10.02.2020 Simone Eber

Urlaub für alle: Barrierefreie Reiseziele in Deutschland

Einen Tag am Strand genießen, bei einer Stadtführung mitmachen oder eine Berglandschaft erkunden – für Gesunde ganz normale Urlaubsaktivitäten, die Menschen mit Handicap oft verwehrt bleiben. Wir stellen zwei Initiativen vor, die barrierefreies Reisen zu ihrem Thema gemacht haben.


Die Bundesregierung strebt in ihren tourismuspolitischen Leitlinien die Teilhabe aller am Tourismus an und möchte das Ideal des barrierefreien Reisens in der gesamten touristischen Leistungskette verankern. Ein wichtiges Ziel, denn in Deutschland leben aktuell etwa zehn Millionen Menschen mit einer Behinderung. Die demografische Entwicklung, die eine wachsende Zahl älterer und damit auch oft aktivitäts- und mobilitätsbehinderter Menschen mit sich bringt, unterstreicht die Dringlickeit dieses Anliegens.

Dank Handbike-Verleih können auch Gehbehinderte in der Urlaubsregion Chiemsee-Alpenland auf Fahrradtour gehen. Foto: Chiemsee-Alpenland Tourismus

„Reisen für Alle"

Vor diesem Hintergrund nahmen 2011 das Deutsche Seminar für Tourismus (DSFT) und der Verein „Tourismus für Alle Deutschland e. V. – NatKo” ihre Arbeit für ein bundesweites Projekt auf. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sowie von Betroffenenverbänden und touristischen Akteuren entwickelten sie das Kennzeichnungssystem „Reisen für Alle” (www.reisen-fuer-alle.de), nach dem inzwischen über 2000 Anbieter in Deutschland zertifiziert sind. Dabei überpüft speziell geschultes Personal die Qualitätskriterien direkt in den sich bewerbenden Bundesländern, Regionen und Hotels. Die barrierefreien Angebote richten sich an Menschen mit Geh-, Seh-, Hörbehinderung, kognitiven Beeinträchtigungen oder Allergien und Unverträglichkeiten, außerdem an gehörlose oder blinde Menschen und Rollstuhlfahrer. Auf der Website können sie Reiseziele für ihre individuellen Ansprüche auswählen, indem sie das auf sie zutreffende Handicap auswählen und darunter die gewünschten Kriterien für Barrierefreiheit auswählen.

Mehr als ein Viertel der zertifizierten Angebote stammt bislang aus Bayern, daher im Folgenden einige Beispiele aus diesem Bundesland: In den drei Thermen des Kurortes Bad Füssing finden Rollstuhlfahrer Hebekräne und Lifter an den Badebecken vor, außerdem gibt es behindertengerechte Kabinen mit Dusche/WC, Lift, Rampen und automatische Türen. Hinzu kommen Sonderregelungen bei den Eintrittspreisen. Niederflurbusse erleichtern die Nutzung der kostenfreien Nahverkehrslinien zwischen den Thermen. Wichtige öffentliche Einrichtungen wie das Kurhaus sind ebenfalls barrierefrei zugänglich und mit induktiven Höranlagen ausgestattet. In der Urlaubsregion Chiemsee-Alpenland kommen Aktivurlauber mit Gehbehinderung auf ihre Kosten: Für Radtouren stehen in verschiedenen Verleihstationen spezielle Sportgeräte bereit, auf den Naturerlebnispfaden von Aschau und Bad Feilnbach geht es barrierefrei auf Moorsafari. Ausflüge auf den Chiemsee – ob per Linienschiff oder Boot – oder auf den Wendelstein sind dank entsprechend ausgestatteter Schiffe und Bergbahnen ebenfalls möglich. Für barrierefreie und preiswerte Übernachtungen stehen in Bayern über 50 Jugendherbergen zur Wahl, die das Zertifikat „Reisen für Alle” tragen.

Ob Rollstuhl oder Kinderwagen: Die barrierefreie Rangertour im Nationalpark Eifel ist gefragt. Foto: Deutsche Bahn AG/H. D. Budde

„Leichter Reisen“

Eine zweite Initiative für barrierefreien Urlaub nennt sich „Leichter Reisen” (www.leichter-reisen.info). Dabei handelt es sich um einen Verbund von zehn Städten und Tourismusregionen, die sich der Entwicklung entsprechender Angebote in besonderem Maße verschrieben haben. Zielgruppe sind nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern z. B. auch Familien, die mit dem Kinderwagen unterwegs sind. Aktuell sind Erfurt, Magdeburg, Rostock, Ostfriesland, die Eifel, die Sächsische Schweiz, die Südliche Weinstraße sowie das Fränkische, Lausitzer und Ruppiner Seenland in der Kooperation vertreten. Die Mitglieder verpflichten sich auf bestimmte Leitlinien, die auf der Website nachzulesen sind, und stellen dort auch ihre barrierearmen oder -freien Urlaubsangebote vor. Interessierte können nach Regionen suchen oder sich thematisch orientieren. Zur Auswahl stehen die Kategorien Natur, Kultur, Wasser, Aktiv, Parks und Gärten, Familien und Kinder sowie Veranstaltungen.

Rollstuhlfahrern wird in Warnemünde der Weg zum Strand geebnet. Foto: Hansestadt Rostock

Einige Beispiele: In Rostocks Seebad Warnemünde ermöglichen es barrierefreie Strandaufgänge mit befahrbaren Wegen zu den Strandkörben und zum Wasser, den Kinderwagen oder Rollstuhl bis an die Ostsee zu schieben. Im Park der Gärten in Bad Zwischenahn gibt es nicht nur barrierefreie Wege, sondern auch ein besonderes Angebot für blinde Menschen: Sie finden in dem ostfriesischen Park einen Tastgarten mit Informationen in Brailleschrift, eine Duftarena, Duftpflanzen und eine Duftorgel. Erfurt lädt zu Stadtführungen in Gebärdensprache und der Nationalpark Eifel zur fünf Kilometer langen barrierefreien Rangertour im Naturerlebnisraum Wilder Kermeter.

Titelfoto: ETMG/B. Neumann