, reduziert die Blendwirkung für entgegenkommende Autofahrer. Foto: Wolfgang Sievernich
Die LED-Technik ermöglicht es den Designern, immer kleinere Scheinwerfergrößen mit punktuellen Lichtquellen zu realisieren. Im Bild der Scheinwerfer des Mazda CX-60. Foto: Mazda

Sehstörungen verschärfen Blendung

Nun haben wir viel über unzulängliche Technik gesprochen, dürfen aber in puncto Blendwirkung nicht den Faktor Mensch auslassen, dessen Sinnesorgane wie das Auge mit zunehmendem Alter automatisch schlechter werden. Wer glaubt, dass Sehschwächen nur alte Menschen betreffen, der irrt. Fehlsichtigkeit tritt oft ab einem Alter von 40 Jahren auf. Die natürliche Augenlinse verändert Form und Flexibilität, das Sehen im Nahbereich wird unscharf, eine Lesebrille ist oft die Folge. Da in Deutschland nur Berufskraftfahrer regelmäßig zum medizinischen Test müssen, ist der Gang zum Arzt für Privatpersonen freiwillig. Sie sind lediglich verpflichtet, vor Antritt einer Fahrt selbst festzustellen, ob sie den Anforderungen des Straßenverkehrs gewachsen sind und ein Fahrzeug sicher steuern können.
 

Betroffene sehen bei einer Linsentrübung wie durch eine beschlagene oder sogar befrorene Windschutzscheibe. Ohne Behandlung erblinden sie. Foto: stock.adobe.com/© pilarmartinez

Mit dem Alter steigt aber das Risiko für eine häufig auftretende Augenerkrankung: den Grauen Star. Dabei handelt es sich um eine Eintrübung der Augenlinse, die meist lange unbemerkt bleibt. Menschen mit dieser Erkrankung blicken je nach Zustand wie durch eine verschmutzte oder befrorene Windschutzscheibe. Die Blendempfindlichkeit nimmt zu, Fahrten im Dunkeln werden anstrengender. Professor Lachenmayr empfiehlt Betroffenen den Besuch beim Augenarzt. Unbehandelt kann Grauer Star zur Erblindung führen. Die einzig wirksame Behandlungsmethode ist eine Operation, bei der die trübe Linse entfernt und durch eine künstliche ersetzt wird. Wer nach der OP keine Brille mehr benötigt, muss sich diese aus dem Führerschein wieder austragen lassen, die Mitnahme eines ärztlichen Attests reicht nicht aus.


Überholmanöver auf finsteren Landstraßen sind für Betroffene katastrophal.“

– Professor Dr. Dr. Bernhard Lachenmayr, Facharzt für Augenheilkunde, München


Sorgen, mit dem Besuch beim Augenarzt eventuell den Führerschein zu verlieren, brauchen Patienten in der Regel nicht zu haben. „Die Einschränkung betrifft in erster Linie das Dämmerungs- und Nachtsehen“, sagt Lachenmayr. Nur in Fällen extremer Fehl- und Uneinsichtigkeit müssten Ärzte die zuständigen Fahrerlaubnisbehörden informieren, die nach augenärztlicher Begutachtung ein Nachtfahrverbot im Führerschein eintragen lassen könnten. Im Normalfall reiche ein Gespräch mit dem Arzt aus, um selbst einzusehen, dass man im Alter auf den Straßenverkehr im Dunkeln verzichten könne, erklärt der Mediziner. Wer am Abend doch rausmüsse, sollte seine Fahrt zumindest auf beleuchtete Ortschaften oder die Autobahn begrenzen, von Landstraßen aber Abstand nehmen. „Überholmanöver auf finsteren Landstraßen sind für Betroffene katastrophal“, warnt Lachenmayr. Mit dem Alter nehme das sichere Entfernungsschätzen ab und das Risiko, mit dem zu Überholenden oder dem Gegenverkehr zu verunfallen, sei deutlich höher als bei Jüngeren. Auch auf der Autobahn sei es duster, aber aufgrund der durch Linien getrennten Fahrbahnen in eine Richtung risikoärmer als auf Landstraßen, erklärt der erfahrene Arzt. Keinesfalls sollten Autofahrer zum Schutz vor Blendung im Dunkeln eine Sonnenbrille aufsetzen. „Dann sieht man in der blendlosen Zeit noch viel weniger.“    
 

Hilfsmittel, um Blendung zu verringern

Es mag banal klingen, doch schon einfache Maßnahmen können helfen, Blendung durch Licht im Straßenverkehr zu reduzieren.
 

Foto: ZVA/Skamper

Brille putzen oder Gläser tauschen

Sind Brillengläser verschmiert oder verkratzt, erzeugt das einfallende Licht Streuungen, die die Augen irritieren. Schmutz lässt sich durch Putzen mit einem Mikrofasertuch einfach entfernen. Schlimmer sind Kratzer. Selbst feinste, mit bloßem Auge kaum erkennbare Kratzspuren beeinträchtigen das Sehen. Dann hilft nur der Gang zum Optiker.

 

Foto: stock.adobe.com/© Imaginis

Windschutzscheibe von innen reinigen

Funkeln die Rücklichter vorausfahrender Autos und die Scheinwerfer entgegenkommender Fahrzeuge wie Sterne, ist es an der Zeit, die Innenseite der Windschutzscheibe zu reinigen. Mit der Zeit bildet sich auf dieser ein Schmierfilm, der aus der Atemluft der Passagiere, Schmutz und Staub aus der Belüftung, Nikotin und Fingerabdrücken bestehen kann. Um die Scheibe zu säubern, reichen ein Haushalts-Glasreiniger und ein fusselfreies Mikrofasertuch.

 

Foto: stock.adobe.com/© grinny

Scheinwerfer säubern

Bei widrigen Wetterbedingungen häufiger zu sehen: verschmutzte Frontscheinwerfer. Der Dreck verursacht allerdings Streulicht, das wiederum andere Verkehrsteilnehmer blenden kann. Deshalb sollten Frontscheinwerfer regelmäßig gereinigt werden. Sind die Scheinwerfergläser durch Steinschläge zerkratzt oder mit der Zeit blind geworden, hilft nur noch der Austausch.

Foto: stock.adobe.com/© Torkhov

Zerkratzte Frontscheibe austauschen

Kratzer in der Windschutzscheibe können bei Dunkelheit oder schlechtem Wetter die Sicht beeinträchtigen. Die Blendwirkung entgegenkommender Fahrzeuge kann durch Kratzer zusätzlich verstärkt werden. Je nach Schadensbild muss die Scheibe repariert oder sogar ausgetauscht werden.

Foto: BVA

Regelmäßige Sehtests vornehmen

Der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) empfiehlt, ab dem 50. Lebensjahr eine jährliche Kontrolle zur Vorsorge beim Augenarzt einzuplanen, um Augenerkrankungen rechtzeitig zu erkennen und vorzusorgen.

Titelfoto:  Mercedes-Benz


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