04.11.2020 Jessica Blank

Wie die Feuerwehr mit E-Antrieben umgeht

Hybridfahrzeuge und Elektroautos machen immer ­häufiger Schlagzeilen – und nicht nur positive. Vor allem wenn es um Unfälle und Brände geht. Doch sind Autos mit einem Akku an Bord wirklich ­gefährlicher für Einsatzkräfte? Eine ­Herausforderung für die Feuerwehr, ja, aber keine größere Gefahr als konventionelle Pkw, sagen Experten.


Die Verunsicherung unter den Feuerwehrleuten war groß, als Anfang der 1990er-Jahre immer häufiger Airbags in den Fahrzeugen verbaut wurden. Eine neue Gefahr für die Rettungskräfte? Nach einigen Jahren Einsatzerfahrung zeigte sich aber: Airbags stellen meist kein Risiko dar. Nun ist sie wieder da diese Unsicherheit – und sie geht von Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb aus. Negative Schlagzeilen befeuern dies im wahrsten Sinne des Wortes. „Das gibt es immer wieder, dass die Industrie etwas Neues auf den Markt bringt. Die Entwicklungen gehen an den Feuerwehren vorbei und sie werden erst zu spät aufmerksam darauf“, erklärt Dr. Rolf-Dieter Erbe von der Berliner Feuerwehr- und Rettungsdienst-Akademie. Heute rede keiner mehr über Gefährdung durch Airbags. „Elektromobilität ist eine neue Herausforderung und es fehlen uns Einsatzerfahrungen“, meint Feuerwehrmann Dr. Erbe.

Die DEKRA Unfallforschung hat sich verstärkt mit dem Thema beschäftigt und nun eine Fachinformation mit den wichtigsten Erkenntnissen für Feuerwehrleute herausgegeben. „E-Autos brennen nicht unbedingt häufiger als andere Fahrzeuge“, sagt Markus Egelhaaf, Leiter der DEKRA Unfallforschung und Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr. Bis ein Akku brenne, dauere es sehr lange. Und wenn er nicht brenne, sei es absolut das gleiche Vorgehen. „Wenn der Akku brennt, müssen ein paar andere Sachen beachtet werden, dann kann es etwas komplizierter werden, aber nicht unmöglich“, kann er beruhigen. Doch die erste Krux am Einsatzort ist das Erkennen des Antriebs. Da hoffe man auf eCall, da dann automatisch alle Informationen zum Fahrzeug an die Rettungsleitstelle übertragen werden, sagt Dr. Erbe. Eine andere Möglichkeit sei die Kennzeichenabfrage  beim Kraftfahrtbundesamt, doch dieses System hätten noch nicht viele Feuerwehren.

Mit viel Wasser

Danach müssen die Einsatzkräfte herausfinden, ob der Akku in das Brandgeschehen involviert ist. Grundsätzlich wird das Feuer mit viel Wasser gelöscht, doch die Batteriezellen, die im Akkugehäuse gut geschützt sind, können damit nicht erreicht werden. „Ich kann nur versuchen, das Akkugehäuse von außen zu kühlen, damit die Reaktion im Inneren unterbunden wird“, erklärt Egelhaaf. Sollte eine Zelle der Batterie beschädigt sein, besteht die Gefahr des Durchreagierens, der sogenannte Thermal Runaway. Diese nicht aufhaltbare chemische Kettenreaktion kann auch noch nach einiger Zeit geschehen.
Die ersten Erfahrungen zeigen, dass für das Löschen des Brandes und die Kühlung des Akkus mehr Wasser benötigt wird. „Man braucht aber grundsätzlich mehr Wasser bei modernen Autos, da mehr Kunststoff und Leichtmetalle verbaut sind“, berichtet Dr. Erbe von der höheren Brandlast. Ist das Gehäuse des Akkus beschädigt, dringt das Wasser direkt ein. „Sowie Wasser in die Batterie kommt, ist alles vorbei. Dann passiert nichts mehr. “

Im Container versenken

Eine Methode, um den Akku eines Hybrid- oder E-Fahrzeugs längerfristig zu kühlen, ist das Versenken in einem mit Wasser gefluteten Container. Doch diese Maßnahme hat sich als nicht zukunftsfähig erwiesen. Wenn die Feuerwehr ein Fahrzeug prophylaktisch untertaucht und damit einen Totalschaden verursacht, kann das zum Versicherungsproblem werden.

„Um so ein Fahrzeug zu versenken, brauche ich 10.000 bis 15.000 Liter Wasser, die werden dadurch zwangsläufig kontaminiert und müssen hinterher als Sondermüll entsorgt werden“, erklärt Momme Krahn, Vertriebsleiter der Firma Gelkoh. Schon die Entsorgung des Wassers würde 10.000 Euro kosten. Um den Sondermüll und den Totalschaden zu vermeiden, hat das Unternehmen aus Hamm in Zusammenarbeit mit dem Textilproduzenten Ibena aus Bocholt ein textiles Bergesystem entwickelt, das zum Einsatz kommt, wenn das Fahrzeug nicht mehr oder noch nicht brennt. Das wiederverwendbare Bergesystem Liba Rescue besteht aus mehreren Teilen. Die Einsatzkräfte oder das Abschleppunternehmen fahren, rollen oder heben das Auto auf das Bodenelement, ziehen das Dachteil darüber und verschließen das System mit Reiß- und Klettverschlüssen. So verpackt kann das gefährdete Mobil auch transportiert werden. „Nun habe ich einen Schutz gegen nachträglich entstehende Brände, weil das Gewebe so funktioniert, dass es ab einer Temperatur von 180 Grad sauerstoffverdrängende Gase freisetzt, sodass letztlich kein Sauerstoff mehr zur Verfügung steht, um ein Feuer zu nähren“, erklärt Krahn.

Schutz vor Flusssäure

Außerdem beinhaltet das System einen Katalysator, der möglicherweise austretende Flusssäure reduziert. „Flusssäure ist eines der giftigsten Elemente in der Reaktion von einer Lithium-Batterie, die sehr schnell zu großen gesundheitlichen Schäden bis hin zum Tode führen kann, und deswegen ist es wünschenswert, dass Einsatzkräfte auch dagegen geschützt werden”, sagt der Gelkoh-Vertriebsleiter, dessen Arbeitgeber Produkte für den sicheren Umgang mit Lithium-Ionen-Batterien entwickelt. Um Flüssigkeiten aufzufangen, verfügt Liba Rescue über eine Sperrschicht in der Bodenlage.

„Selbst wenn es im Nachgang in diesem System zu einem Brand oder einer Detonation kommen sollte, führt das System dazu, dass einem keine Teile um die Ohren und keine Funken nach außen fliegen. Auch das ist wichtig, weil bei der Reaktion von Lithium-Batterien große Mengen an Rauchgas entstehen und die sind zunächst brennbar”, erläutert Krahn. Die textile Hülle, deren Außenschicht aus einem Aramidverbund besteht, biete Druckentlastung, Rauchgase und Druckwellen könnten raus, alles andere werde zurückgehalten.  

Kleine E-Fahrzeuge

Nicht nur die Akkus elektrisch betriebener Autos können bei Schäden oder Überhitzung in Brand geraten, sondern auch die Batterien von Kleinfahrzeugen, Pedelecs oder E-Scootern. „Im Pkw-Bereich gibt es klare Vorschriften, was ein Akku auch in brandtechnischer Belastung abkönnen muss, damit es eben nicht zum Brand kommt“, sagt Unfallforscher Egelhaaf. Regeln in dieser Härte gebe es bei den anderen E-Fahrzeugen nicht. Besonders wenn diese nicht sorgsam behandelt oder Akku- und Ladegeräte durch günstige Austauschgeräte ersetzt werden, kann es zu Problemen kommen. Aber: „Solange das Lademanagement in Ordnung ist, ist da kein größeres Risiko drin zu sehen.“ Das gilt auch für E-Autos. „Wenn ich ein E-Auto mit einem normalen Ladekabel an der Steckdose lade und eine Installation aus den 60ern in der Garage habe, zieht das Auto Ströme, auf die die Hausinstallation auf Dauer gar nicht ausgelegt ist“, sagt Egelhaaf.
Bei öffentlichen Ladesäulen hat die Feuerwehr oft Schwierigkeiten, den Betreiber zu erreichen. Wenn es einen Kurzschluss gibt oder das Auto brennt, werde das Fahrzeug einfach von der Station getrennt, sagt Dr. Erbe. „Fährt jemand eine Ladesäule an, bleibt uns nichts weiter übrig, als das zu sichern und zu isolieren.“ Einen Notdienst rund um die Uhr gibt es bei den Ladesäulen-Betreibern nicht.

Vor allem bei der Aufklärung der Beteiligten hapert es noch – und daraus entstehen Unsicherheiten, Gerüchte und Mythen. „Wir müssen jetzt ein bisschen nacharbeiten und vor allem gut informieren und den ganzen Unsinn aus der Welt schaffen, der überall kursiert“, meint Dr. Erbe. Und in zehn Jahren spricht vermutlich keiner mehr über die Gefahren von Elektromobilität. 

Titelfoto: Gelkoh


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