23.08.2022 Wolfgang Sievernich

Elektromobilität: Optimal laden und fahren

Obwohl Elektrofahrzeuge bei Autofahrern immer beliebter werden, bestehen rund um die Themen Laden, Haltbarkeit von Akkus, Reparatur und Austausch, Fahrstil sowie Herstellergarantien noch einige offene Fragen. Zusammen mit einem DEKRA-Experten haben wir uns auf die Suche nach den Antworten begeben.


Hätten Sie gewusst, dass die automobile Geschichte nicht 1886 mit dem benzinbetriebenen Patent-Motorwagen von Carl Benz, sondern schon in den 1830er-Jahren mit einem elektrisch betriebenen Fahrzeug des Schotten Robert Anderson beginnt? Der Verbrennungsmotor setzte sich in der Folge durch, nicht zuletzt, weil E-Autos schwerer und teurer als Verbrenner waren und für das Aufladen der Batterien stationäre Generatoren benötigt wurden, was das E-Auto unattraktiv machte. Während wir heute alles über Verbrenner wissen, sind die Langzeiterfahrungen mit Elektroautos begrenzt. Dennoch gibt es Erkenntnisse, die sich Autofahrer für den langfristigen Betrieb zunutze machen können.
 

Automatische Alterung

Eines der wichtigsten Themen, das nicht nur Gebrauchtwagenkäufer bewegt, ist die Alterung von Fahrzeugakkus. In Elektroautos kommen meist Lithium-Ionen-Akkus zum Einsatz, die sich durch kompakte Bauform und hohe Energiedichte auszeichnen. Dennoch verlieren sie im Laufe der Zeit automatisch an Kapazität. Daran ist ein chemischer Prozess schuld, da die Lithium-Ionen beim Laden und Entladen durch eine Elektroden-Gitterstruktur wandern und diese dabei stetig in Mitleidenschaft ziehen. „Je mehr Strom fließt, desto stärker werden die Strukturen geschädigt, sodass die Energiespeicherung im Laufe der Zeit abnimmt. Diesen Prozess nehmen wir als Alterung wahr“, erklärt Andreas Richter, bei DEKRA verantwortlich für Forschung und Entwicklung der Elektromobilität.

Eine Studie der Universität Eindhoven kommt zu dem Schluss, dass moderne Fahrzeugakkus Laufzeiten von mehr als 500.000 Kilometern erreichen könnten und damit deutlich länger halten müssten, als es bislang ältere Studien prognostizierten. Das Problem: Noch fehlt es an repräsentativen und überprüfbaren Langzeitstudien, da die meisten E-Fahrzeuge im Bestand noch jüngeren Datums sind. Ebenfalls unbeantwortet ist die Frage, inwiefern bei Elektrofahrzeugen bidirektionale Ladevorgänge, also der Energierückfluss vom Akku zur Wallbox ins Heimnetzwerk, eventuell negative Einflüsse auf die Lebensdauer des Fahrzeugakkus haben könnten.

Entscheidende Auswirkungen auf die Lebensdauer haben Autofahrer aber mit der Art des Ladevorgangs selbst. Ständiges Schnellladen ist für den Akku schädlich, da die Zellen dabei rapide aufheizen und stark beansprucht werden. Akkuschonend ist hingegen langsames Laden an der Wallbox oder öffentlichen Ladestation. Jedoch sollte der Akku weder tiefenentleert (0 Prozent) noch voll aufgeladen (100 Prozent) werden. Durch extreme Ladestände werden die Zellen stark strapaziert, was die Lebensdauer verringert. Andreas Richter empfiehlt deshalb, den Akkustand am besten zwischen 40 und 80 Prozent zu halten. Bei vielen Fahrzeugen lässt sich die maximal zu ladende Strommenge im Lademanager konfigurieren. Nur wer eine längere Strecke fahren will, sollte auf 100 Prozent vollladen.

Der früher gefürchtete Memory-Effekt, bei dem häufige Teilentladungen die Kapazität reduzieren, tritt bei Lithium-Ionen-Akkus im Großen und Ganzen nicht auf. Forscher des Schweizer Paul-Scherrer-Instituts wiesen zwar einen minimalen Effekt nach, der aber durch Batteriemanagement-Systeme verhindert wird.

 

Jeder Fahrzeugakku verliert im Laufe seines Betriebs an Kapazität – ganz automatisch. Foto: BMW
Ständiges Schnellladen ist für den Antriebsakku eines E-Autos schädlich. Foto: Volkswagen

Batterie kühlen

Wer häufig viele Kilometer abspult, sollte beim Autokauf auf Modelle mit Batteriekühlung achten. Damit E-Autos mit hohem Wirkungsgrad betrieben werden können, ist es notwendig, die Temperatur von Elektromotor, Leistungselektronik und Akkus in einem Temperaturbereich zwischen 15 und 35 Grad Celsius zu halten. Schnellladen und hohe Autobahngeschwindigkeiten treiben die Temperaturen jedoch in die Höhe. „Dadurch kann der Akku leicht bis zu 50 Grad Celsius erreichen“, sagt Richter.

Zum Schutz des Akkus limitieren Hersteller bei Pkw ohne Batteriekühlung weitere Schnellladevorgänge, sodass der Nutzer in der Folge nur noch langsam Strom nachladen kann. Auch wenn Schnellladevorgänge bei E-Autos mit Batteriekühlung möglich sind, bedeutet das im Umkehrschluss aber nicht, dass diese keine negativen Auswirkungen auf das Altern des Akkus hätten.

Der größte Stromfresser eines Elektroautos nach dem Antrieb ist die Heizung. Wer die Reichweite im Winter optimieren will, sollte möglichst in einer Garage parken oder vor dem Start mit Strom aus der Wallbox vorheizen, um die Reichweite des Akkus nicht zu verringern. Manche E-Autos bieten auch die Option, Teilbereiche des Innenraums zu erwärmen.

Wer sein E-Auto über eine längere Zeit ungenutzt stehen lässt, wie während einer Urlaubsreise, muss sich um Stromverluste keine Sorgen machen. „Die Selbstentladung des Hochvoltakkus ist unglaublich gering“, sagt Richter. Dennoch sollten Nutzer die Energiereserve im Auge behalten, wenn während der Abwesenheit Funktionen wie der Wächter-Modus von Tesla die Umgebung rund um den eigenen Pkw mit Kameras filmt. Solche Nebenverbraucher speisen sich zwar aus der 12-Volt-Fahrzeugbatterie, die ihren Strom aber aus dem Hochvoltakku erhält und diesen mit der Zeit leer saugt. Autofahrer sollten ihren Pkw bei längerer Abwesenheit unter diesen Umständen mit möglichst vollem Akku abstellen oder Verbraucher vorher ausschalten.

Wem unterwegs die Energie droht auszugehen, wird frühzeitig visuell und akustisch darauf hingewiesen. Kurz vor knapp reduziert ein Notlaufmodus zudem die Leistung. Fahrzeugbeleuchtung oder Klimaanlage sollten Autofahrer zum Stromsparen aber nicht ausschalten, da die Funktionen nur wenig Strom benötigen und ihre Energie ebenfalls aus der 12-Volt-Fahrzeugbatterie erhalten.
 

Wer häufig viele Kilometer abspult, sollte beim Autokauf auf Modelle mit Batteriekühlung achten. Foto: BMW
Wer die Reichweite im Winter optimieren will, sollte möglichst in einer Garage parken oder vor dem Start mit Strom aus der Wallbox vorheizen. Foto: Fiat
Je nach Einstellung können Kameras bei Tesla die Umgebung auch bei Abwesenheit des Fahrers filmen. Solche Nebenverbraucher beziehen ihren Strom aus der 12-Volt-Batterie, die ihre Energie wiederum aus dem Hochvoltakku erhält. Foto: Wolfgang Sievernich

Kapazität messen

Ob Vorbesitzer ihr E-Auto eher schnell oder langsam geladen haben, lässt sich später nicht mehr nachvollziehen, dafür aber wie hoch die Restkapazität des Hochvoltakkus noch ist. Batterie-Schnelltests, wie von DEKRA zeigen, wie hoch die Kapazität der Antriebsbatterie noch ist. Gebrauchtwagenkäufern sei geraten, im Handel nach Batteriezertifikaten zu fragen.

Um Käufern die Scheu vor dem Verlust der Akkukapazität zu nehmen, geben Hersteller Garantien auf die Restkapazität des Hochvoltakkus. Nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern sollen etwa die Akkus von Mercedes-Benz, Opel oder Hyundai ab Neukauf noch eine Restkapazität von mindestens 70 Prozent aufweisen. Bei Toyotas Mittelklasse-SUV bZ4X sind es sogar zehn Jahre oder eine Million Kilometer! Vorausgesetzt, dass die Kunden Wartungen und Batteriechecks gemäß Herstellervorgaben einhalten.

Sollte die Akkukapazität während der Garantiezeit unter die Siebzig-Prozent-Marke fallen, tauschen Hersteller den Akku kostenfrei aus. Bei Opel etwa erledigt das jede Vertragswerkstatt innerhalb eines halben Arbeitstages. Nachdem der Kunde einen neuen Akku erhalten hat, wird der alte im Battery-Refurbishment-Center in Rüsselsheim aufbereitet und über das Ersatzteilgeschäft vergünstigt angeboten. Das dürfte vor allem Autofahrer interessieren, bei denen die Garantiezeit des E-Autos abgelaufen ist. Opel zufolge wurden 2021 etwa 400 Akku-Defekte in einem bis zu zehn Jahre alten E-Auto-Bestand festgestellt.

„Doch auch wenn die Akkukapazität unter die Siebzig-Prozent-Marke fällt, heißt das nicht, dass der Akku kaputt ist, sondern nur, dass der Aktionsradius eingeschränkt ist“, beruhigt Andreas Richter. Um den Radius zu erhöhen, sei es von Herstellerseite etwa möglich, die Leistung etwas einzuschränken.

 

Oft Rost an Bremsen

Ins Stocken bringen können E-Autos aber auch andere Defekte. Untersuchungen des TÜV-Verbands ergaben, dass Elektrofahrzeuge bei der ersten Hauptuntersuchung (HU) nach drei Jahren schon häufig Rost an den Bremsen aufweisen. Grund sei die Rückgewinnung der Bremsenergie (Rekuperation), wenn Fahrer den Fuß vom Fahrpedal nehmen und das E-Auto automatisch verzögert. Andreas Richter empfiehlt, das Bremspedal zwischendurch bewusst zu treten, damit die Funktion, speziell bei einer Gefahrenbremsung erhalten bleibt.

Apropos Rekuperation: Auch wenn sich mit dieser im Stadtverkehr Reichweite generieren lässt, fährt man mit konstanten Geschwindigkeiten am weitesten. „Die Energie läuft bei der Rückgewinnung durch verschiedene Systeme mit unterschiedlichem Wirkungsgrad. Am Ende bleibt dabei weniger übrig als vorher aufgewendet wurde“, sagt Richter. Ansonsten gelte beim E-Auto alles, was auch beim Verbrenner effizientes Fahren möglich mache: auf einen sportiven Fahrstil verzichten, vorausschauend fahren und häufige Ampelstopps meiden.

 

Im Battery-Refurbishment-Center in Rüsselsheim werden defekte Opel-Fahrzeugakkus aufbereitet und über das Ersatzteilgeschäft günstiger weiterverkauft. Foto: Opel
Bei der ersten Hauptuntersuchung fallen E-Autos oft mit verrosteten Bremsen auf. Foto:stock.adobe.com/©bizoo_n

Titelfoto: Mercedes-Benz


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