01.02.2019 Wolfgang Sievernich

 

Fahrer-Assistenz-Systeme erklärt: Notbrems-Assistent

Einen Moment unaufmerksam gewesen und das Stauende übersehen – oder den querenden Radfahrer – oder das plötzlich auf die Straße tretende Kind. Szenen wie diese enden meist mit folgenschweren Unfällen.


Die Automobilindustrie testet Notbrems-Assistenten unter anderem auch mit plötzlich auf die Straße fahrenden Fahrrad-Prototypen. Foto: ZF

Fahrer-Assistenzsysteme sind seit Jahren nicht mehr aus unseren Autos wegzudenken. Anfangs ein Privileg der Oberklasse, sind sie heute selbst im Kleinwagen angekommen und in neuen Autos oft so selbstverständlich wie Radio oder Klimaanlage. Neben sicherheitsrelevanten Aufgaben, wie beispielsweise der Notbremsung, übernehmen Fahrer-Assistenzsysteme ­vermehrt auch Komforteigenschaften, wie etwa das Fahrzeug in der Spur zu ­halten oder das Licht einzuschalten. Laut DAT-Report 2018 spielen Assistenzsysteme für Neuwagenkäufer eine entscheidendere Rolle als noch vor zehn Jahren. Waren 35 Prozent aller Neuwagen im Jahr 2008 mit einer Einparkhilfe ausgestattet, konnten 2018 bereits 62 Prozent damit ausgeliefert werden. Und auch Autohersteller definieren heute den Unterschied zwischen Premium- und Massenprodukt gerne über ausgefeilte elektronische Gehilfen.

Unübersichtliches Angebot

Doch die Fülle an Assistenzsystemen ist nicht nur unübersichtlich, sie macht es Käufern zunehmend schwer sich für die individuell Passenden zu entscheiden.
Im besten Fall werden sie kurz beschrieben. Funktion, Wirkungsweise und Handhabbarkeit bleiben aber häufig außen vor. Dass es manche Assistenzsysteme mit ihrer Für­sorgepflicht am Autofahrer dann auch noch zu toll treiben, führt leider dazu, dass selbst Sicherheitsfunktionen kurzerhand abgeschaltet werden. All diese Überlegungen haben uns dazu bewogen, in regel­mäßiger Folge unterschiedliche Fahrer-Assistenzsysteme vorzustellen und technisch verständlich zu erklären.

Der DVR schätzt, dass sich mit Notbrems-Assistenten 20 bis 40 Prozent der Unfälle vermeiden oder zumindest positiv beeinflussen ließen. Serienmäßig sind Notbrems-Assistenten beim Pkw leider nicht immer verbaut, können aber häufig gegen Aufpreis beim Neukauf zugebucht werden. Technisch betrachtet, sind sie im Fahrzustand permanent aktiv und schauen im Längsverkehr, zum Beispiel bei Fahrten auf der Landstraße oder der Autobahn, über Sensoren bis zu 200 Meter voraus.

Bei einer potenziellen Kollision reduziert das System zuerst die Geschwindigkeit; verringert sich der Abstand zum Vordermann weiter, bremst es das Fahrzeug mit vollem Bremsdruck schließlich selbsttätig bis zum Stillstand ab.  
Das Prinzip funktioniert auch bei geringen Geschwindigkeiten (bis zehn km/h) mit dem von Bosch neu entwickelten Manövrier-Notbrems-Assistenten. Sensoren überwachen dabei das Umfeld rundum und erfassen Hindernisse. Droht ein Zusammenprall, erfolgt nach einer Warnung der prompte Bremseingriff.

Bei einem von Continental entwickelten Notbrems-Assistenten für Motorräder wäre eine Vollbremsung dagegen fatal. Kurven, rutschige Fahrbahn oder Wind und Wetter verkomplizieren die Situation beim Zweirad. Das Motorrad könnte ausbrechen, ein folgenschwerer Unfall wäre nicht ausgeschlossen.

Sanfter Bremseingriff

Deshalb wird der Fahrer zuerst optisch, akustisch oder auch haptisch (beispielsweise über Vibrationen im Lenker) vor einem Hindernis gewarnt und danach über einen geringen Vorbremsdruck beim Bremsprozess unterstützt. Erst wenn eine Reaktion des Piloten ausbleibt, bremst das System stärker, aber deutlich sanfter als beim Auto ab. Die Nah- und Fernbereichsradar-Sensoren sind übrigens so präzise, dass sie sogar kleinere Objekte wie einen abgefallenen Schalldämpfer auf der Fahrbahn erkennen können.

Beispiele im Einsatz

Foto: Bosch
Foto:Continental

Funktionsweise am Beispiel Volvo