04.07.2022 Bettina Glaser

Hintergründe zur Ladeinfrastruktur entlang der deutschen Autobahnen

So viele Urlaubshungrige mit Elektroautos wie noch nie werden sich in diesem Sommer auf die Reise begeben. Auto&Reise hat sich umgehört, ob sie sich auf lange Schlangen an den Ladesäulen entlang der deutschen Autobahnen einstellen müssen, warum die Nutzerfreundlichkeit beim Laden vielerorts zu wünschen übrig lässt und wie sich Bund und ­Betreiber für den Ansturm in Zukunft wappnen wollen.


Anfang Juni 2022. Ferienbeginn in Bayern und Baden-Württemberg, langes Pfingstwochenende in ganz Deutschland. Dementsprechend voll ist die Autobahn A 9 gen Süden an diesem Tag, die Radiosender melden erste Staus. An der Rastanlage Fürholzen-West bei München sind alle Ladesäulen verfügbar. Anders sah es ein paar Tage vorher an den Rastanlagen Brohltal-Ost und Peppenhoven-Ost an der A 61 im Großraum Bonn aus, wo die Ladesäulen gut belegt waren.

Flächendeckendes Netz

Alles Momentaufnahmen. Dennoch: Wer längere Strecken in Deutschland mit einem E-Auto zurücklegen möchte, braucht sich mittlerweile kaum Ladeinfrastruktur-Sorgen mehr zu machen. „An der Autobahn gibt es eine – von wenigen Ausnahmen abgesehene – relativ gute Flächenabdeckung“, sagt eine Sprecherin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Mehr als 1500 Ladepunkte an knapp 370 Standorten betreiben alleine die Partner der Autobahn-Tank-und-Rast-Gruppe. Damit gibt es ungefähr alle 60 Kilometer eine Lademöglichkeit an der Autobahn. Insgesamt zählt das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) rund 6000 öffentlich zugängliche Ladepunkte entlang der Autobahnen. Zu den Raststätten kommen Autohöfe und weitere Schnellladestationen und -parks in unmittelbarer Autobahnnähe. Die genaue Planung der Auslastung ist schwierig. Immer wieder befürchten Urlauber, dass es zu Wartezeiten an den Ladesäulen während der Hauptreisezeit – also beispielsweise während der Sommerferien – kommen könnte. Damit rechnet auch Markus Emmert, Vorstandsmitglied beim Bundesverband eMobilität (BEM). Er entgegnet jedoch: „Der Vorteil ist aber, dass ich mit Apps schauen kann, wie der Belegungsstatus von den Ladepunkten ist.“ Zur Not müsse man sich dann eben einen anderen Ladepunkt suchen.

Ladeerlebnis im Fokus

Beim Ladekomfort, da sind sich die Experten einig, ist noch viel Luft nach oben. Immerhin wurde mit der jüngsten Novelle der Ladesäulenverordnung ein einheitliches Bezahlsystem für öffentlich zugängliche Ladesäulen eingeführt: Ab 1. Juli 2023 muss an neuen Säulen mindestens das kontaktlose Bezahlen mit einer gängigen, physischen Kredit-  oder Debitkarte ermöglicht werden.
Überdachung und Beleuchtung wie bei einer Tankstelle sind jedoch längst nicht an allen Ladeplätzen Standard. Auch mangelt es an Durchfahrladestationen, wo E-Autos mit Wohnanhänger ihre Akkus füllen können, ohne abzukoppeln (siehe Auto&Reise 5/22). Den häufig fehlenden Komfort begründet Dietmar Thomas, Sprecher der Autobahn-Tank-und-Rast-Gruppe, historisch. „Die Ladesäulen sind entstanden, als fast noch kein Elektroauto herumfuhr. Daher wurden sie oft dort installiert, wo noch Platz war, also bei den Parkplätzen abseits der Raststätte“, erklärt er. Gerade zur Anfangszeit sei es auch darum gegangen, Kosten möglichst gering zu halten, erzählt BEM-Vorstandsmitglied Emmert.
Das Thema Ladekomfort stehe nun, so Thomas, mit den steigenden E-Auto-Zulassungszahlen und Ladevorgängen viel stärker im Fokus. Dennoch stoße man immer wieder an Grenzen: Gutachten müssten gemacht werden, um Ladesäulen unter ein Tankstellendach zu bauen. Wie erst jüngst am neuen Standort Lindholz an der Ostseeautobahn A 20 bei Rostock. Wo Ladesäulen nicht unters Tankstellendach gesetzt werden können, würden nun auch Durchfahrladestationen unweit der Tankstellen gebaut. 

 

Nicht immer ist das Laden eines E-Autos an der Autobahn komfortabel. An der Rastanlage Peppenhoven-Ost an der A 61 steht der Fahrer bei schlechtem Wetter im Regen, bei Nacht im Dunkeln. Foto: Manfred Muhr
Immer mehr Schnellladestationen entstehen in Autobahnnähe, wie hier die überdachte Durchfahrladestation vom niederländischen Betreiber Fastned an der Ausfahrt der A 7 Uffenheim-Langensteinach. Foto: Wolfgang Sievernich

Insgesamt betrachtet nehmen Lademöglichkeiten und -komfort zu: An immer mehr Autohöfen sind Ladesäulen zu finden. Mineralölkonzerne beginnen, Ladesäulen unterm Tankstellendach zu installieren, wie Ende April von Aral auf den Autobahnraststätten Berstetal und Rüblingsheide an der A 13. Und Betreiber wie Fastned eröffnen ständig neue überdachte Durchfahr-Schnellladestationen in Abfahrtsnähe der Autobahnen. Linda Boll, Sprecherin von Fastned Deutschland, beobachtet: „Die Frequentierung ist hoch. Die E-Auto-Fahrenden nehmen gerne einen kleinen Umweg in Kauf.“

Weiterer Ausbau

Um der Zunahme an E-Autos gerecht zu werden, wird zudem ständig erweitert. „Alle unsere Standorte sind so angelegt, dass sie skalierbar sind und mit dem Erfolg der Elektromobilität ohne großen Aufwand vergrößert werden können“, sagt Thomas über die Tank-und-Rast-Anlagen. Auch 200 unbewirtschaftete Rast­anlagen entlang der Bundes­autobahnen sollen im Rahmen des Deutschlandnetzes, das die Autobahn GmbH ausgeschrieben hat, künftig mit Schnellladeinfrastruktur ausgestattet werden. „Zusammen mit der Bestandsinfrastruktur wird so entlang der Autobahn alle 15 bis 30 Kilometer eine Schnelllademöglichkeit existieren“, teilt das BMDV mit. Die ersten Standorte sollen 2023 entstehen. Einen Haken gibt es aber: Es fehlen dafür laut Emmert vom BEM nicht nur Bauteile und Trafostationen, sondern auch Fachkräfte, die alles in kürzester Zeit installieren sollen.

Titelfoto: Manfred Muhr


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