26.03.2021 Jessica Blank

Fahrbahnmarkierungen sind mehr als nur Farbe

Ob Zebrastreifen, Leitlinien, Pfeile oder schraffierte ­Flächen – Fahrbahnmarkierungen begegnen uns im Straßenverkehr ständig. Doch woraus bestehen diese Linien und Symbole eigentlich? Und welche Auswirkungen haben ab­genutzte Markierungen? Klar ist, das Thema ist komplexer, als man vermuten mag.


Sie ordnen den Verkehr, geben Grenzen und Regeln vor: Fahrbahnmarkierungen. Deswegen gelten die Linien, Pfeile und Symbole auf der Fahrbahndecke laut Straßenverkehrsordnung (StVO) auch als Verkehrszeichen. Umso wichtiger, dass sie genauso intakt und lesbar sind wie Verkehrsschilder.

Je nach Zweck und Ort wird die Zusammensetzung der Markierungen angepasst. „Der Markierer spricht nicht von der Farbe, sondern vom Markierungsstoff oder Material“, erklärt Dr. Jan Ritter, der bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) im Referat Straßenausstattung tätig ist. Als Markierungsstoffe für nicht vorgefertigte Markierungen kommen lösemittelhaltige Farben, Dispersionen sowie reaktive und thermoplastische Stoffe zum Einsatz. Ergänzt wird das mehrkomponentige System in einem zweiten Schritt durch Nachstreumittel wie Glasperlen und Griffigkeitsmittel, die in die Grundmasse eingebettet werden. „Bei Tag sind Markierungen schon alleine durch den weißen Markierungsstoff zu erkennen. Bei Nacht nutzen wir das Prinzip, das es auch bei Katzenaugen oder Verkehrsschildern gibt: Retroreflektion“, sagt der Bauingenieur. Dadurch wird ein Teil des Scheinwerferlichts wieder zum Fahrer zurückgeworfen. Griffigkeitsmittel sind scharfkantige Materialien, die für motorisierte Zweiradfahrer und Radfahrer in die Oberfläche der Markierungen eingebracht sind, damit diese nicht rutschig werden.

Einsatz von Folien

Auch in vorgefertigten Markierungen sind sie enthalten. Diese bestehen unter anderem aus Folien, die bereits im Werk mit den Nachstreumitteln versehen und direkt auf die Fahrbahn geklebt werden. Sie kommen häufig in gelber Farbe in Arbeitsbereichen vor. Dafür ist ein Gewebe eingearbeitet, um die Folie wieder vom Asphalt abziehen zu können.

Ansonsten sind Markierungsfolien für den dauerhaften Einsatz gedacht. Sie sind erheblich teurer und haben eine höhere Nutzungsdauer als nicht vorgefertigte Systeme. „Deshalb können Folien eingesetzt werden, wo wir eine sehr hohe Verkehrsbelastung haben“, erläutert Dr. Ritter. Auch bei nicht vorgefertigten Systemen entscheidet sich je nach Beanspruchung, ob gespritzte, dünnschichtige Farben oder reaktive beziehungsweise thermoplastische Stoffe verwendet werden.

Zudem gibt es Unterschiede in der Struktur. Während herkömmliche Markierungen vollflächig aufgebracht sind, weisen sogenannte Agglomerat-Markierungen eine regelmäßige oder unregelmäßige Struktur auf und werden nicht in der Vollschicht aufgetragen. „Dadurch entsteht eine Drainagefähigkeit, da die erhöhten Elemente aus dem Wasserfilm herausragen”, sagt Dr. Ritter.  So würden Agglomerat-Markierungen über eine erhöhte Nachtsichtbarkeit bei Nässe verfügen. Der unerwünschte Effekt sei eine erhöhte Geräuschemission, weswegen diese Markierungen nicht in der Nähe von Wohnbebauung eingesetzt würden. Auf der Autobahn seien sie häufig zu finden.

Starke Beanspruchung

Verkehrsbelastung, Witterung, Winterdienst, UV-Strahlung – Fahrbahnmarkierungen sind vielen Einflüssen ausgesetzt. „Es ist normal, dass sie verschleißen“, erklärt der Experte. Feste Auffrischungsintervalle gebe es nicht, aber Empfehlungen: Wenn die Mindestanforderungen an die verkehrstechnischen Eigenschaften wie Tages- und Nachtsichtbarkeit oder Griffigkeit um 20 Prozent unterschritten sind, sollte die Markierung erneuert werden. „Man orientiert sich an der Performance, wie das System funktioniert, wie gut es sichtbar ist. Je nachdem, wo die Markierung sitzt, kann der Verschleiß ganz unterschiedlich sein.“ Bei Verkehrsschauen wird die Erkennbarkeit von Verkehrszeichen überprüft, oder zum Beispiel bei Streckenkontrollen der Autobahnmeisterei. Um einen Mindeststandard der verwendeten Produkte zu gewährleisten, führt die BASt Eignungsprüfungen auf einer Rundlaufprüfanlage durch.

In welchem Maße schlecht sichtbare Markierungen die Ursache von Unfällen sind, lässt sich nicht so leicht ermitteln, da es oft mehrere Einflussfaktoren gibt. Was die BASt allerdings erforscht, ist das Fahrverhalten im Zusammenhang mit Markierungen. Wie verändern sich Spurtreue, Geschwindigkeit oder Spurverhalten bei mehr oder weniger gut sichtbaren Markierungen? Daraus lassen sich Rückschlüsse auf den Einfluss der Markierung auf die Verkehrssicherheit ziehen. Aktuell hat die BASt ein Forschungsprojekt über die Wirkung von Fahrbahnmarkierungen auf sicherheitsrelevante Verhaltensweisen vergeben.

Auch für kamerabasierte Fahrerassistenzsysteme wie Spurhalte- oder Spurwechselassistent sind gut sichtbare Linien mit ausreichend Kontrast zur Straßenoberfläche essenziell. „Von daher ist naheliegend, dass eine sehr stark verschlissene Markierung wie vom Menschen auch von der Kamera nicht mehr erkannt werden kann“, meint Dr. Ritter. Blickt man in die Zukunft Richtung automatisiertes oder fahrerloses Fahren, wird dieses Thema noch wichtiger. „Unsere Anforderungen, die wir im Regelwerk haben, sind alle am Menschen ausgerichtet.“ Um herauszufinden, welche Merkmale und Mindestqualitäten für das maschinelle Erkennen von Markierungen relevant sind, hat die BASt eine neue externe Studie in Auftrag gegeben. Es bleibt also weiter spannend – und auch komplex.

Titelfoto: stock.adobe.com/ Martina Berg 


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