Autos werden besser – das hat seinen Preis
Sicherheit, Komfort und Vernetzung moderner Autos steigern sich Jahr für Jahr. Das treibt die Kosten in die Höhe, wie man unter anderem beim Besuch in der Werkstatt erfährt. Drei Beispiele für Preistreiber, die der technische Fortschritt mit sich bringt.
Mit der zunehmenden Verbreitung von Assistenzsystemen werden Autos immer sicherer. Doch auch wenn die Unfallfolgen durch Notbremssysteme und Aufprallwarner heute oft weniger schwerwiegend sind als früher, bedeutet das nicht, dass dadurch auch die Reparaturkosten sinken. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) prognostiziert für die kommenden zwei Dekaden einen lediglich moderaten Rückgang der Entschädigungsleistungen seiner Mitglieder.
Mehrere Faktoren gelten als ausschlaggebend. Der wichtigste: Die zusätzliche Technik für die neuen Assistenzsysteme lässt Reparaturen teurer werden. Musste früher bei einem Auffahrunfall im besten Fall nur die verbeulte Stoßstange ausgetauscht werden, wird heute schnell ein ganzes Arsenal an Sensoren im Kühlergrill in Mitleidenschaft gezogen. Ohne Parkpiepser an der Front fahren inzwischen fast nur noch Kleinwagen vor. Bei vielen Autos kommt noch ein Radar dazu, bei besonders hochwertigen auch ein Lidar auf Laserbasis. Allein der Teilepreis erreicht leicht mittlere vierstellige Beträge.
Mehr als nur durchsichtiges Glas
Kostspielig wird es auch bei einer kaputten Frontscheibe: Sie fällt bei Pkw mit Assistenzsystemen um 25 Prozent teurer aus als bei Fahrzeugen ohne, wie der GDV ermittelt hat. Generell hat sich die einfache Glasplatte zum Hightech-Bauteil entwickelt. Rund die Hälfte der Autogläser in Europa verfügt laut der Werkstattkette Carglass mittlerweile über Geräuschdämmung. 40 Prozent bieten einen Hitzeschutz. Wachstum gibt es auch bei Heizung und Head-up-Displays. Besonders zugelegt haben aber Assistenzsysteme: Fast alle neuen Autos verfügen über eine bis drei Frontkameras, die in einem Gehäuse hinter der Windschutzscheibe untergebracht werden.
Neben den Kosten, die durch die höheren Anforderungen an die Fertigung entstehen, wächst auch der Zeitaufwand beim Austausch eines kaputten Exemplars. Befindet sich hinter der Scheibe eine Kamera, etwa für den Spurhalteassistenten oder den Abstandstempomat, muss diese neu kalibriert werden. Im Extremfall steuere das Fahrzeug ansonsten ohne Eingriff des Fahrenden möglicherweise bereits nach rund 100 Metern unfreiwillig in den Gegenverkehr, warnt Carglass.
Ganz neue Herausforderungen stellen auch Produktionsmethoden wie das sogenannte Mega- oder Giga-Casting dar. Dabei wird das Chassis eines Fahrzeugs nicht mehr aus gut 70 Einzelkomponenten zusammengefügt, sondern gleich als zusammenhängendes Teil hergestellt. Das senkt die Produktionskosten, erhöht aber den Aufwand bei Reparaturen. Großgussteile müssen laut GDV bei einem Schaden komplett getauscht werden. Es sei denn, der Hersteller entwickelt ein Reparaturkonzept, das festlegt, wie diese Teile mit in Reparaturwerkstätten beherrschbaren Prozessen instandgesetzt werden können. Konkret gemeint ist in diesem Fall der E-Auto-Hersteller Tesla, der in Grünheide bereits mit der Umstellung auf Giga-Casting begonnen hat – und bislang noch kein Reparaturkonzept vorgelegt hat.
Die Amerikaner sind allerdings nicht die einzigen, die auf Großgussteile setzen – auch Volvo und Toyota haben zumindest die teilweise Nutzung angekündigt. Ob und in welcher Höhe die Versicherungsraten bei Giga-Casting-Autos steigen, wird sich allerdings erst zeigen, wenn ausreichend viele unterwegs sind und in Unfälle verwickelt werden. Für das Tesla Model Y rechnet der GDV im kommenden Jahr mit aussagekräftigen Daten.
Titelfoto: Carglass