Schutzmaßnahmen sollen Missbrauch von Brückenbauwerken verhindern
Über 40.000 Brücken an Autobahnen und Bundesstraßen überspannen in Deutschland Straßen, Bahngleise, Flüsse oder Täler. All diese vor unbefugtem Betreten und Missbrauch zu sichern, lehnen die Behörden ab. Nur Einzelfälle werden mit zusätzlichen Sicherungen ausgestattet.
Sie gehören zu Bauwerksbestandteilen, die Autofahrern auf ihrer Reise über Autobahnen, Bundes- und Landstraßen kaum auffallen: Schutzeinrichtungen auf Brücken. Am bekanntesten dürften dabei Fahrzeug-Rückhaltesysteme sein, bei denen es sich um Geländer, Stahlschutzplanken oder Betonelemente handelt und die in erster Linie dazu dienen, von der Fahrbahn abkommende Fahrzeuge aufzuhalten und sicher umzulenken. Sie werden in Mittelstreifen von Autobahnen zur Trennung der Richtungsfahrbahnen, am Fahrbahnrand als Schutz vor Kollision mit Gegenständen oder auf Brücken zum Schutz vor Abstürzen eingesetzt.
Unauffälliger sind dagegen zusätzliche Sicherungsmaßnahmen wie Schutzwände, Gitter und Zäune. Sie erfüllen oft mehrere Aufgaben wie Lärmschutz, Wildtiersicherung sowie das unabsichtliche Abstürzen oder unbefugte Betreten des Brückenbauwerks durch Personen. Letzteres Verhalten hat meist unterschiedliche Gründe: Übermut, wie der Sprung aus der Höhe in Gewässer, unerlaubtes Klettern, Mutproben von Kindern und Jugendlichen oder Suizide.
Schutzeinrichtungen auf Brücken übernehmen außerdem noch eine weitere wichtige Aufgabe – den Schutz vor Steinewerfern auf Verkehrswege. Obwohl in den Medien wiederkehrend über Vorfälle dieser Art berichtet wird, gibt es in Deutschland keine statistischen Daten über die Zahl der Attacken. Psychologen zufolge handelt es sich bei Steinewerfern meist um spontan agierende Einzeltäter.
Fehlende Grundlagen
Die Einzelfallproblematik erschwert es zuständigen Landes- und Bundesbehörden, Brückenbauwerke im größeren Stil mit Schutzmaßnahmen vor unbefugtem Gebrauch zu sichern. So wie im Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW): „Als öffentliche Verwaltung ist Straßen.NRW an die einschlägigen gesetzlichen Grundlagen sowie die allgemein anerkannten Regeln der Technik für den Bau von Straßenbrücken gebunden. Diese sehen zusätzliche Schutzmaßnahmen zum Schutz vor Suizid/Steinewerfern grundsätzlich nicht vor“, erklärt Nilgün Ulbrich, Sprecherin des Landesbetriebs Straßenbau NRW. Über den Bedarf entscheide die jeweilige Behörde als zuständiger Baulastträger in Abstimmung mit der Polizei.
Da es sich bei den zusätzlichen Sicherungen nicht um Standardausstattung handele, sei im Einzelfall die Zustimmung des Landesverkehrsministeriums und bei Bundesstraßen des Bundesverkehrsministeriums notwendig. In einigen Fällen könnten Lärmschutzwände oder Überflughilfen für Vögel zugleich einen Übersteigschutz darstellen. Zusätzliche Ausstattung bedarf aber einer nachvollziehbaren Begründung für die entstehenden Kosten sowie im Einzelfall der Zustimmung durch die zuständigen Ministerien, weiß Ulbrich. Vorbehaltlich der Bedingungen am jeweiligen Einbauort rechnet Straßen.NRW mit Kosten für Gitter, Zäune oder Wände von etwa 350 Euro pro Quadratmeter, was rund 1.000 Euro pro laufendem Meter entspricht. Hinzu kämen Mehraufwände für die Unterhaltung und den Aufwand der Bauwerksprüfung. Für die 296 Meter lange Blombachtalbrücke in NRW beispielsweise sind für die nachträgliche Installation von Gittern als Übersteigschutz Kosten von über 300.000 Euro angefallen. Da an den allermeisten Brückenbauwerken im Zuständigkeitsbereich der Behörde keine Suizide begangen würden, erscheine der Aufwand für flächendeckende Maßnahmen aber unverhältnismäßig, sagt Ulbrich.
Ortsbezogene Initiative
Ähnlich sieht es auch das Schweizer Bundesamt für Strassen (ASTRA), verantwortlich für die Autobahnbrücken der Alpenrepublik. Ein Sprecher der Behörde erklärt, dass Maßnahmen dann realisiert würden, wenn eine Brücke mindestens zehn Meter hoch sei und sich im Umkreis von zwei Kilometern rund um eine psychiatrische Klinik befände. Als Schutzmaßnahme installiere ASTRA Barrieren von mindestens zwei Metern Höhe. Dazu gehören etwa Wände mit geschlossenen Füllungen, die sich auch gegen Steinewerfer eignen. Die Füllungen verhindern gezielte Würfe mit Gegenständen auf Verkehrsteilnehmer. Weiterhin montiert ASTRA Wände aus Glas, Lochblech oder Gittern. Geländer und Wände dürfen weder Vorsprünge, Schlitze, Aussparungen noch tiefe Fugen aufweisen, um ein Überklettern zu vermeiden.
Anders als in Deutschland installieren die Eidgenossen drei Meter unter der Fahrbahn noch Fangnetze, die springende Personen aufhalten sollen. Vergleichbare Konstruktionen sind auch an begehbaren Denkmälern im Einsatz.
Bei Steinewerfern richtig reagieren
Wenn im Verkehrsfunk vor Unbekannten gewarnt wird, die Steine von Brücken auf Straßen und Verkehrsteilnehmer werfen, sind Autofahrer höchst gefährdet. Quer durchs Land kommt es seit Jahrzehnten immer wieder zu Vorfällen dieser Art, bei denen Steinwürfe auf Autos neben einem gehörigen Schrecken für die Insassen auch zu schweren Verletzungen führen, die im schlimmsten Fall sogar tödlich enden können.
Trotzdem sollten Autofahrer nicht in Panik verfallen, hektisch bremsen oder ausweichen, sobald sie Personen auf einer Brücke erblicken. Sofern möglich, gilt es die Geschwindigkeit sicher zu verringern und die Fahrspur ungefährdet zu wechseln. Absehen sollten Autofahrer generell davon, selbst nach möglichen Tätern zu suchen, da dies Sache der Polizei ist.
Hinweis für BetroffeneHaben Sie selbst Suizidgedanken oder befürchten Sie, dass jemand aus Ihrer Familie oder Ihrem Bekanntenkreis solche haben könnte? |
Titelfoto: Landesbetrieb Straßenbau NRW