03.05.2023 Bettina Glaser

Abenteuerspielplatz Tessin – Familienurlaub mit mediterranem Flair

Eine ordentliche Portion Draußenglück erwartet große und kleine Urlauber in der Sonnenstube der Schweiz. Spielerisch können Familien Berge, Täler und Seen des Tessins entdecken und sich auf dem riesigen Abenteuerspielplatz Natur zwischen Palmen, südländischer Entspanntheit und Schweizer Sorgfalt austoben. Spaß und Abwechslung sind in der südlichsten Region der Eidgenossenschaft garantiert.


Sie hängt einsam da. An zwei langen Seilen, die an einer riesigen Platane befestigt sind. Das Brett aus Robinienholz kommt aus dem Tessin. Von Hand geschliffen, gehobelt, lackiert und mit dem Schriftzug „Swing the World“ graviert. Der See glitzert, im Hintergrund ist auf der Piazza Giuseppe Motta mit den bunten Häusern am Nordufer des Lago Maggiore Gemurmel zu hören. Italienisch, Schweizerdeutsch, Französisch. Die Stimmen und Sprachen der flanierenden Einheimischen und Touristen an der Seepromenade von Ascona vermischen sich an diesem lauen Sommerabend. Zwei Kinder rennen los, erahnen ihre Chance. Wer sichert sich die Schaukel als Erstes? Doch dann die Erkenntnis: Das Brett ist breit genug, damit beide gemeinsam darauf schwingen können. Sie hatten Glück, einen Platz auf der Schaukel auf dieser belebten Piazza zu ergattern, denn schon bildet sich eine kleine Schlange aus einer wartenden Familie und zwei älteren Damen. Sie alle wollen Erinnerungsfotos mit dem wunderschönen Panorama machen. „Manchmal stehen hier 20 Leute an“, sagt Fabio Balassi, einer der beiden Erfinder.

Schaukeln mit besonderer Aussicht

Vom Beginn von „Swing the World“ berichtet Elisa Cappelletti, die Visuelle Kommunikation studiert hat: „Die Idee ist während des Lockdowns im April 2020 entstanden.“ Die beiden jungen Tessiner waren im Garten, als Fabio von seiner Schaukel erzählte, die er dort als Kind hatte. Sie fertigten ein neues Exemplar an und hatten den Einfall, dieses an einen traumhaften Ort der Region zu hängen. Die Fotos davon verbreiteten sie über die sozialen Medien – so erfolgreich, dass seitdem 21 „Swing the World“-Schaukeln an eindrucksvollen Plätzen im Tessin aufgehängt wurden. Nicht nur hier am Ufer des Lago Maggiore, sondern auch auf Gipfeln, am Wasserfall und an wenig bekannten Orten, die nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar sind (alle Standorte unter www.swingtheworld.ch).

 

Eine dieser riesigen Panorama-Schaukeln hängt an der Uferpromenade von Ascona am Lago Maggiore. Foto: Bettina Glaser
Elisa Cappelletti und Fabio Balassi hatten die Idee der „Swing the world“-Schaukeln. Foto: Bettina Glaser

Hängebrücke übers Valle di Sementina

Die tibetische Hängebrücke Carasc bei Bellinzona als Ziel, die in 130 Metern Höhe über das Tal Valle di Sementina führt, motiviert den Nachwuchs zu einer ausgiebigen Wanderung. Der Weg führt durch einen Kastanienwald mit Wurzeln, Steinen und großen Stufen. Eidechsen und Esskastanien am Wegesrand faszinieren die Kinder genauso wie die sorgfältig renovierten alten Steinhäuser mit ihren typischen Granitdächern, an denen wir vorbeikommen. Immer wieder versuchen sie, einen Blick durchs Fenster in die Häuschen zu werfen. Für die Großen lohnt sich der Besuch der Kirche San Bernardo mit ihren antiken Fresken. Und die Aussicht auf Bellinzona.

 

Nichts für Menschen mit Höhenangst: Wer die tibetische Hängebrücke Carasc überqueren möchte, braucht Mut und Abenteuergeist. Foto: Bettina Glaser

Die Stille um uns herum wird plötzlich von aufgeregtem Stimmengewirr durchbrochen. Wir tauchen aus dem Wald auf – und da liegt sie vor uns. Wie eine durchhängende Schnur spannt sich die gerade einmal einen Meter breite Brücke auf 270 Metern über das Tal. Die Kinder marschieren sofort los, als wäre es eine Hängebrücke auf einem Spielplatz. Der ein oder andere Erwachsene kommt ins Stocken. Und ins Nachdenken. Hält die Konstruktion mit den 728 Lärchenholz-Brettern, zwischen denen man auch noch in die Tiefe blicken kann? Aber den Schweizern wird ja große Sorgfalt nachgesagt und so vertrauen wir darauf, folgen den Kindern über die Brücke und genießen den Ausblick übers Tal.

 

Die Wanderung zur Hängebrücke führt an der Kirche San Bernardo vorbei. Foto: Bettina Glaser

Panorama-Zugfahrt durchs Centovalli

An der Seilbahn (www.mornera.ch), die den Weg zur Hängebrücke verkürzt, treffen wir ein einheimisches Fernseh-Team. Der Reporter erzählt, dass Hotels Schwierigkeiten hätten, wegen der hohen Preise ausländische Gäste zu gewinnen. Das verwundert nicht: Für viele deutsche Familien ist ein Hotelurlaub im italienischen Teil der Schweiz quasi unbezahlbar. Günstiger sind Selbstversorger-Unterkünfte wie Feriendörfer oder Campingplätze. Etliche Outdoor-Aktivitäten sind für wenig Geld machbar, das Ticino-Ticket für die kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ist meist im Übernachtungspreis dabei.

 

Die Centovalli-Bahn bringt Besucher in die gleichnamige Wanderregion und passiert dabei viele Viadukte und Brücken. Foto: Bettina Glaser

Das Ticket gilt auch für die Centovalli-Bahn. Diese überquert auf der Panoramastrecke von Locarno in der Schweiz bis nach Domodossola in Italien 83 Brücken und Viadukte, führt vorbei an Bergdörfern, Kletterern, die am Felsen hängen, und Palmen. Die Fahrt ist schon allein einen Ausflug durch die naturbelassenen „hundert Täler“ wert. Wer mag, steigt an der Haltestelle Verdasio aus und stattet Jean-Pierre Bäschlin auf dem Monte Comino einen Besuch ab. Zu ihm, seiner Frau und seinem aus Stein gebauten Rustico führen nur eine Seilbahn und Wanderwege. „Rasch haben wir uns hier oben gelangweilt“, erzählt er rückblickend auf 2010, als er das Haus kaufte. Bei einer Lamawanderung wurde er dann vom „Lamavirus“ infiziert, wie er selbst sagt. Die Folge: Heute leben die Bäschlins mit 14 eigenen Lamas auf dem Berg. Die Tiere sind unter anderem dafür da, die Trockenwiesen zu erhalten. „Innerhalb kürzester Zeit würden die Wiesen sonst mit Bäumen zuwachsen“, erzählt Bäschlin. Seine Lamawanderungen sind besonders bei Familien beliebt. Schon Kinder ab fünf Jahren können selbst ein Lama führen.

 

Jean-Pierre Bäschlin (rechts) hält 14 Lamas auf dem Monte Comino. Foto: Bettina Glaser

Ein Mädchen darf die Gruppe mit dem ranghöchsten Lama namens Lamir anführen. Als das Kind stolpert, stoppt Lamir sofort. „Die Tiere haben Respekt vor dem Menschen“, erklärt der Besitzer. Schnell werden die beiden ein eingespieltes Team, spazieren gemeinsam über Stock und Stein. Nach der Wanderung ist ein Glas hausgemachter Sirup aus Minze, Salbei, Melisse und Thymian aus dem Garten der Bäschlins eine willkommene Erfrischung.

Spielend mit Kugeln durchs Verzascatal

Noch ein bekanntes Tal des Tessins sollte man mit Kindern keinesfalls verpassen: das Verzascatal. Als wir auf dem Weg dorthin am 220 Meter hohen Verzasca-Staudamm halten, stürzt sich gerade ein Wagemutiger wie James Bond in die Tiefe. Das Bungeeseil hält, doch selbst beim Zuschauen wird uns allen mulmig. Beschaulicher soll da unsere Wanderung durchs Tal mit dem smaragdgrünen Fluss, den rundgeschliffenen Gneisblöcken und den typischen Bergdörfern werden. Doch das Warnschild macht uns zunächst stutzig: „Achtung! Die Schönheit dieses Flusses birgt Gefahr. Achte auf die Kinder. Eine Sekunde genügt und ein schöner Ausflug wird zum Drama.“ Doch es ist berechtigt, wie wir schnell feststellen, denn die Felsen am und im Fluss laden Kinder regelrecht ein, darauf herumzuklettern.

 

Die abwechslungsreiche Wanderung durchs Verzascatal führt auch durch einen Wasserfall. Foto: Bettina Glaser
Die Ponte dei Salti führt bei Lavertezzo über den Fluss Verzasca. Hier ist es möglich, sich an einer der Badestellen abzukühlen. Foto: stock.adobe.com/© Simon Dannhauer

Mit etwas Vorsicht und einer faustgroßen Holzkugel mit der Aufschrift „BoBosco“ ausgestattet kann man hier dennoch wunderbar kurzweilig das an Schönheit kaum zu überbietende Tal genießen. Entlang des „Boccia al Bosco“-Wegs sind zwischen Brione Verzasca und Lavertezzo 13 Kugelbahnen im Großformat verteilt. Die Kinder sind an den einfallsreichen Stationen mit Wasserschleusen, Schleudern und Flaschenzügen beschäftigt und bemerken gar nicht, wie weit sie laufen. Vier bis fünf Stunden dauert die 5,5-Kilometer-Tour – aufgrund der verschiedenen Einstiegsstellen kann man aber auch problemlos abkürzen. Jetzt im Mai wird ein zweiter Abschnitt zwischen Gerra Verzasca und Sonogno mit zehn weiteren Stationen eröffnet. An heißen Sommertagen lockt außerdem eine Erfrischung im kühlen Fluss an einem der idyllischen Badeplätze.

 

An Kugelbahnstationen entlang des „Boccia al Bosco“-Wegs erkunden Familien spielerisch das Verzascatal. Foto: Bettina Glaser

Action am Erlebnisberg Monte Tamaro

Wer noch mehr Spaß und Abwechslung sucht, wird am Monte Tamaro fündig. Im Seilpark an der Mittelstation klettern Kinder und Erwachsene je nach Alter und Größe in einem von drei verschiedenen Parcours teils in luftiger Höhe durch den jahrhundertealten Buchenwald. Kaum zu glauben, dass auf diesem Spaßberg auch ein architektonischer Höhepunkt wartet: Von der Kirche Santa Maria degli Angeli von Architekt Mario Bott sollten Besucher unbedingt den Ausblick auf die Magadinoebene genießen. Denn während der rasanten Fahrt mit der Rodelbahn nebenan hat man dafür sowieso keine Zeit. Zu oft bekommt man an den Kurven das Gefühl, direkt Richtung Abgrund zu rasen. Noch mehr Nervenkitzel gibt’s an der 440 Meter langen Seilrutsche, mit der Wagemutige mit 60 km/h ein Stahlseil entlangsausen können. Und so finden neben Kindern und Jugendlichen auch abenteuerlustige Eltern im Tessin ihren „Spielplatz“.
 

Kinder unterschiedlicher Altersstufen können im Seilpark am Monte Tamaro klettern. Foto: Bettina Glaser
Von der Kirche Santa Maria degli Angeli von Architekt Mario Bott genießen Besucher des Monte Tamaro die Aussicht auf die Magadinoebene. Foto: stock.adobe.com/© Yü Lan

ARCD-Reiseservice

  • Anreise:
    Mit dem Auto von Deutschland z. B. über die Schweizer Autobahn A2 ab Basel und durch den Gotthard-Tunnel nach Lugano. Die Schweizer Vignette ist über die ARCD-Touristikabteilung, Tel. 0 98 41 / 4 09 500, erhältlich. Bahnverbindungen ab vielen deutschen Städten über Basel oder Zürich.
  • Mobil vor Ort:
    Gäste, die in Hotels, Jugendherbergen oder auf Campingplätzen übernachten, erhalten gratis das Ticino-Ticket, mit dem sie kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel im Tessin nutzen können.

Familienfreundliche Unterkünfte:

  • Feriendorf Lugano-Albonago der Schweizer Reisekasse Reka, 2022 mit Fokus auf Nachhaltigkeit neu eröffnet, 49 Apartments mit Kinderausstattung, zwei Hotelzimmer, Infinity-Pool, Spielplätze, kostenlose Kinderbetreuung. Preisbeispiel: Eine Woche im Mai 2023 für zwei Erwachsene und zwei Kinder ab 878 CHF, www.reka.ch/de/rekaferien/reka-feriendorf-lugano-albonago 
  • Campingplatz Campofelice Camping Village am Ufer des Lago Maggiore in Tenero, Sandstrand, Pool, Animation, Bikepark und Spielplätze. Preisbeispiel: Standard-Stellplatz im Mai 2023 für zwei Erwachsene und zwei Kinder 60,50 CHF pro Nacht, www.campofelice.ch
Einen tollen Blick auf Lugano haben Urlauber vom Infinity-Pool des Reka-Feriendorfs Lugano-Albonago. Foto: Bettina Glaser

Ausflüge:

  • Erlebnispark Monte Tamaro, Kombiticket aus Berg- und Talfahrt mit der Seilbahn und Seilpark Erwachsene 46 CHF, Kinder 29 CHF, Rodelbahn pro Fahrt 5 CHF, Kinder bis 7 Jahre als Begleitung kostenlos, www.montetamaro.ch
  • Wanderung mit Kugelbahnen „Boccia al Bosco“ im Verzascatal, Holzkugel für 9 CHF erhältlich an verschiedenen Verkaufsstationen, www.bobosco.ch
  • Einführungs-Lamatrekking auf dem Monte Comino, Kinder bis 10 Jahre 20 CHF, Erwachsene 40 CHF, www.lamatrekkingticino.ch

(alle Preise: Stand Mai 2023)

Auskünfte:

Titelfoto: Bettina Glaser


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