02.05.2023 Stefan Gruber

Beim Bergwandern ist gute Vorbereitung das A und O


Erschreckende Meldungen von Unfällen bei Bergtouren zeigen es immer wieder: Auch das vermeintlich harmlose Wandern birgt Risiken. Deshalb sollte jeder Ausflug in die alpine Natur sorgfältig geplant sein. Zwei Experten geben wertvolle Tipps.

Seine spektakulären Drifts sind Legende. Ob durch die engen Straßen von Monte Carlo oder über die staubigen Schotterpisten am Pikes Peak in Colorado – der zweifache Rallye-Weltmeister Walter Röhrl fuhr immer am Limit. Dennoch war der „Ritt im Grenzbereich“, von dem der heute 76-Jährige gern erzählt, nie geprägt von unkalkulierbarem Risiko. Geradezu pedantisch hat sich Röhrl auf jedes Rennen vorbereitet – und genauso verfährt der begeisterte Bergsportler heute vor Touren in die Natur.
 

Links: Festes Schuhwerk mit gutem Profil sollte zur Standardausrüstung bei einer Bergwanderung zählen. Foto: Alpenverein Rechts: Rallye-Weltmeister Walter Röhrl ist gern in den Bergen unterwegs – und dabei stets gut vorbereitet. Foto: Röhrl

„Die Gefahren in der alpinen Natur darf man nicht unterschätzen“, sagt Röhrl. Am Anfang stehe immer die präzise Information: Wettervorhersage, Auskünfte der Einheimischen zum Zustand der Wege, realistische Zeitplanung. „Ein Wettersturz in den Bergen kann ruckzuck kommen“, weiß der ausgebildete Skilehrer, der im Winter gern auf Skitour unterwegs ist, im Sommer die Gipfel wandernd oder mit dem Mountainbike erobert. Ein Grundsatz steht für Röhrl dabei ganz oben: „Die Rücksicht auf die Natur, aber auch anderen gegenüber sollte selbstverständlich sein.“ Den nicht selten berichteten Konflikt zwischen Radfahrern und Wanderern hat Röhrl bislang nicht erlebt. „Da hat es noch nie ein böses Wort gegeben“, erzählt der gebürtige Regensburger. „Ich rase aber auch nicht ungebremst auf Wanderer zu.“

Hohe Unfallzahlen bei Wanderern

Ein Blick in die alpine Unfallstatistik unterstreicht Röhrls Einschätzung. Nicht vermeintlich riskante Sportarten wie Klettern, Downhill-Biken oder Gleitschirmfliegen fordern die Rettungskräfte am intensivsten, sondern das „harmlose“ Wandern. Von 3.058 Unfällen, die das Österreichische Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS) im Sommer 2022 registriert hat, entfiel die mit Abstand größte Zahl auf Wanderer. 1.976 verunglückten, 68 von ihnen tödlich. Kaum anders sieht die Bilanz der Bergwacht Bayern aus. Von 3.004 Einsätzen galten 68 Prozent Wanderern. In 85 Fällen kam hier jede Hilfe zu spät.

Die große Beliebtheit des Wanderns – auch in alpiner Umgebung – ist für Bergwacht-Sprecher Roland Ampenberger ein wesentlicher Grund für die hohen Zahlen. „Das machen einfach die meisten Menschen“, sagt er. Die Statistik bringt zudem ans Licht: „Etwa die Hälfte aller tödlichen Unfälle hat internistische Ursachen, zum Beispiel einen Herzinfarkt“, berichtet Ampenberger. Oft seien die Helfer dann einfach zu spät vor Ort.

Tipps für Planung und Ausrüstung

Für den erholsamen und gefahrlosen Ausflug in die Natur hat Dörte Pietron wertvolle Tipps parat: „Jede Tour sollte der persönlichen Leistungsfähigkeit entsprechen, niemand sollte sich überschätzen“, rät die Extrembergsteigerin aus dem Allgäu, die den Frauen-Expeditionskader des Deutschen Alpenvereins (DAV) leitet und als Bergführerin arbeitet. Zur Vorbereitung gehören für sie zunächst detaillierte Informationen aus Karten, Wanderführerliteratur und Online-Portalen. Die Jedermann-Tipps in den sozialen Medien sieht Pietron eher kritisch. Objektivere Hinweise böten da schon Einträge von verifizierten Alpenvereinsautoren auf www.outdooractive.com. Ein zusätzlicher Anruf etwa beim Hüttenwirt könne helfen, die aktuelle Situation korrekt einzuschätzen.

Für die Wetterprognose greift Pietron auf diverse Quellen zurück. Neben dem Bergwetter des DAV (www.alpenverein.de, auch für die Mittelgebirge) nutzt sie Apps wie meteoblue (www.meteoblue.com, mit präzisen regionalen Angaben) oder den norwegischen Dienst YR (www.yr.no). Um im Notfall schnell Hilfe holen zu können, speichert sie sich die Nummer der lokalen Bergrettung vor jedem Tourstart in ihr Handy.
 

Ob per Karte, App oder Online-Portal: Über die Anforderungen ihrer Tour sollten sich Wanderer vorab informieren. Foto: Alpenverein

Zur Vorbereitung gehört für die Bergführerin auch die Wahl der richtigen Ausrüstung. „Schuhe mit einem guten Profil sind ganz wichtig“, sagt sie. Auch Trekkingstöcke seien wertvoll. „Sie helfen, das Gleichgewicht zu halten und schonen vor allem bergab die Gelenke.“ Das Senioren-Image sei schlicht Quatsch: „Auch ich nutze Stöcke, sie machen einfach Sinn“, sagt die 43-jährige Alpinistin.
 

Auch ins Mittelgebirge wie hier an den Großen Arber sollte man nicht ohne Wanderausrüstung aufbrechen. Foto: Stefan Gruber

Und was gehört nun in den Rucksack? Der sollte vor allem nicht zu groß und zu schwer sein, rät die Expertin. Wechselkleidung (leicht, bei Bedarf warm und wetterfest), ein paar Energieriegel oder eine kleine Brotzeit, ein Erste-Hilfe-Set mit Biwaksack und Rettungsdecke und eine Trinkflasche – das sollte reichen. „Selbst mit Kletterausrüstung komme ich so nie über zehn Kilo“, sagt Dörte Pietron. Sind Route, Zeit und Ausrüstung optimal vorbereitet, steht dem Genuss der Natur nichts mehr im Weg.


Foto: Sarah Hart

Zur Person: Dörte Pietron

Die gebürtige Heidelbergerin hat als Extrembergsteigerin schon früh für Aufsehen gesorgt.
2008 durchstieg sie als erste Frau die Westwand des Cerro Torre in Patagonien. Sie kletterte am El Capitan, The Nose und Half Dome im Yosemite-Nationalpark in den USA und war die erste Frau im Expeditionskader das Deutschen Alpenvereins.

Seit 2011 leitet sie den Frauenkader.

Die Diplomphysikerin schaffte als erst sechste Frau in Deutschland die Bergführerausbildung.
In etlichen Bergfilmen hat sie als Double für Schauspielerinnen mitgewirkt. Seit mittlerweile fünf Jahren lebt Dörte Pietron im Allgäu.

Titelfoto: Alpenverein/Wolfgang Ehn


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