21.09.2021 Wolfgang Sievernich

Autokauf bei EU-Neuwagen: Der Preis ist heiß

Wer den Kauf eines EU-Neuwagens ins Auge fasst, kann je nach Modell schnell ein paar Tausender gegenüber einer Version für den deutschen Markt sparen. Interessenten sollten aber auf eine gleichwertige Ausstattung, Garantie, den Sitz des Verkäufers, Zahlungsmodalitäten und Vertragsdetails achten.


Im Jahr 2020 wurden laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Deutschland 2,9 Millionen Neuwagen zugelassen, vier Prozent davon entfallen der Deutsche Automobil Treuhand GmbH (DAT) zufolge auf EU-Neuwagen. Dabei handelt es sich um Fahrzeuge, die für andere europäische Märkte produziert, aber in Deutschland verkauft wurden. Beim Blick auf Online-Marktplätze finden sich EU-Neuwagenangebote, die oft ein paar Tausender unter den Listenpreisen vergleichbarer deutscher Modelle liegen. Wie kommt das?

Im EU-Ausland werden Neuwagen meist höher besteuert als in Deutschland. So fällt etwa in Dänemark zusätzlich zur Mehrwertsteuer (25 Prozent) auf Verbrenner eine Zulassungssteuer an, die kaufpreisabhängig zwischen 25 und 150 Prozent betragen kann. Je nach EU-Land verteuern die Steuerlasten den Kaufpreis für inländische Verbraucher teilweise erheblich. Aus dem Grund reduzieren viele Autohersteller die Nettopreise ihrer Modelle. Da nach EU-Recht ein innerhalb der EU erworbenes Fahrzeug nur dort steuerpflichtig ist, wo es vom Käufer zugelassen wurde, können deutsche Verbraucher beim Kauf je nach Land kräftig sparen.

Während die deutsche Mehrwertsteuer (19 Prozent) beim deutschen Händler oder Vermittler meist eingepreist ist, muss sie bei privaten Reimporten auf Basis der Kaufrechnung an das Finanzamt nachgezahlt werden. Um das Fahrzeug aus dem EU-Ausland selbst nach Deutschland zu transportieren, kann es entweder auf einem Anhänger oder auf eigener Achse importiert werden. Problematisch: Das deutsche Kurzzeitkennzeichen akzeptieren nicht alle EU-Staaten, zudem benötigt der Käufer zur Zulassung die originalen Fahrzeugpapiere vom Verkäufer.

Während die Basis-Ausstattung in der EU identisch ist, gibt es Unterschiede bei Ausstattungspaketen und Modellbezeichnungen. In Skandinavien ist oft eine Sitzheizung Serie, in südlichen Ländern eine Klimaanlage.„Andere Farben und Ausstattungsvarianten bieten deutschen Kunden meist eine größere Flexibilität bei der Bestellung“, sagt auch Dr. Thomas Herzig, Inhaber des Berliner EU-Neuwagen-Vermittlers Eurobil. Aufgepasst: Während die Herstellergarantie europaweit gilt, orientiert sich die Sachmängelhaftung aber am Sitz des Verkäufers. Sitzt der im Ausland, muss der Käufer im Zweifelsfall mit seinem Fahrzeug auch dorthin.


Worauf Käufer bei EU-Neuwagen achten sollten

Preissituation

Nicht alle Modelle sind im EU-Ausland günstiger als in Deutschland. Hochwertige Premiumfahrzeuge oder SUV werden überall in Europa teuer angeboten, da vermögende inländische Käufer bereit sind, die Summen für diese Modelle zu bezahlen. Preiswerter zu haben sind dagegen in der Regel Verbrenner-Modelle der Kleinwagen-, Kompakt- und Mittelklasse. Elektrofahrzeuge werden dagegen meist steuerlich gefördert. Es lohnt sich, die Mehrwertsteuersätze der EU-Länder zu vergleichen. Für Käufer interessant sind Dänemark, die Niederlande, Griechenland, Spanien, Portugal, Finnland und Belgien.

Mehrwertsteuer/Kfz-Steuer

Beim Autokauf im EU-Ausland zahlen Käufer die Mehrwertsteuer nicht dort, wo sie den Wagen kaufen, sondern wo er zugelassen wird. Bezahlt der Käufer einen Wagen im Ausland zum Nettopreis, muss er nach dem Kauf in Deutschland innerhalb von zehn Tagen eine separate Umsatzsteuererklärung beim Finanzamt einreichen und die deutsche Mehrwertsteuer (19 Prozent) zahlen. Im gleichen Zeitraum ist auch die Kfz-Steuer fällig. Achtung: Manche Händler weigern sich, einen Pkw ohne Mehrwertsteuer an eine Privatperson zu verkaufen. Käufer sollten sich vom Händler schriftlich zusichern lassen, dass dieser die Mehrwertsteuer gegen Zusendung eines Exportnachweises wieder erstattet.

Ausstattung

Während die Basisausstattung europaweit identisch ist, gilt es auf Unterschiede bei der Sonderausstattung zu achten. Die Modellbezeichnung lässt keinen zuverlässigen Rückschluss auf die Ausstattung zu. Käufer sollten Prospekte und Preislisten deutscher Modelle mit dem angebotenen EU-Neuwagen vergleichen. Die Ausstattung der Modelle orientiert sich an den Ansprüchen und der Kaufkraft des jeweiligen Landes. Nicht in allen Ländern aber gehören bestimmte Sicherheitssysteme zum Standard. Beim späteren Verkauf kann sich das auf den Preis und die Attraktivität des Modells auswirken.

Zahlung

Obwohl rechtlich nicht untersagt, sollten Käufer keine Anzahlung leisten, weder für den Wagen noch den Versand der Fahrzeugpapiere. Sollte ein Verkäufer zahlungsunfähig werden, bevor der Pkw übergeben wurde, stehen die Chancen schlecht, die Anzahlung zurückzubekommen. Beim Kauf in Deutschland bieten sich der Barkauf (nach Absprache), Zahlung per bestätigtem Bundesbank-Scheck oder die vorherige Überweisung an.

Vertrag

Im Kaufvertrag sollten Preis, Übergabe- beziehungsweise Liefertermin, Ausstattungsdetails sowie Überführungs- und Bereitstellungskosten schriftlich vermerkt sein. Außerdem, dass es sich um ein Neufahrzeug handelt. Für den Vertrag gelten die AGB des Verkäufers und das Recht des Kauflandes. Achtung: Beim Fernabsatzvertrag und Vertrag vor Ort (ausländischer Verkäufer) gelten je nach EU-Land meist unterschiedliche Widerrufsrechte.

Neuwagen/Garantie

Ein Fahrzeug gilt als neu, wenn es maximal sechs Monate alt ist oder bis zu 6000 Kilometer zurückgelegt hat. Die Hersteller-Garantie gilt EU-weit in allen Werkstätten (Original-Ersatzteile verpflichtend), wenn im Serviceheft Fahrgestellnummer, Auslieferungsdatum und Stempel des ausliefernden Händlers vermerkt sind. Achtung: EU-Neufahrzeuge können für einen Tag zugelassen werden, die Herstellergarantie beginnt an diesem Tag und nicht erst bei Übergabe.

Sachmängelhaftung

Besteht ein Mangel am gekauften Pkw, muss der Käufer seine Rechte auf Mängelbeseitigung beim Verkäufer geltend machen. Handelt es sich bei diesem um einen ausländischen Vertragshändler, gilt das Kaufrecht des jeweiligen Landes. Zur Inaugenscheinnahme muss der Pkw zum Verkäufer gebracht werden, Entfernung und Sprachbarrieren sind zu beachten. In der Regel werden freiwillige Kulanzanträge bei reimportierten Pkw von vielen Herstellern abgelehnt.

Vermittler vs. Händler

Häufig vermittelt ein deutscher Händler nur den Verkauf eines EU-Neuwagens. Das bedeutet, dass dieser nicht der Eigentümer des Wunschfahrzeugs ist, sondern der ausländische Vertragspartner (siehe Sachmängelhaftung). Verkauft ein deutscher Händler einen EU-Neuwagen in eigenem Namen, ist er Verkäufer und Eigentümer zugleich. Mängel am gekauften Pkw können bei der Sachmängelhaftung nach deutschem Recht innerhalb von zwei Jahren nach Übergabe des Fahrzeugs beim Händler geltend gemacht werden.

Zulassung

Beim Kauf eines EU-Neuwagens von einem deutschen Händler muss dieser dem Käufer die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II übergeben. Will der Käufer den Wagen selbst zulassen, benötigt er Fahrzeugpapiere und Kaufrechnung im Original, da die deutschen Zulassungsbehörden keine Kopien akzeptieren. Zudem ist eine EG-Übereinstimmungsbescheinigung (Certificate of Conformity, kurz CoC) wichtig, die dem genehmigten Fahrzeugtyp beizufügen ist. In dem Dokument sind die technischen Details und Merkmale des Pkw beschrieben. Fehlen die CoC-Papiere, können sie vom Käufer auch beim Autohersteller angefordert werden.

Privater Eigenimport

Privatleute können EU-Neuwagen auch selbst im Ausland kaufen und nach Deutschland importieren, falls der ausländische Händler dazu bereit ist. Vor Unterzeichnung des Vertrags sollten Käufer diesen in Ruhe durchlesen, sich eventuell übersetzen lassen oder jemanden mitnehmen, der die Landessprache versteht. Neben den für die Zulassung notwendigen Dokumenten benötigt der Käufer Garantieunterlagen wie Garantiekarte, das originale Serviceheft mit Stempel des Verkäufers, Auslieferungsdatum und Fahrgestellnummer des gekauften Pkw.

 

Titelfoto: stock.adobe.com/© tong2530 


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