03.07.2023 Martina Katz

Uruguay – Von der Pampa nach Cabo Polonio und Montevideo

Uruguay verbindet südamerikanische Lebensart mit europäischer Tradition. Bei einem Urlaub an der südöstlichen Küste beeindrucken zudem die entspannten Orte und endlose goldgelbe Sandstrände. 


Gaucho Gonzalo Balduvino sitzt auf einer Bank im Garten der Estancia Guardia del Monte und genießt die ersten Sonnenstrahlen über der Laguna de Castillos. Neben ihm wartet die achtjährige Criollostute Overa auf ihren Einsatz. Wie jeden Morgen soll sie helfen, die grasenden Artgenossen vom Lagunenufer einzutreiben, um mit ihnen die Rinder in die Pampa zu bringen. „Der Criollo ist bei uns das Arbeitspferd auf den Farmen, weil er kräftig, ausdauernd und gehorsam zugleich ist. Wir Gauchos sind ja ursprünglich Tagelöhner in der Viehzucht und dabei auf die Hilfe eines verlässlichen Pferdes angewiesen“, sagt Gonzalo und zieht mit einem metallenen Trinkhalm einen Schluck Matetee aus einem hölzernen Becher. Dann schlüpft der 34-Jährige in die traditionelle Gauchokleidung: die Bombacha, eine Pluderhose, die Botas de Suela, feste Rindslederstiefel, und den Sombrero, einen Sonnenhut. Er schwingt sich auf Overas Rücken, ruft seine drei Hirtenhunde herbei und trabt hinaus in die Pampa.
 

Auf der Farm Guardia del Monte treibt Gonzalo Balduvino mit seiner Criollostute Rinder in die Pampa. Foto: Martina Katz

Die Pampa, eine gewaltige, flache bis leicht hügelige Grassteppe, nimmt das gesamte Hinterland Uruguays ein, darunter auch den Großteil des Departments Rocha, in dem die Estancia Guardia del Monte liegt. Wie eine kleine Oase sticht das von Wasser, Wäldern und Weiden umgebene Gut aus der gelbgrünen Weite. Bronzekiebitze, Uruguays Nationalvögel, stolzieren hier am Lagunenufer umher. Rubintyrannen flattern durch die Luft. Nandus schreiten durch das hohe Gras. Unter dem schirmartigen Blätterdach des Ombuwaldes, einer botanischen Rarität, verstecken sich Stinktiere.

Pferde für die Pampa

Als spanische Kolonialisten das heutige Uruguay im 17. Jahrhundert besiedelten, brauchten sie verlässliche Arbeitspferde für die Feldarbeit, den Transport, zum Antreiben von Maschinen und für die Viehhaltung auf den Rinderfarmen, die sie im Land aufbauten. Dafür schifften sie iberische Pferde aus Europa ein. Doch der lange, entbehrungsreiche Weg über die Meere war für die Tiere eine Tortur. Nur die stärksten und widerstandsfähigsten überlebten. Das raue Klima der südamerikanischen Pampa mit heißen Sommern und kalten Wintern forderte den Pferden Weiteres ab, ließ sie noch robuster und genügsamer werden. Über hunderte von Jahren entwickelte sich so eine neue Rasse: der Criollo.

„Die Criollos waren für unsere Farm schon immer überlebenswichtig, auch wenn die Estancia Guardia del Monte inzwischen eine Estancia turistica ist, also eher ein Urlaubsparadies für Ausritte in die Natur als eine traditionelle Rinderzucht“, sagt Alicia Fernandez Vergara, die auf ihrer tausend Hektar großen Estancia 400 Schafe, 700 Rinder und 60 Pferde versorgt. Die fast 80-jährige Eigentümerin muss es wissen. Schließlich existierte ihr Landgut schon zur spanischen Kolonialzeit, als einzige Estancia der Region am gleichen Ort, unter gleichem Namen. Als einer von drei Wachposten sollte sie den Weg der Kolonialisten vom Atlantischen Ozean ins Hinterland vor portugiesischen Feinden schützen, die sich in den nördlicheren Regionen breitmachten. Selbstredend, dass man sich damals auf Pferden bewegte. Mit dem Einzug motorbetriebener Maschinen in der Landwirtschaft zum Ende des 19. Jahrhunderts verschwanden viele der Criollos von den Farmen, bis die uruguayischen Bauern kaum noch gute Reitpferde zur Verfügung hatten und beschlossen, die Rasse wieder stärker zu züchten. Heute gibt es mehr als 400.000 Pferde in Uruguay, der Großteil davon Criollos.

 

Alicia Fernandez Vergara, Eigentümerin der Rinderfarm, lädt gerne zum Matetee aus dem hölzernen Porongo ein. Foto: Martina Katz
Cabo Polonio hat eine der größten Mähnenrobben-Populationen Uruguays. Foto: Martina Katz

Dorf mit Hippie-Flair

In Cabo Polonio sind neben Pferden vor allem die Allradtrucks der hier lebenden Fischerfamilien gefragt. Denn die Anreise in den abgelegenen Ort im Nationalpark Cabo Polonio ist eine Herausforderung. Vom Busterminal geht es durch eine atemberaubende Dünenlandschaft und weiter über den weitläufigen Playa Sur am Atlantischen Ozean. Wer eine Straße sucht, sucht vergeblich. Am Ende wartet der 60-Einwohner-Ort, in dem die kunterbunten, windschiefen Holzhäuschen in den Dünen stehen. Aus den Fenstern dudelt Musik, auf den Veranden baumeln Hängematten. Die längst zu Restaurant- oder Herbergsbetreibern gewordenen Fischer prahlen gerne damit, weder Strom- noch Wasseranschluss zu haben. Stattdessen gibt es Solar und einen Speziallaster, mit dem die Familien von den nahen Wanderdünen gefiltertes Brauchwasser aus der Erde holen. Die Gäste lieben das spartanische Hippie-Feeling. Sie bestaunen den mehr als 140 Jahre alten Leuchtturm und die hier lebenden Mähnenrobben und Südamerikanischen Seebären. Seit der Nationalpark-Eröffnung im Jahr 2009 und dem Jagdverbot auf diese Tiere hat sich in Cabo Polonio eine der größten Kolonien Uruguays angesiedelt. Beliebt sind auch Spaziergänge auf den bis zu 50 Meter hohen Wanderdünen, den größten Südamerikas, oder zu den Fischerbooten an der Playa La Calavera.        

 

Kunst am Strand

Uruguays Küste verzaubert die Urlauber überall mit entspannten Orten an goldbraunen Stränden. In Punta del Diablo türmen sich ganze Sandlandschaften um die Häuser. José Ignacio wirkt mit seinen weißen Bauten wie von einem Künstler geschaffen. Keine Hotels, keine Wohnblöcke, nur Einfamilienhäuser, maximal zwei Stockwerke. Hier ist es schick und sehr ordentlich. Clubs, Diskotheken oder Pubs gibt es nicht. Dafür Restaurants, einen elf Kilometer langen Sandstrand, Lagunen, die vor Schnellbooten geschützt sind, und Dünen, die man mit einem Quad nicht befahren darf. Wer feiern will, fährt in den beliebten Touristenort Punta del Este. In dem Städtchen führen Holzplankenstege entlang dümpelnder Boote im Hafen zu den dortigen Party-Pubs. Im Kasino treffen sich die brasilianischen Urlauber. Und an der Playa Brava fotografieren sich die anderen Urlauber an den überdimensionalen, zementgrauen Fingerkuppen des chilenische Bildhauers Mario Irarrázabal, die hier aus dem Sand ragen – ein Denkmal zu Ehren aller im Meer Ertrunkenen und eines der bekanntesten Wahrzeichen im Land.
 

Der Badeort José Ignacio lockt mit einem kilometerlangen Strand, Dünen, Lagunen und schicken Appartments. Foto: Martina Katz

Nach La Coronilla hingegen kommen die Gäste, um Freiwilligenarbeit zu leisten. Hier hat sich die NGO Karumbé direkt am Strand niedergelassen. Sie widmet sich dem Schutz der Meeresschildkröten. Rund 100 Freiwillige aus aller Welt, die eine Woche und länger bleiben, zählt die unabhängige Organisation pro Saison. So wie die 26-jährige Estelle Chauffour. „Wir helfen Tieren, die unterkühlt sind, ein zu geringes Gewicht, beschädigte Panzer oder unterteilte Flossen haben“, erklärt die Französin. „Die schwierigen Fälle schicken wir per Bus nach Montevideo. Dort werden sie an der Veterinär-Fakultät der Universität kostenlos geröntgt“, fährt sie fort. In den letzten Jahren kamen durchschnittlich 14 Tiere pro Woche mit Problemen an den Strand. Eine Menge für die kleine NGO, in der sich Forscher, Naturschützer, Studenten und sogar Fischerfamilien organisieren. „150 Schildkröten sterben in Uruguay pro Jahr, weil sie ihre Nahrung mit Kunststoffen im Meer verwechseln. 600 Tiere verenden in Fischernetzen. Der illegale Verkauf von Schildpatt oder Schildkrötenfleisch kommt noch hinzu“, beschreibt Alejandro Fallabrino die Situation. Der Italiener hat Karumbé vor mehr als 20 Jahren gegründet und ist noch kein bisschen müde. „Meine Familie sind die Schildkröten“, sagt er und begutachtet ein Tier in einer Plastikwanne.

 

In der NGO Karumbé in La Coronilla kümmert sich Estelle Chauffour liebevoll um eine Meeresschildkröte. Foto: Martina Katz

Beliebtes Tangoland

In Montevideo legen derweil Silas Adriazola Ramirez und Valeria Rocio Dabruzzo eine flotte Sohle aufs Parkett. „Uruguay ist noch vor Argentinien das beliebteste Tangoland. Das merkt man in den Fußgängerzonen“, sagt Silas. Der 32-jährige Chilene hat seine Haare zum Knoten zusammengebunden, sich ein rotes Hemd angezogen und tanzt mit seiner ein Jahr älteren argentinischen Freundin einen Tango in der Fußgängerzone Sarandi. „Da es Argentinien wirtschaftlich nicht so gut geht, pendeln wir durch die Weltgeschichte, tanzen in den Straßen und hoffen, dass wir entdeckt und berühmt werden“, ergänzt Valeria und lacht. Tatsächlich ist der Tango in Montevideo äußerst beliebt. Jeden Abend finden sogenannte Milongas statt, traditionelle Tanzveranstaltungen. Und die sind immer gut besucht.
 

Typisch für Montevideo sind Tanzvorführungen in den Fußgängerzonen. Der Tango ist hier sehr beliebt. Foto: Martina Katz
Zu den markantesten Gebäuden von Uruguays Hauptstadt Montevideo gehört der Palacio Salvo im Art-Déco-Stil. Foto: Martina Katz

Aber auch tagsüber hat Uruguays Hauptstadt viel Tradition zu bieten. In der Altstadt breiten Matetee-Verkäufer ihre hölzernen Porongos aus – die Becher zur Teezubereitung benutzt jeder in Uruguay. Ein altes Stadttor verbindet das hundert Meter hohe Art-Déco-Gebäude Palacio Salvo mit dem Teatro Solis, dem zweitgrößten Theater Südamerikas. Und im Mercado del Puerto, der 1868 zur Verköstigung der Schiffsbesatzungen gebaut wurde, wird heute noch so gegrillt wie damals: mit Holz anstatt Kohle. Gaucho Gonzalo Balduvino würde es mögen.

 

Zum Sonnenuntergang treffen sich die Einheimischen in Montevideo gern zum Beachvolleyball an der Playa Ramirez. Foto: Martina Katz

ARCD-Reiseservice

  • Anreise:
    Ab Stuttgart fliegt zum Beispiel KLM über Amsterdam und Sao Paulo nach Montevideo oder Condor über Frankfurt, Punta Cana und Panama.
  • Beste Reisezeit: 
    Von November bis April mit Tagestemperaturen von 22 bis 28 Grad Celsius. Hochsaison ist Mitte Dezember bis Ende Januar.
  • Unterkunft: 
    Estancia Guardia del Monte, traditionelle Landhauszimmer auf einer Ranch an der Laguna de Castillos in Rocha;
    La Perla del Cabo, liebevoll eingerichtete kleine Zimmer am Strand in Cabo Polonio, www.laperladelcabo.com
    AWA Boutique + Design Hotel, schicke moderne Zimmer in einem ruhigen Wohngebiet in Punta del Este, www.awahotel.com
    Cala di Volpe Boutique Hotel, große Businesszimmer mit Meerblick an der Rambla in Montevideo, www.hotelcaladivolpe.com.uy
  • ARCD-Buchungsservice: 
    Das ARCD Reisebüro (Tel. 0 98 41 / 4 09 150 oder info@arcd-reisen.de) ist Ihnen gern bei der Planung Ihrer individuellen Reise nach Uruguay behilflich. 
    Auch Gruppenreisen sind im Angebot, z. B. eine 18-tägige Erlebnisreise „Uruguay und Paraguay entdecken“ mit Ikarus Tours.
  • Auskünfte: https://uruguaynatural.com

Titelfoto: Martina Katz


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