04.05.2018 Jessica Blank

Fünf Fahrräder auf einen Streich

Der Trend zum Fahrrad bricht nicht ab – dementsprechend groß ist die Auswahl an Modellen auf dem Markt. Die Auto&Reise-Redaktion hat in diesem Jahr fünf Neuheiten getestet. Vom kraftvollen E-Mountainbike bis zum handlichen Faltrad.


Mit dem Haibike SDURO ist der Aufstieg zum Gipfel gar kein Problem mehr. Foto: Reiner Götz

Bergziege

Selten hat  ein Fahrrad so einen spontanen Kaufreiz ausgelöst wie das Haibike SDURO FullLife 6.0 Ladies. Klar, beim Blick aufs Preisschildchen verflüchtigt sich dieser Wunsch erst mal ganz schnell wieder. 3399 Euro sind schließlich keine Peanuts. Da lohnt es sich schon mal, über Dienstradleasing nachzudenken. Für ein E-Mountainbike läuft das SDURO FullLife des Schweinfurter Herstellers allerdings noch als Einstiegsmodell. Echte Sportler geben da weit höhere Summen für ihr E-MTB aus.

Ausgelöst wird der Kaufimpuls unter anderem von der sogenannten Nullkadenz des Yamaha-Motors. Denn dieser unterstützt den Fahrer bereits ab der ersten Kurbelumdrehung. Das zeigt sich besonders beim Anfahren am Berg. Haibike setzt hier – wie mittlerweile im Bereich der E-Mountainbikes üblich – auf einen Mittelmotor. Dieser ermöglicht durch das Zweifach-Kettenblatt eine größere Übersetzungsbandbreite und somit ein noch besseres Verhalten up- und downhill. Begünstigt wird dieses durch das hohe Maximaldrehmoment von 70 Nm. Bis zu 27 km/h schnell fährt das SDURO, dann riegelt der Motor ab. Der langgezogene Rahmen sowie der breite Lenker erinnern an eine Enduro-Maschine. Und tatsächlich greifen viele Motocross-Fahrer auf solche E-Mountainbikes zurück, da sie sich damit geräusch- und emissionsfrei durch die Wälder bewegen können. Dennoch ist im Fall unseres Test­rads alles auf weibliche Fahrer ­ausgerichtet: leicht kürzerer ­Rahmen, niedrige Überstandshöhen und ein leichter Knick im Oberrohr erleichtern das schnelle Auf- und Absteigen. Stoßdämpfer sorgen für extra weiche Federung, die nicht nur im unebenen Gelände, sondern auch auf Kopfsteinpflaster in der Stadt mehr Fahrspaß bringt. Wir träumen also weiter vom eigenen E-MTB…

Das Kalkhoff Endeavour P9 besticht durch sein fein schaltendes Getriebe. Foto: Reiner Götz

Langstreckenläufer

Trekkingfahrräder sind wahre Allroundkünstler und eignen sich sowohl für die Fahrt ins Büro als auch für den Ausflug mit der Familie zum Wochenend-Picknick. Asphaltierte Rad- oder unebene Wanderwege lassen sich mit Trekkingbikes zumeist leicht bewältigen – sie sind nicht umsonst bei Vielfahrern beliebt. Das von uns getestete Kalkhoff Endeavour P9 macht da keine Ausnahme, kann aber vieles noch ein bisschen besser.
Highlight ist die Schaltung. Statt einer üblichen Kettenschaltung besitzt es ein fein abgestuftes Neungang-Getriebe des deutschen Herstellers Pinion. Hakelige Schaltungen sind damit passé. Technisch ähnlich wie bei einem Autogetriebe lassen sich mit dem Pinion-Getriebe die Gänge butterweich und sauber über eine Handschaltung einlegen. Da es sich um ein geschlossenes, wasser- und staubdichtes System handelt, ist es besonders wartungsfreundlich.

Während der Fahrkomfort auf asphaltierten Wegen nichts zu wünschen übrig lässt, muss das Kalkhoff Endeavour P9 auf Schotterpisten Abstriche hinnehmen. Zwar dämpft die gefederte Gabel zahlreiche Stöße auf Handgelenke und Arme ab, bei der Sattelstütze aber verzichtet der Hersteller gänzlich auf komfortsteigernde Eigenschaften. Im wahrsten Sinne des Wortes ein Glanzlicht ist der 180 Lumen starke LED-Frontscheinwerfer. Mit manueller Ein- und Ausschaltfunktion sowie Standlicht ist er eine der stärksten Lampen auf dem Markt und macht die Nacht mit einem angenehm weiten und homogenen Lichtbild geradewegs zum Tag. Letztlich ist das Endeavour P9 mit einem Verkaufspreis von 1999 Euro zwar nicht unbedingt günstig, kann aber mit zahlreichen sinnvollen Extras deutlich bei uns punkten.

Das Stevens E-Molveno eigenet sich trotz Tiefeinstiegs auch für Männer. Foto: Reiner Götz

Stromanbieter

Wäre nicht der 400 Wattstunden starke Akku am Alurahmen, das E-Molveno des deutschen Herstellers Stevens könnte als normales Tourenrad durchgehen. Ist es aber nicht. Denn der 250-Watt-Mittelmotor von Bosch sorgt für elektrische Unterstützung bis maximal 25 km/h. Somit fährt das­ E-Molveno in der Liga der zulassungsfreien Pedelecs. Unseren Test fuhren wir auf der Rahmenform Lady, die aber durchaus auch Männern als sportliches Rad gut zu Gesicht steht. Daneben gibt es noch das Modell mit waagerechtem Oberrohr sowie einen Tiefeinsteiger mit Gepäckträger-Akku. Die breite Auswahl an Rahmen und Rahmengrößen, in Verbindung mit dem bis zu 90 Grad verstellbaren Vorbau macht es leicht, eine bequeme Sitzposition auf dem E-Molveno zu finden. Der Sattel ist langstreckentauglich.

Stevens hat sich bei diesem Einsteiger-Pedelec für eine leichtgängige Kettenschaltung entschieden. Die neun Gänge bieten eine passende Spreizung für den Alltag und überschaubare Touren. Zumal die vier differenzierten Fahr-Modi Eco, Tour, Sport und Turbo für jede Situation fein dosierbare elektrische Unterstützung bei reduziertem Einsatz von Muskelkraft anbieten. Apropos Muskelkraft. Bei ausgeschaltetem Motor lässt sich das E-Molveno ganz klassisch pedalierend bewegen. Seine zusätzlichen Kilo fallen dabei kaum ins Gewicht.

Das Birdy von Riese & Müller ist handlich und fährt sich trotzdme komfortabel. Foto: Thomas Schreiner

Vogelbeobachter

Im gehobenen Preissegment der Falträder ist das Birdy city aus dem Hause Riese & Müller die Alternative zum Brompton-Klassiker aus London. Unser ­Testrad in Cyan mit Lime-farbenen Akzenten erinnert optisch an einen Kanarienvogel und fährt flink und wendig wie eine kleine Blaumeise. Und das sowohl in der Stadt wie auch auf holprigen Schotterwegen. Mit der leichtgängigen Shimano Nexus Achtgang-Nabenschaltung lässt sich mühelos Tempo aufnehmen und dank Freilauf locker des Weges rollen. Und im Notfall packen die hydraulischen Deore-Scheibenbremsen kräftig zu.

Auch wenn man es auf den ersten Blick vermuten würde: Wirklich anstrengend ist es nicht, auf dem Birdy Meter zu machen. Dank kleiner Feder- und Pufferelemente lassen sich sogar längere Touren problemlos durchhalten, wenn auch der Fahrkomfort durch die zunächst ungewohnte Ergonomie etwas getrübt ist. Auf der eigenwilligen Rahmenkonstruktion mit bulligem Mittelstück sitzt man recht weit nach vorne gebeugt. Über Stock und Stein ist auf das Hinterrad zu achten, um nicht irgendwo hängen zu bleiben. Durch die 18 Zoll kleinen Räder kommt das Schaltwerk tief nach unten, dicht über den Boden. Das Zusammenfalten jedoch klappt wenig intuitiv und erfordert Übung. Nicht einfach, das Birdy auf die Schnelle klein zu machen, um gerade noch in Bus oder U-Bahn zu huschen. Außerdem macht sich das Rad auch gefaltet noch recht breit, was es schwerer macht, es ohne schmutzig zu werden in der Hand zu tragen. Bringt man aber etwas Zeit mit, etwa in Park&Ride-Situationen oder auf Ausflügen und Städtereisen mit dem Auto oder Wohnmobil, ist das Birdy city ein prima Begleiter.

Mit dem Jade von Winora wird man in der Stadt zum Hingucker. Foto: Reiner Götz

Stadtbummler

Aufsteigen, lostreten – und sofort das Gefühl haben, das Fahrrad gehört zu dir. So ging es uns mit dem City-Damenrad Jade von Winora im Retro-Style. Es ist für den täglichen Einsatz in der Stadt sowie für kürzere Radtouren sehr gut gerüstet. Durch die funktionelle Technik und aufrechte Sitzposition ist sicherer und komfortabler Fahrspaß garantiert. Bei der Alltagstauglichkeit im Stadtverkehr und beim Einkaufen hat sich das Winora Jade durch seinen Alurahmen mit einem für Retrobikes leichten Gewicht von 16,4 kg und seiner guten Wendigkeit bestens bewährt. Pluspunkte konnte das Fahrrad mit seiner leicht bedienbaren Siebengang-Drehschaltung Shimano Nexus und seinen drei Bremsen – zwei Bremshebel am Lenker plus Rücktrittbremse –, die sich auf regennassem Asphalt als besonders praktisch erwiesen haben, sammeln.

Nicht zu vergessen sind der sichere Stand dank des AtranVelo-Moove-Double-Ständers und die Feststellung des Citylenkers, die verhindert, dass die Kabel der Bremsen beim Abstellen ständig geknickt werden. Optisch fällt das Fahrrad mit seinem – nicht ganz passend zum Namen – opalgrünen Mattlack auf. Allerdings sind die weißen Fat-Frank-Reifen mit Reflexstreifen und braunem Profil von Schwalbe ziemlich schmutzanfällig. Vermisst haben wir bei einem so schönen Fahrrad eine große Klingel im Retro-Look. Überzeugt hat uns das Gesamtpaket des angesagten Citybikes. Denn auch der Preis liegt völlig im normalen Rahmen für diese Kategorie: 649 Euro sind echt ein Wort.

Das Getriebe des Kalkhoff Endeavour P9 schaltet sehr sanft. Foto: Reiner Götz
Das Stevens E-Molveno wird von einem Bosch-Motor unterstützt. Der Akku hat eine Leistung von 400 Wh. Foto: Reiner Götz
Das Birdy von Riese & Müller lässt sich handlich zusammenfalten. Foto: Thomas Schreiner

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