Autokauf: Augen auf beim Gebrauchtwagenkauf
Der Gebrauchtwagenmarkt brummt. Sieben Millionen Fahrzeuge wechselten laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) im vergangenen Jahr den Besitzer. Gebrauchte sind begehrt, nicht zuletzt, weil die Halbleiterkrise die Auslieferung von Neuwagen um Monate verzögert. Autoscout24 berichtet, dass die Preise für Gebrauchte 2021 deutlich gestiegen sind. Besonders betroffen sind Kompakte und fünf bis zehn Jahre alte Autos. Im Schnitt zahlten Käufer im September 2021 für einen gebrauchten Pkw 23.728 Euro – und damit rund 3500 Euro mehr als ein Jahr zuvor.
Umso wichtiger ist es daher, sich beim Autokauf nicht von Emotionen leiten zu lassen und hierdurch kostspielige Mängel zu übersehen oder Kleingedrucktes zu überlesen. Schon der Besichtigungstermin kann Auswirkungen haben, da bei Dunkelheit oder regnerischem Wetter Lack- oder Unfallschäden an der Karosserie schwerer erkennbar sind. Die Probefahrt sollte also bei Tageslicht, wenn möglich trockenen Wetterbedingungen und außerhalb der Hauptverkehrszeit stattfinden, um nicht im Stau festzuhängen.
Privaten Verkäufern sei geraten, Kaufinteressenten auf der Probefahrt unbedingt zu begleiten. Wie der Bundesgerichtshof im September 2020 urteilte, gilt ein entwendetes Fahrzeug auf einer unbegleiteten Probefahrt nicht als gestohlen, sondern nur als unterschlagen, da die Besitzübertragung zum Zwecke der Probefahrt freiwillig erfolgte. Daran ändert auch nichts, dass der Wagen nicht zurückgegeben wird. Bei Unterschlagung zahlt die Teilkasko in der Regel nicht, bei Diebstahl schon.
Probefahrt versichern
Für den Fall, dass es auf der Probefahrt kracht, sollten die finanziellen Folgen geklärt sein, bevor der Kaufinteressent auf dem Fahrersitz Platz nimmt. Autohäuser haben für solche Fälle oft eine Kfz-Haftpflichtversicherung. Kaufinteressenten sollten sich aber vor der Probefahrt nach der maximalen Schadenshöhe und der Selbstbeteiligung erkundigen. Ohne oder bei reduziertem Versicherungsschutz müssen Händler den Kaufinteressenten vor der Probefahrt darüber in Kenntnis setzen. Kommt es bei einem privaten und zugelassenen Pkw während der Probefahrt zu einem Unfall, deckt die Kfz-Haftpflichtversicherung des Halters zwar Schäden an Dritten ab, übernimmt aber keine Schäden am Fahrzeug. Dafür ist nur die Vollkaskoversicherung des Halters zuständig. Achtung: Selbstbeteiligung und Verlust des Schadenfreiheitsrabattes gehen zulasten des Halters. Vor einem finanziellen Nachteil kann sich dieser durch Abschluss einer Haftungsvereinbarung mit dem Probefahrer schützen, in der die Höhe der Selbstbeteiligung festgehalten wird. Dennoch ist Vorsicht angebracht, wenn der Kaufinteressent durch sein Auftreten daran zweifeln lässt, dass er im Schadensfall tatsächlich in der Lage wäre, für die wirtschaftlichen Folgen aufzukommen. Dann sollte der Verkäufer von einer Probefahrt absehen.
Macht das Auto einen guten Eindruck (siehe Checkliste Kasten unten), geht es in die Verhandlung. In die sollten Käufer im Voraus recherchierte Mängel des Modells und auf der Probefahrt erkannte Defekte miteinbringen. Steht das Fahrzeug schon länger, handelt es sich um ein unbeliebtes Modell oder eine ungewöhnliche Farbe, lässt sich der Verkaufspreis eher drücken als bei einem begehrten Dauerbrenner. Statt Rabatten lassen sich alternativ beim Händler auch Leistungen wie Inspektionsgutscheine oder Zubehör wie ein Satz Reifen heraushandeln.
Muster-Vertrag nutzen
Wenn Käufer auf Nummer sicher gehen wollen, sollten sie einen schriftlichen Kaufvertrag abschließen, da mündliche Absprachen angefochten werden können. Der ARCD bietet dafür entsprechende Muster-Formulare an. Neben Adressdaten und Kopien oder Fotos von Personalausweisen gehören unter anderem Fahrzeugdaten, Mängel, Unfallschäden, Kaufpreis und sofern das Fahrzeug angemeldet ist, auch Angaben zur Ummeldepflicht zum Vertrag. Die Kfz-Versicherung geht in dem Fall auf den Käufer über. Um das Fahrzeug zu überführen, kann dieser es entweder selbst nach Hause fahren und innerhalb einer Woche ummelden oder Kurzzeitkennzeichen verwenden respektive einen Anhänger für den Transport nutzen. Um Missbrauch mit noch angemeldeten Autos zu vermeiden, empfiehlt der ARCD privaten Verkäufern, den Pkw vor Übergabe selbst abzumelden.
Wer seinen Gebrauchten vom Händler kauft, hat gesetzlichen Anspruch auf zwei Jahre Gewährleistung, die vertraglich auf ein Jahr begrenzt werden kann. Diese sichert Sachmängel ab, die beim Kauf bereits bestanden, aber möglicherweise unentdeckt blieben. Die Beweislast liegt ab 1. Januar 2022 in den ersten zwölf Monaten beim Verkäufer, danach beim Käufer! Verschleiß gehört nicht dazu. Für private Verkäufer gilt keine Gewährleistungspflicht, sie lässt sich im Vertrag komplett ausschließen. Wer auf diese Klausel dennoch verzichtet, haftet auch als privater Verkäufer zwei Jahre lang für Mängel.
Eine Gebrauchtwagengarantie vergibt ein Händler indes freiwillig und wird oft gegen Aufpreis angeboten. Diese deckt aber meist nur bestimmte Reparaturkosten ab.
Checkliste für den Gebrauchtwagenkauf
1. Zeit nehmen
Bei der Fahrzeugbesichtigung nicht drängen lassen – eine sorgfältige Begutachtung erspart eventuell teure Folgekosten. Regentage zur Besichtigung meiden, sofern der Wagen nicht auf einem überdachten Platz steht. Auf nassem Blech sind Lackschäden kaum erkennbar.
2. Karosserie und Lackierung okay?
Dellen, Schrammen oder Steinschläge mindern den Kaufpreis. Farbunterschiede oder uneinheitliche Spaltmaße weisen auf reparierte Unfallschäden hin. Sind die Bremsscheiben verrostet, steht das Fahrzeug eventuell schon länger. Bei Rost an der Karosserie: Fachmann fragen!
3. Scheinwerfer blind oder beschädigt?
Matte Scheinwerferstreuscheiben aus Kunststoff deuten auf Laternenparker oder häufigen Langstreckenverkehr hin. Bei Steinschlägen, Rissen oder Feuchtigkeitseinbruch muss die Beleuchtung meist ausgetauscht werden. Achtung: In allen Fällen ein Mangel bei der Hauptuntersuchung!
4. Motorraum zu sauber?
Strahlt der Motorraum beim Gebrauchten wie neu, kann eine Motorwäsche ein Indiz für Undichtigkeiten sein. Diesen nach der Probefahrt nochmals auf verölte Stellen inspizieren.
5. Flüssigkeitsstände, Schläuche und Zahnriemen okay?
Alle Flüssigkeiten sollten aufgefüllt und Schläuche sowie Leitungen intakt sein. Vorsicht beim Zahnriemen: Ist der Wechsel fällig, wird es schnell teuer.
6. Passt der Zustand des Innenraums zum Kilometerstand?
Verschlissene Polster oder abgegriffene Schaltknäufe und Lenkräder weisen auf mangelnde Pflege durch den Vorbesitzer oder einen hohen Kilometerstand hin. Riecht es muffig, kann Feuchtigkeit eingedrungen sein. Stinkt die Klimaanlage oder gibt sie nur ein laues Lüftchen ab, muss mindestens das Kältemittel getauscht werden, eventuell ist auch der Klimakompressor defekt.
7. Während der Probefahrt: Sinne einschalten!
Radio ausschalten. Auf ungewöhnliche Geräusche achten. Ein lauter Auspuff spricht für undichte Stellen, ein neuer Schalldämpfer kostet schnell mehrere Hundert Euro. Zieht das Auto aus der Spur, kann die Lenkung verstellt sein. Geschieht das beim Bremsen, ist zudem ein Defekt an der Bremsanlage möglich.
8. Nach der Probefahrt: Augen auf!
Tropfendes Öl im Motorraum weist auf Undichtigkeiten hin. Eingelaufene Bremsscheiben sind auszutauschen. Ungleichmäßig abgefahrene Reifen sind ein Indiz für falsche Spur- und Sturzeinstellungen. Beschädigte Felgenränder und Reifenflanken lassen auf den Kontakt mit Bordsteinen schließen. Überalterte Reifen (DOT-Nummer auf der Reifenflanke beachten) sind zwar zulässig, aber verkehrstechnisch unsicher. Der ARCD empfiehlt, Reifen spätestens nach zehn Jahren auszutauschen. Obwohl die vorgeschriebene Reifenprofiltiefe 1,6 Millimeter betragen darf, sollte sie bei Sommerreifen drei und bei Winterreifen vier Millimeter nicht unterschreiten.
9. Fahrzeugpapiere, Schlüssel und Scheckheft vollständig?
Sind die Zulassungsbescheinigungen Teil I (Fahrzeugschein) und Teil II (Fahrzeugbrief) vorhanden und sind Besitzer und Verkäufer identisch? Beim Privatverkauf muss der Verkäufer sonst über eine schriftliche Vollmacht verfügen. Scheckheft: Sind die Einträge stimmig und lassen sie sich mit Rechnungen abgleichen? Im Zweifelsfall die auf dem Stempel ersichtliche Werkstatt anrufen und Einträge sowie Kilometerstände abfragen. Für Zubehör und Anbauteile benötigt man Bauartgenehmigungen und Teilegutachten. Schlüssel und Ersatzschlüssel sowie Codekarten für Wegfahrsperre oder Radio müssen bei der Fahrzeugübergabe dabei sein.
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