23.04.2021 Jessica Blank

Ergonomie auf dem Velo

Rückenprobleme, taube Hände, Sitzschmerzen – das sind typische Leiden von vielen Fahrradfahrern. Dabei kann man mit ein paar wenigen Handgriffen jedes Velo ergonomischer machen. Wir erklären die wichtigsten Einstellungen und wie man das optimal passende Rad findet.


Werden diese sechs Parameter individuell eingestellt, kann der Radler ergonomischer fahren. Foto: AGR e. V.

Für jeden das passende Rad

Der Weg zu schmerzfreiem Radfahren beginnt mit dem Kauf des ­passenden Fahrrads. Dabei steht eine gute Beratung beim Fachhändler im Mittelpunkt. Der Verkäufer sollte mit seinem Kunden zuerst ein paar ­Fragen klären: Für welchen Zweck soll das Rad genutzt werden? Auf welchen Untergründen will man fahren? Welche Strecken und Geschwindig­keiten sind geplant? In welcher körperlichen Verfassung befindet sich der Kunde? „So findet der Verkäufer das ideale Fahrrad für seinen Kunden. Man kann nämlich nicht per se sagen, das ist das eine Fahrrad, das für alle Kunden die beste Lösung darstellt“, erklärt Detlef Detjen, Geschäftsführer des Vereins Aktion Gesunder Rücken (AGR) e. V. Entscheidend sei zudem, welche Haltung man auf dem Rad ein­nehmen wolle. „Auch die Frage nach dem Fahrradgewicht ist wichtig. Muss ich das Fahrrad häufig in den Keller tragen oder auf den Fahrradträger heben?“, sagt der Experte für Rücken­gesundheit. Ist das optimale Rad gefunden, geht es an die Feinjustierung. Bei einem guten Velo ­können sechs verschiedene Parameter individuell eingestellt werden: Sitzhöhe, Sattelposition und -neigung, Lenkerhöhe und -neigung sowie Sitzlänge (s. Infokasten). Wer sein perfektes Fahrrad schon zu Hause hat und die Einstellungen selbst überprüfen möchte, kann dies mit einer sogenannten Fitting Box tun, die alle Einstellhilfen enthält.

Mit einer Wasserwaage lässt sich der Sattel ausrichten. Foto: pd-f.de/Arne Bischoff

Sitzschmerzen reduzieren

Der Fahrradsattel ist für viele eine echte Problemzone. Passt dieser Verbindungspunkt zwischen Radler und Rad nicht optimal, kann das Fahrvergnügen auch auf kurzen Strecken schnell getrübt sein. Sättel sollten in ihrer Ausführung unbedingt auf das Geschlecht zugeschnitten sein. „Wo ich unterstütze, wo ich entlaste, ist bei Mann und Frau doch etwas anders“, erklärt Detlef Detjen. Die Druckentlastung soll hier im Damm- und Genitalbereich stattfinden. „Das Ganze muss vom Material und vom Aufbau her so gestaltet werden, dass ich eine optimale Druckverteilung hinbekomme.“ Wichtig sei auch die Unterstützung des dynamischen Sitzens. Das heißt: Der Sattel sollte bei den Tretbewegungen nicht starr sein, sondern ­etwas mitgehen. Als Grundeinstellung empfiehlt sich eine waagerechte Position. Um den Druck gleichmäßig zu verteilen, kann es helfen, die Sattelspitze minimal nach oben anzuheben oder nach unten abzusenken. „Sattel ist echt Beratungssache. Es gibt nicht den Sattel, der für alle 100 Prozent das Optimum darstellt“, sagt Detjen. Aber: „Ein guter Sattel ist fürs Wohlfühlen natürlich elementar.“

Rückenprobleme mildern

„Typische Probleme sind Rückenschmerzen, die dadurch entstehen, dass durch das Radfahren Stöße auf die Wirbelsäule stattfinden“, sagt Detlef Detjen. Um diese zu minimieren, lohnt es sich, auf Dämpfung zu setzen. Entweder über spezielle Reifen, eine gute Sattelstütze oder den „Königsweg: eine Vollfederung, die vorne und hinten ­abgestimmt auf das Körpergewicht diese Stöße reduziert“, meint der AGR-Geschäftsführer. Mit diesen Maßnahmen könne man die Stöße auf unebenen Straßen abpuffern. Ein weiterer Grund für Rückenschmerzen sei aber auch die einseitige, sitzende Haltung, die man beim Radfahren einnehme, erläutert Prof. Dr. Ingo Froböse, Ergonomieexperte an der Sporthochschule Köln. „Die sitzende Haltung ist zunächst nicht das Problem, sondern der fehlende Ausgleich. ­Verbringen wir mehrere Stunden in einer Position, benötigen wir ­einen Ausgleich wie Krafttraining oder Gymnastik“, erklärt er. Dann sei schmerzfreies Radfahren definitiv möglich.

Ergonomische Griffe ermöglichen eine natürlichere Handhaltung und sorgen somit für Entlastung der Problemzonen. Foto: www.ergonbike.com/pd-f

Handgelenke entlasten

Taubheitsgefühle in den Fingern und Händen zählen ebenfalls zu den Hauptproblemen von Radfahrern. Der Grund: Je nach Sitzposition nehmen die Handballen viel Gewicht des Ober­körpers auf. Hinzu kommen häufig abgeknickte oder überstreckte Handgelenke. Durch die dauerhafte Kompression der Blutgefäße und Nervenbahnen sowie die Fehlstellung kann es zu tauben ­Fingern und Händen oder sogar Verspannungen der Arme sowie im Schulter- und Nackenbereich kommen. Dagegen hilfreich sind ­anatomisch geformte Griffe, die eine größere Kontaktfläche bieten und so eine physiologisch optimierte Handhaltung ermöglichen. Unerlässlich ist dabei zudem die passende Griffgröße zur Handgröße. Auch der Lenker muss richtig in Höhe und Neigung positioniert werden. „Generell haben wir das magische Dreieck auf dem Fahrrad: Sattel, Lenker/Griffe und Pedale. Das muss in einem vernünftigen Verhältnis zueinander eingestellt werden“, erklärt Detjen. Außerdem sei es wünschenswert, wenn man an einem Lenker auch mal eine andere Haltung einnehmen könne. Realisiert werden kann dies durch vertikale Griffverlängerungen, ­sogenannte Barends oder Hörnchen. Unerlässlich ist aber, dass weiterhin ein präzises Brems-, Lenk- und Schaltverhalten möglich ist.

Weitere Tipps und Infos:

  • Tipps zur richtigen Einstellung: www.agr-ev.de/fahrraeder
  • Fitting Box je nach Radmodell: www.ergonbike.com
  • Manche Schmerzen können auch mit Einlegesohlen in den Schuhen gelindert werden, z. B. von Ergon.
  • Wer trotz aller ergonomischen Einstellungen nicht auf dem Rad sitzen kann, könnte einen Streetstepper ausprobieren: www.streetstepper.com

Titelfoto: www.ergonbike.com/pd-f


Kategorien