Von den Regenbogenbergen nach Machu Picchu: Entdeckungen um Cusco
In Peru ist die Inkakultur auch heute noch allgegenwärtig. Neben wackeligen Hängebrücken aus Gras, kreisrunden Terrassenfeldern und alten Inkadörfern in dramatischer Berglage punktet das südamerikanische Andenhochland auch mit reizvollen Kolonialstädten und einer besonderen Tierwelt.
Maria und ihre Tochter Dena sitzen auf einer Andenwiese im Windschatten der Regenbogenberge von Palccoyo und pellen winzige Kartoffeln mit den Fingern. Die beiden Indigenas haben sich eine gestreifte Decke untergelegt, ihre dicken Raffröcke um die Beine drapiert, warme Wolldecken um die Schultern geschlungen und bunte Hüte auf den Kopf gesetzt. „Wir kommen an fünf Tagen die Woche hierher. Hier bläst zwar ein eisiger Wind, aber es gibt genug gutes Gras für unser Alpaka Suri“, sagt Maria. „Während wir warten, essen wir Papas Naturales, Kartoffeln ohne Chemie, die wir selbst anbauen“, ergänzt Dena und drückt ihre sieben Monate alte Tochter enger an sich heran.
Palccoyo, eine kleine Gemeinde 96 Kilometer südlich der peruanischen Andenhauptstadt Cusco, liegt auf 4.100 Metern Höhe. Hier leben die Einwohner seit jeher vom Kartoffelanbau und der Alpakazucht. Seit einigen Jahren spült auch der Tourismus Geld in die Kassen, denn die Besucher kommen und zahlen, um die farbenfrohen Regenbogenberge zu sehen. Kilometerweit erstrecken sie sich über die Hochebene, leuchten mal komplett in Knallrot, mal dick gestreift in Goldgelb, Mattgrün und Himmelblau – ein atemberaubendes Landschaftsphänomen, das durch das Zusammenspiel von Licht und unterschiedlichen Mineralien entsteht. Mit dem Auto fährt man von Cusco aus gute drei Stunden hierher. Doch für peruanische Verhältnisse ist das ein Katzensprung.
Ausgangspunkt Cusco
Das peruanische Andenhochland weist gigantische Ausmaße auf. Ein grünes Tal folgt auf das nächste. Darin rauschen die Flüsse Rio Urubamba und Vilcanota. Auf den Wiesen grasen Alpakas, Lamas und Vicuñas. Mittendrin liegt die Hauptstadt des früheren Inkareichs, Cusco. Auf deren Plaza de Armas bieten die Einheimischen Kochlöffel und bunte Schnabelflöten an, Frauen in prächtigen Trachten posieren mit einem Lamababy für ein Foto, Maler klappen ihre Bildermappen auf. Im Hintergrund erheben sich majestätisch die Kirchen Compañía de Jesús und die Kathedralbasilika der Jungfrau Maria Himmelfahrt. In einer Seitengasse bestaunen Touristen die Palastmauern eines ehemaligen Inkakönigs. Die nach außen gewölbten Steinblöcke sind bis zu einem Meter hoch und ohne Mörtel perfekt aufeinandergestapelt. Die Kolonialstadt Cusco ist ein belebter Flecken und eine ideale Basis für die Erkundung der Sehenswürdigkeiten in der Umgebung.
So wie die katholische Pfarrkirche San Pedro in Andahuaylillas. Der kleine Ort mit rund 6.000 Einwohnern beherbergt die Sixtinische Kapelle der Anden. Von außen ein schlichtes weiß getünchtes Gebäude mit einer Eingangsfassade, die europäische, andine und islamische Traditionen vereint, deren Farben aber längst verblasst sind, prahlt das Innere mit prunkvollem Barock aus dem 17. Jahrhundert. Kunstvolle Wandgemälde, die detaillierte Szenen von Himmel und Hölle zeigen, eingefasst in dicken goldenen Rahmen, eine komplett mit Fresken bemalte Decke und ein pompös ausgestatteter Altar lassen einem den Atem stocken. Die amerikanische gemeinnützige Organisation World Monuments Fund hat das Gotteshaus in jahrelanger Arbeit restauriert und parallel dazu peruanischen Jugendlichen den Denkmalschutz nähergebracht
Brücke aus Gras
Dem Schutz des Kulturdenkmals widmet man sich auch knapp drei Autostunden weiter südlich. Hier steht Marta 15 Meter oberhalb des Rio Apurimac in der Sonne. Ihre geflochtenen Zöpfe hängen über den Schultern, ein grauer Filzhut spendet ihrem Gesicht Schatten. „Unsere Q’eswachaka-Brücke zählt als Teil des rund 300 Kilometer langen, alten Andenstraßensystems zum UNESCO-Weltkulturerbe“, erzählt die 38-Jährige stolz und zeigt auf eine schmale, 28 Meter lange Hängebrücke, die nur aus Gras besteht. „Früher wurden viele dieser alten Inkabrücken durch das Andenhochland zerstört, um den Vormarsch der Spanier auf Cusco zu verhindern“, weiß die Quechua-Frau. Geholfen hat es nicht. Heute gilt die alte Inkakunst des Brückenbaus als architektonisches Vermächtnis. „Die Brücke ist für uns ein Projekt indianischer Gemeinschaftsarbeit. Mit den Einwohnern der vier hier lebenden Gemeinden flechten wir sie jedes Jahr neu. Und zwar aus Qoya-Gras. Nach einem Jahr ist die Brücke dann aber so zerschlissen, dass niemand mehr über sie gehen mag“, ergänzt Marta. Der Bauprozess ist mühsam und langwierig. Das Gras wird getrocknet, eingeweicht, zusammengefügt, gerollt und gedehnt, so lange bis an die 70 Meter lange Schnüre entstehen. Die werden für die Basis der Brücke und die Handläufe zu dicken Seilen geflochten. Tatsächlich braucht es rund 100 Männer und drei Tage, um die Brückenseile herzustellen, zu spannen, die Verbindung zu den Handläufen zu flechten und den Brückenboden mit einem Teppich aus Pflanzenfasern und Ästen auszulegen. Frauen sind bei der Arbeit unerwünscht. Sie dürfen das Geschehen von der Ferne aus verfolgen und am vierten Tag mit dabei sein, wenn die Inkabrücke bei einem Fest eingeweiht wird.
Geballte Frauen-Power
In Chinchero sind es die Frauen, die das Sagen haben. In der Kleinstadt nördlich von Cusco haben sich rund 30 von ihnen aus 13 Andendörfern zur Comunidad de Mujeres Andinas Chinchero zusammengeschlossen, einer öffentlich eingetragenen Vereinigung. „In Heimarbeit oder vor Ort weben wir Schals, Decken, Taschen und Ponchos per Hand aus 100-prozentiger feinster Babyalpaka-Faser“, sagt Ttika Quispe und rückt ihren knallroten Montera-Hut zurecht. Die 38-Jährige ist eine der Organisatorinnen der Frauenkooperative. „Die Farben kommen ausschließlich von Pflanzen und Insekten, die uns die Natur zur Verfügung stellt. Die rote Farbe zum Beispiel ist von Kaktusfeigen-Parasiten“, ergänzt ihre 43-jährige Kollegin Maxima Ttucta und streichelt zärtlich Señor Apu, ein schneeweißes, vier Monate altes Alpaka, das zur Kooperative gehört. Die Besucher haben Spaß an dem zahmen Alpaka, stöbern durch die große Halle auf der Suche nach einem Mitbringsel und lauschen, wenn die Frauen ihre traditionelle Arbeit erklären, die auf den Bräuchen der Inkakultur basiert.
Die Inkas sind im Andenhochland auch heute noch allgegenwärtig. Ob die kreisrunden Terrassenfelder von Moray, von denen die Einheimischen sagen, die Inka hätten sie wegen der unterschiedlichen Mikroklimata als Agrarversuchsfelder genutzt, oder die archäologische Stätte Ollantaytambo, die einst als Königsstadt und Festung diente und für deren Bau, einer Legende nach, der Inkagott Viracocha verantwortlich war: Den Einheimischen sind ihre Relikte heilig und dementsprechend präsentieren sie sie auch.
Rätsel Machu Picchu
Die berühmteste Inkastätte Perus erreicht man von Ollantaytambo aus per Zug. Über die Dörfer Chilca und Pisucucho, wo die Einwohner Mais, Kartoffeln und Gemüse in Terrassen anbauen, durch dicht bewachsene Schluchten am Rio Urubamba rollen die Panoramawagen der Eisenbahnbetreiber Perurail und Inca Rail in eineinhalb Stunden nach Aguas Calientes, dem Ausgangspunkt zum sagenumwobenen Machu Picchu. Vor mehr als 600 Jahren errichtet, breitet sich die UNESCO-Anlage spektakulär auf 37.200 Hektar und 2.500 Metern Höhe auf einem Bergrücken über dem Urubambatal aus. Zahlreiche Architekten, Ingenieure und Astrologen kämpften damals mit der Vorbereitung des Geländes, legten Terrassen und ein ausgeklügeltes Entwässerungssystem an. Im 15. Jahrhundert lebten rund 1.000 Menschen in der königlich-religiösen Zufluchtsstätte. Doch schon ein Jahrhundert später wurde sie verlassen. Ob die spanische Eroberung Perus der Grund dafür war oder ein Bürgerkrieg der Inka, darüber streiten die Wissenschaftler. Heute laden über 400 Kilometer Inkapfade und 60 archäologische Denkmäler wie der Sonnentempel und der Spiegelsaal, Dutzende Terrassen und Treppen zu einem Besuch ein. Die Regeln sind strikt: Rauchen, Kinderwagen, Drohnen, Stative, pfeifen, klatschen und essen sind verboten. Dafür entführen fünf ausgeklügelte Wanderstrecken zwischen eineinhalb und drei Stunden Gehzeit in die Vergangenheit. Meist hängt die Inkastätte mystisch in den Wolken, es bläst ein eisiger Wind und Lamas grasen auf den Terrassen, fast so wie an den Regenbogenbergen in Palccoyo.
ARCD-Reiseservice
- Anreise:
Ab Stuttgart fliegt zum Beispiel KLM über Amsterdam und Lima nach Cusco (ab 1.467 €, Preis für Hin- und Rückflug). - Beste Reisezeit:
Von Mai bis August mit Tagestemperaturen von 18 bis 20 Grad Celsius. Nachts fällt das Thermometer auf 1 bis 3 Grad Celsius. In diesen Monaten gibt es die meisten Sonnenstunden und den wenigsten Regen. - Unterkunft:
Hosteria de Anita, ruhige Zimmer um einen schönen Innenhof in der Altstadt von Cusco, ÜN im DZ/Frühstück ab 52 €, www.hosteriadeanita.com;
Atoq San Blas Hotel, gemütliche Zimmer im historischen Zentrum oberhalb der Stadt mit schönem Ausblick auf Cusco, ÜN im DZ/Frühstück ab 66 €, www.atoqhoteles.com;
Palacio Manco Capac by Ananay Hotels, geschmackvolle Zimmer auf dem Berg von San Cristóbal in Cusco, ÜN im DZ/Frühstück ab 176 €, www.ananayhotels.com;
Hotel Retama Machu Picchu, hübsche Zimmer mit traditionellen Holzmöbeln am Rio Urubamba in Aguas Calientes, ÜN im DZ/Frühstück ab 93 €, www.retamamachupicchu.com - ARCD-Buchungsservice:
Das ARCD Reisebüro (Telefon 0 98 41 / 4 09 150 oder info@arcd-reisen.de) ist Ihnen gern bei der Planung Ihrer individuellen Reise nach Peru behilflich.
Auch Gruppenreisen sind im Angebot, z. B. eine 15-tägige Studienreise „Höhepunkte“ mit Studiosus (ab 3.890 €), eine 21-tägige geführte Wanderreise „Peru zu Fuß“ mit Wikinger Reisen (ab 4.798 €), eine 10-tägige Erlebnisreise „Peru kompakt“ mit Ikarus Tours (ab 3.390 €) und eine 13-tägige Erlebnisreise „Peru Clásico“ mit Gebeco (ab 3.695 €). - Auskünfte:
Über das Peruanische Fremdenverkehrsamt, www.peru.travel
Titelfoto: Martina Katz