22.03.2022 Wolfgang Sievernich

Steinschlag: Kleine Ursache – große Wirkung

Schon eine kleine Beschädigung der Windschutzscheibe durch Steinschlag kann für Autofahrer Sicherheitsrisiken bergen. Neben einer möglichen Sichtbehinderung besteht die Gefahr, dass die Scheibe reißt und dadurch die Stabilität des Fahrzeugs beeinträchtigt.


Grafik: ARCD

Kennen Sie Kuhauge und Bienenflügel? Wer jetzt an Sinnesorgane von Milchvieh oder Körperteile von Insekten denkt, liegt leider daneben. Die Rede ist von Einschlagmustern auf Windschutzscheiben infolge Steinschlags. Dazu gibt es noch Varianten wie Halbmond, Kleeblatt, Kombibruch und Sternbruch. Alle Muster haben etwas gemein: Sie sorgen beim Autofahrer für Ärger, Aufwand und eventuell sogar Kosten.

Dabei kann eine Windschutzscheibe im Alltag eigentlich kaum etwas erschüttern. Sie hält Fahrtwind, Steinchen und Mücken ab, stabilisiert die Fahrgastzelle und darf bei einem Aufprall nicht zerbrechen. Um Letzteres zu gewährleisten, bestehen Windschutzscheiben aus Verbundglas. Anders als herkömmliches Glas ist Verbundglas ein Sicherheitsglas, das aus zwei Glasscheiben und einer dazwischenliegenden Kunststofffolie besteht, die im Autoklaven durch Hitze miteinander verbunden werden. Bei einem Unfall mit Gewalteinwirkung kann das Glas zwar zerspringen oder reißen, die Scheibe bleibt dank der Folie aber formstabil und in einem Stück erhalten.

Gründe für Steinschlag gibt es viele: So kann etwa Rollsplitt auf der Straße durch Reifen vorausfahrender Autos aufgewirbelt und auf die Scheibe nachfolgender Pkw geschleudert werden. Auch Hagelkörner oder herunterfallende Eisstücke von Lkw sind oftmals hart genug, um Windschutzscheiben zu beschädigen. Nicht zuletzt sorgt verlorene Ladung von Lkw und Anhängern immer wieder für gefährliche Situationen, wenn diese auf Karosserie und Scheiben des nachfolgenden Verkehrs auftrifft. Neben dem Schrecken, den so ein unvermittelt lauter Aufschlag bei den Insassen verursacht, besteht zudem das Risiko, dass Autofahrer das Steuer verreißen und sich und andere damit gefährden.    

Beim Überfahren von Schlaglöchern reichen die Erschütterungen aus, um aus einer kleinen Beschädigung der Scheibe einen irreparablen Riss entstehen zu lassen. Foto: stock.adobe.com/© Peter Atkins

Loch überkleben

Die Einschläge der Objekte hinterlassen in der Regel in der obersten Schicht des Verbundglases kleine Löcher mit einem mehr oder weniger breiten und tiefen Krater. Autofahrer sollten deshalb bei nächster Gelegenheit anhalten und den Glasschaden genauer unter die Lupe nehmen.  Die betroffene Stelle sollte schnellstmöglich mit einem speziellen Scheibenpflaster oder transparentem Klebestreifen verschlossen werden, um das Eindringen von Feuchtigkeit und Schmutz zu verhindern. Das gilt für alle Scheiben – auch für die wesentlich seltener getroffenen Seiten- und Heckscheiben aus Einscheiben-Sicherheitsglas.

Da die Erste Hilfe aber keine Dauerlösung ist, sollten Autofahrer bei nächstmöglicher Gelegenheit eine Werkstatt ansteuern und den Schaden von einem Fachmann untersuchen lassen. Denn kleinste Erschütterungen durch Schlaglöcher oder Querfugen reichen bereits, um aus dem Loch einen irreparablen Riss entstehen zu lassen. Beschädigungen der Windschutzscheibe schwächen aber nicht nur die Stabilität der Karosserie, sondern irritieren Autofahrer bei Dunkelheit auch oft durch störende Lichtreflexionen. Nicht umsonst fallen Autos bei der Hauptuntersuchung bei Steinschlag mit Rissbildung oder Sichtbeeinträchtigung durch.

Eine Steinschlagreparatur ist dabei in den meisten Werkstätten innerhalb kurzer Zeit möglich. Einige Anbieter stellen sogar einen mobilen Service bereit, mit dem das Fahrzeug bequem am Arbeitsplatz oder zu Hause repariert werden kann. Die Reparatur funktioniert so: Nachdem Techniker Glassplitter entfernt und die Schadstelle gereinigt haben, fließt flüssiges Harzgemisch unter einer Reparaturglocke mittels Unterdruck in die Risse ein. Unter UV-Strahlung härtet dieses vollständig aus. Harzreste entfernen, Reparaturstelle reinigen – fertig. Die Schadstelle ist nach erfolgter Reparatur oft kaum noch zu erkennen.

Befindet sich eine Kamera hinter der Windschutzscheibe, muss sie nach dem Scheibentausch kalibriert werden. Foto: Carglass

Viele Einschränkungen

Doch noch lange nicht jeder Schaden ist reparabel. Grundsätzlich darf sich dieser nur auf der Außenscheibe befinden;  Innenscheibe und Kunststofffolie müssen intakt bleiben. Bei Fahrzeugen mit Frontscheibenheizung befinden sich auch Heizdrähte in dieser Folie. Beschädigt Steinschlag sowohl die oberste Glasschicht als auch die Folie, kann diese durch Sauerstoffkontakt milchig und optisch beeinträchtigt werden, was eine Reparatur unmöglich macht. Feuchte oder verunreinigte Schadstellen sind genauso ein Ausschlussgrund wie Krater, deren Einschlag einen Durchmesser von fünf Millimetern überschreiten. Befindet sich der Steinschlag im Fahrerfernsichtbereich (siehe Grafik oben), ist die Reparatur laut Straßenverkehrsordnung verboten. Der Schaden könnte beim Fahren  ablenken, was das Unfallrisiko erhöht. Ist der Einschlag größer als eine Zwei-Euro-Münze oder im schwarzen Rand der Windschutzscheibe, winken Reparaturbetriebe ab. In diesen Fällen muss die Scheibe ausgetauscht werden.

Doch damit ist es nicht getan, wenn Pkw über Fahrerassistenzsysteme verfügen, die eine Kamera hinter der Windschutzscheibe notwendig machen, um etwa Verkehrsschilder oder das korrekte Spurverhalten zu erfassen. Nach dem Scheibentausch muss die Kamera nach Herstellervorgabe entweder mit einem laserbasierten Vermessungssystem stationär oder einer Kalibrierfahrt auf der Straße eingestellt werden.

Und die Kosten? Bei einer Reparatur des Schadens springt in der Regel die Kaskoversicherung ein und begleicht die Kosten vollständig. Bis auf eine mögliche Selbstbeteiligung des Autofahrers gilt das auch für Scheibentausch und Zusatzaufwendungen wie die Kalibrierung. Der Schadenfreiheitsrabatt bleibt von Reparatur und Austausch unberührt. Vorteil für ARCD-Mitglieder: Der Clubhilfe-Zuschuss unterstützt im Schadensfall. Beim ARCD-Versicherungspartner SIGNAL IDUNA erfolgt das sogar automatisch nach der Schadensmeldung.

Vorsicht ist innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Scheibentausch geboten. Autofahrer sollten Bordsteine oder den Besuch einer Waschanlage meiden, da sich in diesen Fällen Spannungen in der Karosserie auf die Windschutzscheibe übertragen könnten und diese möglicherweise beschädigen.

Titelfoto: TÜV Süd


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