22.06.2021 Christian Enz

Hanse leben, Ostsee erfahren

Wer Hafen hört, denkt unweigerlich an Hamburg. Wenn das Wort Hanse fällt, steigt sofort der Kaffeeduft Bremer Röstereien in die Nase. Doch beides geht auch anders. Ohne den Mief einer Großstadt oder die Hektik des Massentourismus. Denn nirgendwo lässt sich maritimes Flair so ursprünglich erleben wie in der Hansestadt Wismar.


Lange war die Hanse im deutschsprachigen Raum der Inbegriff für Macht und Geld. Kein Wunder, denn der Interessenverband seefahrender Kaufleute mit deren bis tief ins Binnenland verteilten Städten war nichts anderes als ein mittelalterliches Logistik-Netzwerk. Übertragen auf die heutige Zeit ist die Hanse vergleichbar mit Amazon oder Google. Neben der Herrschaft über Transport- und Informationswege gibt es noch weitere Parallelen. So betrieb die Hanse unterhalb der Regenten internationale eigene Politik. Sie unterhielt eigenständig diplomatische Beziehungen zu allen Herrscherhäusern ihrer Zeit – und kann somit als Begründer des Lobbyismus verstanden werden. Gleichzeitig unterhielten die Kaufleute eigenes Militär inklusive Kriegsmarine. Damit wurden bei Bedarf Handelsschiffe am Horn von Afrika gegen Piraten verteidigt oder Steuerprivilegien gegen Nationalstaaten wie Dänemark und Schweden durchgesetzt.

Auch heute, über 300 Jahre nach deren Ende, gilt die Hanse als positive Erscheinung in der deutschen Geschichte. Denn Hanseaten gelten als weltoffen und zuverlässig. Doch ist vielerorts nicht mehr geblieben als das Prädikat. Anders in Wismar. Die kleine, auf halber Strecke zwischen Lübeck und Rostock gelegene ehemalige Hansestadt hat sich mit dem Alten Hafen ihr ursprüngliches Ambiente bewahrt. Dafür wurde sie 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben.

Eines der berühmtesten Gebäude ist das Baumhaus direkt an der Hafeneinfahrt. Zur Hansezeit wurde von hier aus die Einfahrt mit Baumstämmen blockiert. So konnten unerwünschte Schiffe daran gehindert werden, nachts in den Hafen einzulaufen. Heute beherbergt das Baumhaus das Maritime Traditionszentrum am Alten Hafen. Kinder können dort die Handelswege der Hansekaufleute erkunden und auf dem Grund der Ostsee gefundene Wrackteile bestaunen. Erwachsene erfahren die wirtschaftliche Bedeutung von Hafen und Schiffbau für die Region innerhalb der letzten 800 Jahre.

Das von prunkvollen Kaufmannshäusern und historischen Speichern eingefasste Areal ist heute ein beliebtes Ziel für Kreuzfahrt-Touristen sowie Gäste der nahe gelegenen Ostsee-Bäder. Gleichzeitig ist es der Heimathafen der Poeler Kogge Wissemara. Sie ist der Nachbau eines 1999 vor der Insel Poel gefundenen Wracks. Die Meinungen darüber, ob es sich hierbei um eine Hansekogge oder ein moderneres Schiff handelt, gehen auseinander. Fest steht allerdings, dass die dem Schiffsbau des 14. Jahrhunderts nachempfundene Wissemara Geschichte erlebbar macht. Denn der größte Nachbau einer Hansekogge in Europa kann nicht nur besichtigt werden. Regelmäßig bricht die Wissemara zu dreistündigen Törns in die Wismarbucht auf. Wer will, kann mitfahren und sogar selbst mit Hand anlegen. Auch attraktive Sonderfahrten, etwa zur Hanse-Sail nach Rostock und Abendfahrten mit Musik werden angeboten. Ein spannendes Angebot für kleine und große Seefahrer.

Abends, wenn die Sonne langsam in der Ostsee versinkt und die Möwen schlafen gehen, gehört die Hafenanlage den Einheimischen. Dann flanieren frisch Verliebte auf der Mole und Studierende der nahe gelegenen Hochschule Wismar sitzen auf Pollern und Treppen, um an jener Stelle über Gott und die Welt zu philosophieren oder auch nur dem Knarzen der Wissemara zu lauschen und ein wenig zu träumen. Auch unser Vertriebsbeauftragter, früher selbst Student und Mitglied des Stupa Wismar, lässt dort gerne den Tag ausklingen. Manchmal mit Kolleginnen und Kollegen von vor Ort, hin und wieder mit alten Bekannten – aber immer mit einem gut gekühlten Störtebeker. Denn der letzte Poller vor Schweden, das ist sein Lieblingsplatz in Mecklenburg-Vorpommern.

Sie wollen mit der Wissemara in See stechen? Den Fahrplan und Tickets gibt es online unter: www.poeler-kogge.de

Titelfoto: Förderverein Poeler Kogge e.V. Wismar


Kategorien