06.03.2020 Wolfgang Sievernich

Warnen statt erschrecken

Die deutschen Autoversicherer haben 2018 rund 268.000 Wild­unfälle registriert. Während man bislang versuchte, Rehe, Wildschweine oder Rotwild mit Reflektoren, Duftsprays oder akustischen Warnern vom Überqueren der Fahrbahn abzuhalten, will ein neues Projekt mit aufwendiger Technik beim Autofahrer ansetzen. Dabei scannt ein Sensorsystem an Leitpfosten die Umgebung und warnt Autofahrer mit Licht­signalen vor herannahendem Wild.


Gerade nächtens sollten Autofahrer die Geschwindigkeit in Wald und Flur anpassen, um bei auftretendem Wildwechsel bremsbereit sein zu können. Foto: stock.adobe.com/© Fotoschlick

Alle zwei Minuten kollidiert in Deutschland rechnerisch ein kaskoversicherter Pkw mit einem Wildtier. 90 Prozent der Unfälle geschehen dabei auf Außerortsstraßen. Nach Daten des Statistischen Bundesamts wurden 2018 ganze 2401 Wildunfälle mit Personenschaden polizeilich erfasst. Dabei wurden 15 Personen getötet sowie 537 schwer und 2187 leicht verletzt. Verglichen mit dem Gesamtunfallgeschehen in 2018 (3275 Getötete) stellen Wildunfälle nur ein relativ geringes Risiko für Verkehrsteilnehmer dar, sind für die Versicherer allerdings ein teures Ärgernis. So zahlten diese 2018 für jeden Wildunfall mit einem Pkw im Schnitt mehr als 2800 Euro, insgesamt betrug der wirtschaftliche Schaden 757 Millionen Euro. Viel Geld, das über die Versicherungsbeiträge auf die Autofahrer umgelegt wird.

Verschiedene Studien der Unfallforschung der Versicherer (UDV), der Technischen Universität Dresden und der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg kommen zu dem Schluss, dass Gegenmaßnahmen in Form von Wildzäunen und Wildbrücken kostenintensiv sind. Vernichtend gar das Urteil über farbige Reflektoren an Leitpfosten: Das abgestrahlte Licht der Fahrzeugscheinwerfer hält Wild nur in den wenigsten Fällen davon ab, die Straße zu betreten.

Autofahrer warnen

Statt zu versuchen, Wild vom Überqueren der Fahrbahn abzuhalten, könnte es erfolgversprechend sein, Autofahrer vor der drohenden Gefahr am Straßenrand zu warnen. Umgesetzt wurde eine derartige Lösung von der österreichischen Firma Animot mit einem gleichnamigen Infrarot-Wildwarnsystem. Energieautark, mit Solarfeld, Akkus, Sensorik und LED-Beleuchtung versehen wird es an Leitpfosten montiert und erfasst in einem Winkel von 130 bis 160 Grad in bis zu 28 Metern Entfernung rund um die Uhr Tiere und Menschen abseits der Straße. Erkennt das System eine Wärmequelle ab der Größe eines Feldhasen, werden Autofahrer mittels einer gelb blinkenden LED-Leuchte alarmiert und indirekt aufgefordert, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Bewegt sich die Wärmequelle entlang der Straße, wird ein Signal per Funk an die benachbarten Leitpfosten weitergesendet, um Autofahrer auch dort zu warnen.
Zusammen mit den bayerischen Ministerien für Verkehr und des Inneren testet Animot das System seit dem vergangenen Jahr in einer dreijährigen Pilotphase an vier Teststrecken in Landshut, Erding, Schweinfurt und Wunsiedel.

Daten übertragen

Aktuell müssen die Daten erfasster Wärmequellen noch von Hand ausgelesen werden, in Zukunft könnten diese per Datenübertragung direkt in die Navigationssysteme vernetzter Fahrzeuge in der Umgebung gesendet werden. Mit diesen Informationen wäre es möglich, Autofahrer frühzeitig auf Wild hinzuweisen, ohne dass sich diese in Sichtweite der betreffenden Leitpfosten befinden müssten.

Doch egal wie gut die Technik auch sei, läge es am Ende an der Akzeptanz der Autofahrer, den Fuß tatsächlich vom Gas zu nehmen, sagt Sabine Dahl, Geschäftsführerin von Animot. Sanken die Zahlen an der B 15 auf drei Kilometern im Raum Erding 2019 von 30 auf vier Fälle, so konnte Animot an der B 303, einem Autobahnzubringer zur A 70, Unfälle kaum reduzieren. 80 Prozent des getöteten Wildes stammen aus Kollisionen mit Lkw. „Das beste System hilft nicht, wenn Lkw-Fahrer nicht bremsen“, kritisiert Sabine Dahl.

Dennoch lasse sich ein Trend zu sinkenden Unfallzahlen erkennen. Um das Warnsystem flächendeckend an Unfallschwerpunkten zu platzieren, wäre es ihrer Meinung nach an der Versicherungswirtschaft dafür auch die Kosten zu übernehmen. In anderen Ländern sei es normal, dass ein Verband der Versicherer Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit übernähme, bekräftigt Dahl abschließend.


Funktionsweise des Animot-Systems in der Dämmerung


Funktionsweise des Animot-Systems in der Nacht


Foto: stock.adobe.com/Sebastian Kaulitzki

Verhaltenstipps nach einem Wildunfall

  1. Unfallstelle sichern: Warnblinklicht einschalten, Warnweste anlegen, Warn­dreieck aufstellen.
  2. Polizei und ggf. Rettungsdienst benachrichtigen.  
  3. Verletzte oder getötete Tiere nicht anfassen. Das Bergen ist Aufgabe des Försters oder Jagdpächters.
  4. Fotos von Unfallort, Tier und Fahrzeug machen.
  5. Eine Wildunfallbescheinigung von Polizei, Förster oder Jagdpächter ausstellen lassen.
  6. Den Versicherer anrufen, bevor die Wildspuren beseitigt sind oder das Fahrzeug repariert, verschrottet oder verkauft wird.

Tipp: Der ARCD gibt Zuschüsse für reparierte Tierschäden im Rahmen der Clubhilfe.

Titelfoto: stock.adobe.com/©VRD

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