04.12.2023 Wolfgang Sievernich

Miese Geschäfte mit gestohlenen Ersatzteilen

Hochwertige Kfz-Ersatzteile sind gefragt. Das wissen auch Autodiebe, die neben ganzen Fahrzeugen auch einzelne Komponenten wie Airbags, Katalysatoren oder Scheinwerfer stehlen. Gemeinsam mit einem Experten der Polizei erklären wir, worauf es die Langfinger hauptsächlich abgesehen haben, was Diebstahlopfer beachten müssen und welche Indizien auf Ersatzteile mit fragwürdiger Vergangenheit hinweisen.


Der Vorgang dauert nur wenige Minuten: Mit einem Wagenheber bocken Unbekannte ein Fahrzeug auf, trennen den Katalysator am Unterboden mit einem Rohrschneider oder einer Akku-Säge von der Abgasanlage ab, entfernen den Wagenheber wieder und verschwinden mitsamt dem Bauteil in der Dunkelheit. So oder so ähnlich lesen sich viele Polizeimeldungen zum Diebstahl von Katalysatoren. Grund für das Begehren: In Katalysatoren stecken mehrere Gramm der wertvollen Edelmetalle Platin, Palladium und Rhodium. Die Diebe haben es dabei primär auf ältere Fahrzeuge mit Benzinmotoren abgesehen, da bei Dieselmotoren zur Ummantelung des Katalysatorkerns fast ausschließlich Platin verwendet wird. Dieses Edelmetall hat derzeit einen geringeren Wert als die beiden anderen. Ältere Automodelle ab Baujahr 1993 sind besonders bevorzugte Tatobjekte. Bei diesen liegt der Katalysator gut erreichbar in der Mitte des Wagenbodens, während er bei neueren kaum zugänglich in Motornähe verbaut ist. Experten des Landeskriminalamtes in Nordrhein-Westfalen (NRW) gehen davon aus, dass die Täter die Rohstoffe in einem Rückgewinnungsverfahren selbst extrahieren oder gleich den gesamten Katalysator weiterverkaufen.

Abnehmer sind unter anderem Recyclingunternehmen, die Kats auch von Privatpersonen aufkaufen – illegal, wie Knut Rodewald, geschäftsführender Gesellschafter des Autoverwerters LRP-Autorecycling aus Leipzig erklärt: „Katalysatoren sind gefährlicher Abfall, wer damit arbeitet, benötigt eine Genehmigung.“ Privatleute und manche der im Internet auftretenden Recyclingfirmen hätten diese nicht. Rodewald erwartet, dass der Kat-Diebstahl künftig aber nachlassen wird, da die Preise der Edelmetalle nach einem Hoch in den Jahren 2021 und 2022 deutlich gefallen sind. Die Kfz-Versicherer dürfte das freuen, da neue Austausch-Kats bis zu mehrere tausend Euro kosten können.

Neben Katalysatoren stehlen Diebe aber auch fast alles andere am Auto, was nicht niet- und nagelfest ist. Räder, Außenspiegel, Autoradios, Airbags, Lenkräder und Steuergeräte sind gefragt, selbst vor Inneneinrichtungen, Scheinwerfern, Sensoren und Karosserieteilen machen die Langfinger nicht halt. Wie viel genau gestohlen wird, können weder Versicherer noch Polizei beziffern, da es für diese Delikte keine eigene Statistik gibt.
 

Auch Innenraumausstattungen werden gestohlen. Der Schaden wie auf dem Bild liegt dann leicht im fünfstelligen Bereich. Foto: Polizei Koblenz

Höherer Verdienst

„Oldtimer werden häufig entwendet, um sie komplett zu zerlegen und die Teile einzeln weiterzuverkaufen. Für die Autoteile erhalten die Diebe mehr Geld als für das Gesamtfahrzeug“, sagt Kriminaldirektor Martin Mehlhorn vom Landeskriminalamt Düsseldorf in NRW. Das sei besonders schade, weil ein Porsche aus den Sechziger- oder Siebzigerjahren einzigartig sei. „Doch den Tätern dieser Delikte geht es nicht um das Kulturgut, sondern nur um den schnöden Mammon.“

Laut Bundeskriminalamt wurden in Deutschland im vergangenen Jahr 40.315 Fahrzeuge gestohlen und damit rund ein Drittel mehr als noch im Corona-Jahr 2021. „In der Nach-Corona-Zeit stehen Autos nicht mehr so häufig in der Garage, sondern auf der Arbeit oder auch länger im öffentlichen Verkehrsraum“, erklärt Mehlhorn. Die Polizei empfiehlt deshalb, Autos, wenn schon nicht in Garagen oder auf gesicherten Stellplätzen, dann doch zumindest an ausreichend beleuchteten und belebten Straßen im Stadtgebiet abzustellen. 
 

In einer Nacht haben Diebe diese auf einem Privatgelände abgestellte Mercedes-Benz C-Klasse auseinandergenommen. Schaden: über 17.000 Euro. Foto: Polizei Nordhausen

Den Tätern dieser Delikte geht es nicht um das Kulturgut,
sondern nur um den schnöden Mammon.

– Kriminaldirektor Martin Mehlhorn, Dezernatsleiter, LKA Düsseldorf


Neben Oldtimern landen viele moderne Fahrzeuge, vorrangig deutsche Fabrikate, in Zerlegungswerkstätten in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Polen. Absatzmärkte für die gestohlenen Teile sind neben osteuropäischen Ländern wie Polen, Litauen und Georgien auch Zentralasien (Tadschikistan, Usbekistan) sowie West- und Nordafrika. In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sind vorwiegend Einzelteile hochmotorisierter Autos gefragt.

Bei der internationalen Kfz-Verschiebung agieren überwiegend organisierte Banden, die sich vorwiegend aus Nationalitäten der Zielländer zusammensetzen, in die die Fahrzeugteile verbracht werden. Um das Entdeckungsrisiko gering zu halten, werden die Autos meist unmittelbar nach dem Diebstahl über die Grenze ins Ausland gefahren.

Um den Tätern auf die Spur zu kommen, nutzt die Polizei Identifikationsnummern, die auf fast jedem Autoteil vorhanden sind und im Rahmen der polizeilichen Sachfahndung nachverfolgt werden können, sofern die Teile wieder auftauchen. „In der polizeilichen Datenbank ist alles hinterlegt, was irgendwie eine Nummer hat und gesucht werden kann. Bei einer Kontrolle eines Fahrzeugtransporters oder bei einer Razzia kann man anhand der Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN) nachweisen, dass Fahrzeug oder Teile gestohlen sind“, sagt Mehlhorn. Allerdings trifft das oft weder auf Ersatzteile von Oldtimern noch auf Kleinteile wie Sensoren zu, weshalb diese von den Dieben auch risikoloser vermarktet werden können.
 

Die Polizei überprüft Teilenummern an sichergestellten Motoren. Foto: Polizei Paderborn
Auf Onlinemarktplätzen müssen Verbraucher damit rechnen, dass auch gestohlene Autoteile angeboten werden können. Foto: ARCD

Um den Tätern nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland auf die Spur zu kommen, nutzen Bundes- und Landespolizei das Schengener Informationssystem, in dem unter anderem die FIN der Fahrzeuge gespeichert sind. Bis auf Zypern sind die Daten sowohl in den Mitgliedsstaaten der EU als auch in Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz abrufbar. „Darüber hinaus können entwendete Fahrzeuge nahezu weltweit über die Interpol-Stolen-Motor-Vehicle-Database (SMV) ausgeschrieben werden“, erklärt Mehlhorn.

Obwohl viele geklaute Autoteile ins Ausland gehen, finden sich manche auch auf deutschen Onlinemarktplätzen wieder. Dort tummeln sie sich mehr oder weniger unauffällig inmitten einer Vielzahl legaler Artikel. Allein auf der Verkaufsplattform Kleinanzeigen.de (ehemals Ebay Kleinanzeigen) finden sich Inserate von rund 3,2 Millionen gebrauchter Autoteile.

Kritisch hinterfragen

Die Frage, woran Verbraucher in diesem Wust gestohlene Ersatzteile erkennen können, ist nicht einfach zu beantworten. Käufer sollten kritisch hinterfragen, warum das Objekt der Begierde ein Schnäppchen ist, da Verkäufer doch eigentlich nichts zu verschenken haben? Das auffälligste Indiz für ein Produkt mit fragwürdiger Vergangenheit ist ein zu günstiger Preis. Kaufinteressenten ist zur Einordnung des Angebotspreises geraten, das Produkt mit gleichen oder artverwandten gebrauchten und neuen Artikeln zu vergleichen. Auch gilt es mehr als einen Blick auf den Verkäufer zu werfen. Handelt dieser privat oder als Händler? Sitzt er im In- oder Ausland? Wurden Profil oder Kundenkonto erst kürzlich erstellt? Verkauft der Anbieter ausschließlich Autoteile oder auch andere Produkte wie Kleidung? Ist eine nachvollziehbare Historie mit wertschätzenden Bewertungen früherer Käufer vorhanden oder wurden innerhalb kurzer Zeit auffällig viele positive Beurteilungen vorgenommen? „Am sichersten kaufen Verbraucher bei einem Händler, der über persönliches Kennen oder durch einen seriösen Internetauftritt vertrauenserweckend erscheint“, sagt Kriminaldirektor Mehlhorn.


Am sichersten kaufen Verbraucher bei einem Händler, der über persönliches Kennen oder durch einen seriösen Internetauftritt vertrauenserweckend erscheint.

–Kriminaldirektor Martin Mehlhorn, Dezernatsleiter, LKA Düsseldorf


Neben dem Onlinehandel sind Fahrzeugteile auch auf Flohmärkten, Oldtimermessen oder Schrottplätzen zu finden. Bei der Inaugenscheinnahme sollten Käufer darauf achten, ob Identifikationsmerkmale unkenntlich gemacht wurden. Die Polizei warnt davor, zweifelhafte Produkte zu kaufen, da Käufer an gestohlener Ware kein Eigentum erlangen könnten. „Erwirbt ein Käufer ein gestohlenes Fahrzeug oder Produkt zu einem deutlich unter dem Marktwert liegenden Preis, so kann er sich der Hehlerei strafbar machen“, mahnt Mehlhorn, was ein Ermittlungsverfahren nach sich ziehen könnte. Das könne bereits der Fall sein, wenn der Preis signifikant, wie ein Drittel unter dem Marktwert läge.
 

Auch Flohmärkte und Oldtimermessen bieten sich Dieben als Absatzmärkte an. Foto: stock.adobe.com/© tcerovs

Der Kat ist weg – und nun?

  1. Das Fehlen des Katalysators macht sich durch laute Abgasgeräusche bemerkbar
  2. Anzeige bei der Polizei erstatten
  3. Ohne Katalysator erlischt die Zulassung, der Wagen muss abgeschleppt werden
  4. Schriftlichen Kostenvoranschlag von einer Werkstatt einholen
  5. Versicherung informieren, in der Regel übernimmt die Kaskoversicherung den Schaden, sofern kein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt
  6. Vorsicht: Autofahrer, die nur eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben, müssen den Schaden selbst tragen

 

In Katalysatoren stecken die wertvollen Edelmetalle Platin, Palladium und Rhodium. Foto: Mercedes-Benz
Katalysatoren älterer Autos können leichter gestohlen werden. Foto: Polizei Anklam

Titelfoto: stock.adobe.com/© methaphum


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