25.04.2023 Wolfgang Sievernich

Wird das Auto zum Luxusgut?

Vor Jahren lieferte sich der Autohandel noch wilde Rabattschlachten um die Gunst der Autokäufer. Diese Zeiten sind vorbei. Hohe Nachfrage und knappes Angebot wirbeln den Automarkt durcheinander. Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, unterbrochene Lieferketten, Energiekrise und alternative Vertriebswege haben für Veränderungen in nie gekanntem Ausmaß gesorgt – zum Nachteil des Kunden.


Können Sie sich noch daran erinnern, wie Sie einst ihr Wunschmodell aus etlichen Ausstattungsvarianten aussuchten, mit dem Händler um den Preis feilschten und den Wagen innerhalb weniger Wochen selbst vom Hof fuhren? Gefühlt scheint das schon ewig her zu sein. „Derzeit haben wir eine Unterversorgung des Marktes mit Neuwagen. Zugleich versuchen die Hersteller, die verfügbaren Teile in möglichst hochwertig ausgestatteten Fahrzeugen zu verbauen, da diese höhere Margen erbringen“, erklärt Martin Weiss, Leiter der Marktbeobachtung der Deutsche Automobil Treuhand GmbH (DAT). Das führe bei Neuwagen zu einem erhöhten Preisniveau. Kostete ein VW Golf 2.0 TDI (85 kW/115 PS) etwa vor zwei Jahren noch ab 26.030 Euro, so sind für die gleiche Motorisierung heute über 5.000 Euro mehr fällig!

Diese Entwicklung schlägt auch auf den Gebrauchtwagenmarkt durch. „Hier fehlt der Nachschub, der sonst vornehmlich aus ehemaligen Flottenfahrzeugen, Mietwagen oder Eigenzulassungen der Hersteller und Importeure besteht. Solange der Neuwagenmarkt unterversorgt bleibt, bleiben auch die Preise im Gebrauchtwagenmarkt auf hohem Niveau“, sagt Weiss.

Lediglich bei übertrieben gut ausgestatteten Autos seien Preiskorrekturen möglich, da Verbraucher nicht bereit wären, jeden beliebigen Preis zu zahlen. Teuer bleibt es bei den Verbrennern, sie dominieren den Gebrauchtwagenmarkt. Laut Autoscout24 wurden Diesel im Februar 2023 im Schnitt für 29.696 Euro auf der Verkaufsplattform angeboten, Benziner kamen auf 26.787 Euro. Sinkende Preise sind dagegen bei gebrauchten E-Autos, Erdgasfahrzeugen und Hybriden zu beobachten. „Dass gerade die E-Autos seit September vergangenen Jahres gegen den Trend verlieren, dürfte maßgeblich auf das Konto der reduzierten Umweltprämie für E-Autos zum Jahreswechsel gehen. In der Folge ist es zu verstärkten taktischen Zulassungen neuer E-Autos bis Dezember 2022 gekommen – und damit zu einer Angebotssteigerung an Gebrauchten“, sagt Stefan Schneck, Vertriebschef bei Autoscout24. Doch potenzielle Gebrauchtwagenkäufer von E-Autos schrecken hohe Preise und fehlende Lademöglichkeiten ab. In einer Umfrage der DAT gaben Interessenten an, dass gebrauchte E-Autos technologisch überdies oft als veraltet gelten.

Ein Sonderfall ist momentan bei Plug-in-Hybrid-Pkw (PHEV) zu beobachten. Die abgelaufene Förderung macht sie für private Neuwagenkunden unattraktiv, lediglich Dienstwagenfahrer profitieren von steuerlichen Anreizen. Dennoch stehen sie neu wie gebraucht bei Autokäufern hoch im Kurs, da PHEV aufgrund des allgemein knappen Fahrzeugangebots interessanter werden.

Experten rechnen nicht mit Rabatten

Gerade die Händler von Importmarken überboten sich in der Vergangenheit gerne mit Rabattaktionen, doch auch hier herrscht überwiegend Flaute an der Kasse. „Auf dem Neuwagenmarkt ist derzeit nicht mit Rabatten im bisherigen Stil zu rechnen“, sagt Weiss. „Erst wenn die Märkte wieder anziehen, ist auch mit Rabatten zu rechnen. Wobei die inzwischen etablierten Agenturmodelle Rabatten den Riegel vorschieben.“ Beim Agenturmodell legt der Hersteller die Preise für seine Fahrzeuge fest und nicht mehr der Händler. Der erhält für den Verkauf lediglich eine Provision, Preisverhandlungen darf er nicht mehr übernehmen.

Clevere Kunden kauften in der Vergangenheit ihre Neuwagen gerne erst im Dezember, da Händler dann noch höhere Preisnachlässe anboten. „Aktuell sind solche Regeln faktisch aufgehoben. Die Ware Auto ist knapp, und allein das bestimmt die Preise. Themen wie Lagerbereinigung oder taktische Zulassungen am Jahresende, um gesteckte Ziele zu erreichen, spielen aktuell keine Rolle“, schränkt Weiss die Aussicht auf Nachlässe ein. Selbst für den Kauf von Cabrios gebe es keine ideale Jahreszeit mehr, was aber auch daran liege, dass die Hersteller das Modellangebot in den vergangenen Jahren sukzessive reduziert hätten. Positiv für Verkäufer: „Aus Sicht der Restwerte sind Cabrios oft sehr wertstabil, gut gepflegt und sehr rar“, erklärt Weiss.


Das ,neue Normal‘ werden aber sicherlich höhere Preise sein,
und viele werden sich den Kauf gut überlegen müssen– besonders, wenn die Zinsen hoch sind.

– Martin Weiss, Leiter DAT-Marktbeobachtung


Wer nicht unbedingt muss, sollte den Autokauf besser hinauszögern und in die Instandhaltung des eigenen Pkw investieren. Um Lohn- und Materialkosten zu sparen, empfiehlt sich bei älteren Fahrzeugen eventuell der Wechsel in freie Werkstätten.

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Viele Autobesitzer fahren ihre Pkw länger und investieren verstärkt in deren Instandhaltung. Foto: stock.adobe.com/© guruXOX

Wann mit einer Beruhigung der angespannten Lage auf dem Automarkt zu rechnen ist, kann indes auch DAT-Experte Martin Weiss nicht beantworten. Erst wenn die Lieferketten wieder ungestört funktionierten und genügend Gebrauchtwagen in den Markt flössen, könne das zu einer Entspannung beitragen. „Das ,neue Normal‘ werden aber sicherlich höhere Preise sein, und viele werden sich den Kauf gut überlegen müssen – besonders, wenn die Zinsen hoch sind. Mobilität für alle ist, so ist zu befürchten, dann nicht mehr wirklich für alle realisierbar“, warnt Weiss.

 

Titelfoto: stock.adobe.com/© JD8


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