27.08.2021 Thomas Schreiner

Toyota Mirai: Saubere Sache?

Autos mit Brennstoffzelle sind ein seltener Anblick. Knapp 1.300 fahren Mitte 2021 in Deutschland, angetrieben durch Energie, die aus der Reaktion von Wasserstoff mit Luftsauerstoff gewonnen wird. Einziges Abfallprodukt ist destilliertes Wasser. Brennstoffzellen-Pkw fahren damit lokal emissionsfrei wie batterieelektrische Fahrzeuge und bieten zwei wichtige Pluspunkte. Sie müssen nicht langwierig an Steckdosen aufgeladen werden, da die Betankung an einer Zapfsäule in wenigen Minuten erledigt ist. Und sie verheißen Reichweiten, die mit denen von Verbrennern mithalten sollen. Saubere Sache, denkt man sich da. Aber ganz so einfach ist es nicht.


Schöner und günstiger

Einer weiteren Verbreitung der Antriebstechnologie stehen mindestens zwei große Hürden im Weg. Da wäre zum einen das Henne-Ei-Problem der E-Mobilität. Zu den Mantras deren schleppender Umsetzung zählte lange – teils noch immer – die mangelhafte Lade­infrastruktur. Wer Wasserstoff (H2) tanken will, hat es noch schwerer. Magere 92 Stationen weist das Portal https://h2.live bundesweit aus. Zwar erscheint es logistisch leichter, Wasserstoffzapfsäulen statt Strom­ladepunkte zu errichten. Allerdings ist die Investitionsbereitschaft angesichts des ­derzeit geringen Fahrzeugbestands überschaubar.

Mit dem neuen, seit Frühjahr erhältlichen Mirai will Toyota daran etwas ändern. Dass sich die Japaner von der zweiten Generation ihres Brennstoff­zellenfahrzeugs größeren Zuspruch erwarten als bislang, klingt berechtigt. Mit einem Basispreis von 63.900 Euro ist das Modell rund 15.000 Euro günstiger als sein Vorgänger. Billig ist es damit nicht, aber der Mirai steht immerhin auf der Liste der förderfähigen Elektrofahrzeuge. Passé ist zudem die bisher zerklüftete und damit gewöhnungsbedürftige Karosserie. Vor uns erstreckt sich jetzt über knapp fünf Meter eine elegante Schrägheck-­Limousine, die innen jedoch weniger geräumig ist, als die schöne Schale glauben lässt. Vorne schränkt die voluminö­s­e Mittelkonsole die Bewegungsfreiheit ein. Längs durch den Innenraum zieht sich ein massiver Mitteltunnel und die Rückbank ist spürbar höher positioniert als die Vordersitze. Wer hinten einsteigt, muss den Kopf einziehen. Der Kofferraum fasst nur 300 Liter.

Der Grund für die Raumverknappung liegt auf der Hand. Insgesamt 5,6 Kilo Wasserstoff kann der Mirai aufnehmen, die sich auf drei T-förmig angeordnete Tanks im Unterboden verteilen. Ist beim Tanken der Stutzen aufgesetzt und verriegelt, startet und endet der Prozess automatisch. Mit 700 bar Druck wird das wertvolle Gas ins Fahrzeug gepresst. Auch wenn es bei der Abschaltung laut zischt und das angrenzende Generatorhäuschen rattert und zittert, hat alles seine Ordnung. Für die öffentlichen Zapfsäulen ist eine entsprechende Tankkarte nötig, der einheitliche Preis pro Kilo H2 liegt bei 9,50 Euro. Im Durchschnitt ­kamen wir im Alltag auf einen Verbrauch von 1,1 Kilo je 100 Kilometer. Das entspricht 10,45 Euro Treibstoffkosten. Die versprochene theoretische Reichweite von 650 Kilometer lässt sich damit nicht erzielen. Aber 400 Kilometer mit einer Tankung sind machbar. Vor dem Tanken ist der Blick auf die Website https://h2.live oder in die entsprechende App Pflicht. Hier werden die regelmäßigen, meist langwierigen Wartungsarbeiten an den Stationen rechtzeitig angezeigt.  

Luxus mit Handicap

Trotz fast drei Metern Radstand ist der Mirai leicht im Handling. Geschmeidig wie ein batterieelektrisches Auto lässt sich die komfortabel gefederte Limousine bewegen. Im Modus Sport etwas giftiger, im Eco-Modus völlig ausreichend agil. Und das trotz der über zwei Tonnen Leergewicht, die unser Testwagen in der üppig ausgestatteten Top-Variante Advanced (73.900 Euro) auf die Waage brachte. Mit an Bord: umfassende Fahrerassistenz und ein selbstständig agierendes Einparksystem mit abschließender spektakulärer Kamerafahrt rund ums Auto, ­angezeigt im zentralen Display.

Bei all dem Komfort, mit dem der Mirai unterwegs verwöhnt, darf jedoch nicht die zweite Hürde übersehen werden, mit der er als Brennstoffzellenfahrzeug kämpft: die Umweltbilanz. In Wahrheit ist er leider weniger sauber als die kleine Pfütze, die er beim Parken hinterlässt. Wasserstoff ist wenig vorhanden. Sein Wirkungsgrad von der Gewinnung bis zur Umwandlung in Vorwärtsbewegung ist im Vergleich der ­Antriebsenergieträger noch schlecht. Und er wird erst dann sinnvoll, wenn bei der Erzeugung ausschließlich regenerative Energie eingesetzt wird. Einen weiteren Nachteil hat jüngst die Umweltschutzorganisation ICCT ins Spiel gebracht. Ihren Analysen zufolge verursache die Herstellung der Drucktanks aus Carbonfasern und der Brennstoffzelle selbst einen vergleichbar hohen Energiebedarf wie die Produktion eines Akku-Autos. In Sachen Umweltfreundlichkeit bleibt beim Brennstoffzellen-Pkw also noch einiges zu tun. Aber was nicht ist, kann vielleicht noch werden.

Kleine Luke und kleiner Kofferraum, eine Durchlademöglichkeit zum Innenraum gibt es nicht. Fotos: Thomas Schreiner

Daten Toyota Mirai

Motor: Brennstoffzelle mit E-Motor, 134 kW/182 PS, 300 Nm

Antrieb, Getriebe: Heck, Automatik stufenlos

0–100 km/h, Spitze: 9,2 s, 175 km/h

Norm-/Testverbrauch: 0,89 (WLTP)/1,10 kg H2

CO2-Ausstoß Norm/Test: 0 (WLTP)/0 g/km (lokal)

Länge x Breite x Höhe: 4,96 x 1,86/k. A. x 1,47 m

Radstand, Wendekreis: 2,92 m, k. A.

Kofferraum: 300 l

Leergewicht, Zuladung: 2.025 kg, 390 kg

Anhängelast: keine

Stützlast, Dachlast: keine/keine

Tankinhalt: 5,6 kg (3 Tanks)

Typklassen KH/VK/TK: 19/29/25

Grund-, Testwagenpreis: 63.900 Euro, 74.890 Euro

Modell verfügbar ab: 63.900 Euro

Auswahl Basis-Serienausstattung: Sieben Airbags, Aufmerksamkeitsassistent, Fernlichtassistent, adaptiver Tempomat, Notbremsassistent, Frontkollisionswarner mit Fußgängererkennung, aktiver Spurhalteassistent, Rückfahrkamera, LED-Scheinwerfer, 19-Zoll-Leichtmetallräder, JBL-Soundsystem, Navigationssystem, 12,3-Zoll-Touchscreen, Vordersitze elektrisch verstellbar, Sitzheizung vorne, Zwei-Zonen-Klimaanlage, Außenspiegel beheizbar und elektrisch einstellbar

Kategorien