22.09.2021 Bettina Glaser

Mehr Durchblick am Steuer: Wie Brillenträger sicherer durch Herbst und Winter kommen

Die Augen müssen im Straßenverkehr ständig Höchstleistung bringen, bei schwierigen Licht- und Witterungsverhältnissen im Herbst und Winter sind sie noch mehr gefordert. Gerade Brillenträger stellt das immer wieder vor Herausforderungen. Eine Auswahl an Möglichkeiten, was zum besseren Sehen beitragen kann.


Früher als in den vergangenen Monaten geht die Sonne unter. Als es dunkel ist, beginnt es zu regnen. Die Scheinwerfer des Gegenverkehrs verwandeln Fahrbahn und Fahrzeuge in ein Meer aus gleißendem Licht und Spiegelungen. Gerade Brillenträger kennen solche Situationen. Situationen, in denen selbst erfahrene Autofahrer unsicher werden. Und in denen die Autorin gerne das Steuer ihrem nicht Brille tragenden Mann überlässt.

Was kann helfen?
Neben der Beachtung von ein paar Tipps (siehe Kasten unten) hat auch die Wahl der Brille Auswirkungen auf das Seh­ergebnis im Straßenverkehr. „Die Gläser und die Fassung sollten nicht zu klein sein, um eine gute Rundum- und auch Randsicht zu ermöglichen, was für die Wahrnehmung von Objekten oder Hinweisschildern im seitlichen Blickfeld wichtig ist. Schmale Fassungsränder und ebenso schmale Bügel tragen ebenfalls zu einer guten Rundumsicht bei“, sagt Dirk Schäfermeyer, Abteilungsleiter Aus- und Fortbildung beim Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA). Eine entscheidende Rolle spielen die Gläser. Es gibt mittlerweile sogar sogenannte Autofahrergläser von Herstellern wie Zeiss, Essilor, Hoya, Rodenstock und Rupp + Hubrach. „Alle Hersteller versprechen weniger Blendung, mehr Sehschärfe, besseres Kontrastsehen sowie eine (extra breite) Optimierung auf die beim Autofahren genutzten Sehbereiche“, sagt Kerstin Kruschinski, stellvertretende Geschäftsführerin beim Kuratorium Gutes Sehen (KGS).

Mit dem DNEye-Scanner misst Augenoptikermeisterin Luisa Bogner mehr als 7000 Punkte am Auge von Redakteurin Bettina Glaser. Foto: Andreas Hofmann

Extra Anpassung
Ob das klappt? Wir probieren es aus. Bei Optik Henze in Nürnberg misst Augenoptikermeisterin Luisa Bogner mit einem Gerät namens DNEye-Scanner bei unserer Autorin über 7000 Punkte am Auge. Die Ergebnisse dieser biometrischen Messung werden später gemeinsam mit denen eines Standard-Sehtests in die Autofahrergläser „Impression Mono Road 2“ von Rodenstock übertragen. „Das Gerät ist sehr viel genauer als ein Sehtest. Es misst die Sehstärke auf 0,01 Dioptrien statt auf 0,25 Dioptrien genau“, erzählt Bogner. Dadurch werden die Gläser so exakt wie möglich angepasst. Sie erklärt: „Je weniger störende Effekte, desto klarer wird das Bild, wenn man im Auto sitzt. Denn wenn das Licht nicht auf dem Punkt des schärfsten Sehens aufkommt, entsteht Blendung.“ Und genau das soll natürlich vermieden werden. Erfasst wird zum Beispiel auch, wie die Hornhautoberfläche aufgebaut ist. Oder mithilfe von roten Lichtkreisen wie hoch das Pupillenspiel ist. Diese unwillkürliche Anpassung der Pupillenöffnung an die unterschiedlichen Lichtverhältnisse beeinflusst unter anderem, wie stark man sich von Xenon- und LED-Scheinwerfern geblendet fühlt. Das Pupillenspiel der Autorin ist relativ hoch – kein Wunder also, dass für sie Nachtfahrten anstrengend sind. Der hohe Blauanteil der Lichter soll später durch eine leichte Tönung der Gläser reduziert werden, eine Entspiegelung störende Reflexionen vermindern. Die Gläser werden laut Bogner bei Rodenstock sehr präzise gefertigt. So sieht man bis in den Randbereich so scharf wie technisch machbar – ein Vorteil beim schnellen Blickwechsel vom Tacho auf die Straße.

Über am Spiegel installierte Kameras werden Werte berechnet, um die Gläser für die Autofahrerbrille auf Gesicht und Brillen­gestell anzupassen. Foto: Andreas Hofmann

Eine Frage des Preises
Dass ein so hoher Aufwand bei Anpassung und Fertigung seinen Preis hat, dürfte jedem klar sein. In unserem Beispiel kosten die Brillengläser „Impression Mono Road 2“ von Rodenstock mit Entspiegelung und Filtertönung rund 300 Euro mehr als die Gläser mit einer hochwertigen Entspiegelung ohne DNEye-Optimierung (rund 400 Euro). Dafür ist die Autofahrerbrille alltagstauglich, eine zweite Brille unnötig. Die Autorin kam sowohl am Bildschirm, beim Sport als auch in sämtlichen anderen Situationen gut mit der Brille zurecht. Während der mehrwöchigen Testphase hatte sie das Gefühl, tatsächlich schärfer und genauer zu sehen. Das gab ihr im Straßenverkehr ein gutes Gefühl. Auch mit schwierigen Lichtverhältnissen, Lichtern aus dem Gegenverkehr und Spiegelungen bei Regen kam sie etwas besser zurecht – ganz weg waren die Störfaktoren aber nicht.

Wem hilft die Brille?
Für wen sich eine Autofahrerbrille eignet, sei individuell sehr verschieden, da sich manche Brillenträger mehr geblendet fühlten als andere, so KGS-Expertin Kruschinski. „Verkehrssicherheit zählt ab dem ersten Kilometer. Wer also Probleme beim Autofahren hat, sollte über eine individualisierte Autofahrerbrille nachdenken“, rät sie. Bogner sieht darüber hinaus diejenigen als Zielgruppe, die viel mit dem Fahrzeug unterwegs sind wie Pendler oder Außendienstmitarbeiter. Es gibt aber auch Gruppen, denen sie davon abrät: „Zahntechnikern zum Beispiel, bei denen es auf die genaue Unterscheidung von Farben ankommt, denn die Filtertönung kann Farbnuancen etwas verändern.“ Ob eine Autofahrerbrille hilft, können Brillenträger bei einem Termin bei einem Optiker während der Dämmerung oder bei Dunkelheit am besten herausfinden. Wer dann mit Beispielgläsern vor die Tür geht und durch diese in den Straßenverkehr blickt, wird merken, wie sich der Unterschied anfühlt. Schäfermeyer vom ZVA rät gelegentlichen Autofahrern, die sich auch ohne Autofahrerbrille optimiertes Sehen am Steuer wünschen, auf „bestimmte Veredelungen bei den Gläsern der normalen Alltagsbrille zu achten“ – wie etwa Filter, die auch außerhalb des Steuers problemlos getragen werden könnten und in vielen anderen Bereichen ebenfalls die Sicht verbesserten.
Fazit: Es gibt nicht den einen Weg für Brille tragende Autofahrer, im Straßenverkehr gut zurechtzukommen. Eine Autofahrerbrille kann hier in der dunklen Jahreszeit für mehr Entspannung sorgen. Damit sie wirklich etwas bringt, müssen auch weitere Faktoren wie etwa saubere Fensterscheiben gegeben sein.

Tipps für besseres Sehen im Straßenverkehr:

  • Von innen und außen saubere Autoscheiben
  • Geputzte Brillengläser ohne Schlieren und Fett
  • Ersatzbrille dabei haben (zumindest im Reisegepäck)
  • Zum rechten Fahrbahnrand statt zur Lichtquelle schauen, wenn ein Fahrzeug mit Fernlicht oder zu hoch einge­stellten Scheinwerfern entgegenkommt
  • Kontaktlinsen nicht zu lange tragen
  • Ausreichend trinken, um verschleiertem Sehen aufgrund von Flüssigkeitsmangel vorzubeugen
  • Immer wieder bewusst blinzeln
  • Lüftung des Autos nicht direkt auf die Augen richten
  • Scheibenwischer und Wischerblätter regelmäßig ­kontrollieren und ggf. auswechseln

Titelfoto: Bettina Glaser