21.12.2020 Thomas Schreiner

Neuer Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat

Seit dem 1. Januar 2021 steht Stefan Grieger an der Spitze des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR). Wir sprachen mit ihm über persönliche Mobilitätsvorlieben, Engagement für die Verkehrssicherheit und seine Ziele im neuen Amt.


Eigentlich hätte unser Gespräch direkt in Berlin stattfinden sollen. Doch die Corona-Pandemie mit ihren Einschränkungen verhinderte ein persönliches Treffen. Und so glühte stattdessen die Telefonleitung zwischen dem Sitz des DVR in der Hauptstadt und der ARCD-Zentrale in Bad Windsheim. Stefan Grieger ist bester Laune bei unserem Interview, einen Teil seines Sportprogramms hat er heute bereits absolviert. Die zehn Kilometer ins Büro ist er mit dem Fahrrad gefahren.

Auto&Reise: „Herr Grieger, hatten Sie eine gute Fahrt ins Büro?“

Stefan Grieger: „Ich komme immer sehr gerne mit dem Fahrrad zur Arbeit. Ich bin tatsächlich schneller, als wenn ich mit dem Auto unterwegs bin. Man bewegt sich ohnehin zu wenig als Büromensch. So freue ich mich, dass ich viel mit dem Fahrrad unterwegs sein kann.“

„Gibt es für Sie so etwas wie ein Lieblingsverkehrsmittel?“

„Das hängt immer ein bisschen von dem ab, was man so machen will. Ich fahre durchaus auch mit dem Auto. Wir teilen uns eines, meine Eltern, meine Frau und ich. Es ist ein Golf von 1999, also noch ein richtiges Auto. Wir wollten uns schon öfter mal verändern, aber dann schaut man sich das Auto an und fragt sich, warum eigentlich? Es war immer sehr zuverlässig.“

Neben Fahrten mit Fahrrad oder Auto geht Stefan Grieger gerne auch zu Fuß. Besonders, wenn einmal Zeit für eine längere Wanderreise bleibt. Auch E-Tretroller zählen zu seinem Mobilitätsrepertoire, alleine schon aus beruflichem Interesse. Das Fahrrad nimmt er im Vergleich dazu jedoch als deutlich sicherer wahr.

„Sie sind viel unterwegs. Fühlen Sie sich wohl als Verkehrsteilnehmer auf den Straßen?“

„Weil ich schon von Kindesbeinen an immer viel im Verkehr unterwegs war, würde ich nicht sagen, dass ich mich unwohl fühle. Ich habe ganz früh Fahrrad fahren gelernt, wahrscheinlich vor Lesen und Schreiben. Wir haben damals an einer sehr befahrenen Straße gewohnt, ich habe das nie als ­Bedrohung wahrgenommen.“

Einen Wandel seit dieser Zeit kann der ehemalige Polizist, der sich auch heute noch regelmäßig mit den Ex-Kollegen austauscht, allerdings beobachten. Es herrsche insgesamt schon seit einigen Jahren eine spürbar angespanntere Atmosphäre, findet Stefan Grieger.

„Die Menschen haben einfach mehr Druck. Viele sind gestresst von Terminen, hetzen von A nach B, um Dinge zu erledigen. Und es ist oft auch Gedankenlosigkeit. Es sind eher weniger Personen, die wirklich bewusst aggressiv unterwegs sind. Viele sind einfach gestresst. Vielleicht führt das allein schon zu aggressivem Verhalten.“

Bei dem Bestreben, andere Menschen für Verkehrssicherheit zu begeistern, profitiert Stefan Grieger von seiner mehrjährigen Berufserfahrung im Polizeidienst.

„Ich habe damals gemerkt, wie spannend der Bereich ist. Und ich glaube, dass vielen Menschen nicht bewusst ist, wenn sie das Thema ,Verbesserung der Verkehrssicherheit‘ hören, wie interessant und vielfältig dieses Thema ist.“

Später, nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an der FU Berlin, war er beim Sozialverband Deutschland e. V. tätig, zuletzt als Geschäftsführer des Landesverbandes Berlin-Brandenburg. Seit November 2008 arbeitet Grieger bereits für den DVR als Leiter des Hauptstadtbüros und Referatsleiter Politik und Recht. Dass er einmal Hauptgeschäfts­führer des DVR werden sollte, hat er sich während seiner beruflichen Anfänge als Polizeibeamter in West-Berlin nicht träumen lassen, gesteht der 55-jährige Volljurist im Gespräch.

„17 Jahre lang hat Ihr Vor­gänger Christian Kellner als Hauptgeschäftsführer beim DVR gewirkt. Man kann schon von einer Ära sprechen. Welche Schwerpunkte wollen Sie nun setzen?“

„Wir haben ein hervorragendes Verhältnis zueinander, ich habe viel von ihm gelernt. Das war eine tolle, vertrauensvolle Zeit, die wir zusammen erlebt haben. Ich glaube, dass es ihm ein Stück weit darum ging, die Organisation zu modernisieren. Das ist auch für mich die vielleicht wichtigste Aufgabe. Alle sprechen von der Digitalisierung. Durch die Corona-Pandemie hat der Aspekt noch einmal an Bedeutung gewonnen. Den Verband technisch auf einen sehr guten Stand zu bringen, ist eine meiner größeren Herausforderungen. Als Hauptgeschäftsführer möchte ich dafür sorgen, dass alle Beschäftigten unter guten Bedingungen arbeiten können. Ich glaube, dann sind alle auch hoch motiviert, ihre Aufgaben zu erfüllen.“

Was die künftige inhaltliche Tätigkeit des DVR betrifft, spricht Stefan Grieger von Kontinuität. Aktuelle Schwerpunktthemen der Verkehrssicherheit wie Fuß- und Radverkehr in der Stadt würden weiterhin wichtig bleiben. Aber mit dem DVR nimmt er auch wieder andere Bereiche stärker in den Blick.

„Wir werden zusammen mit dem Bundesverkehrsministerium eine Kampagne zum Thema Landstraße, Unterthema Verkehrssicherheit in ländlichen Räumen, durchführen. Nach wie vor ein Riesenthema. Für uns ist es bei diesem Thema wichtig herauszufinden, wie die Mobilität in ländlichen Räumen funktioniert. Welche Probleme haben die Menschen dort? Warum sind sie mit dem Auto, mit dem Fahrrad, wie auch immer unterwegs? Dann können wir die entsprechenden Schlüsse ziehen und gefährdungsorientiert daran arbeiten, die Zahl der Getöteten und Schwerverletzten zu senken.“

Auch dort, auf dem Land, müsse man sich mit der Sicherheit für Radfahrer befassen, betont Grieger. Denn nicht nur in der Stadt, selbst in Flächenländern sei die steigende Beliebtheit des Fahrrads, auch mit elektrischer Unterstützung, erkennbar. Konfliktsituationen zwischen Verkehrsteilnehmern zu entschärfen, sei überall ein wachsendes Aufgabenfeld. Dabei geht es ihm auch darum, die viel zu hohe Zahl der Wege- und Dienstwegeunfälle zu senken. Hier sei die starke finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung mit ihren Unfallkassen und Berufsgenossenschaften besonders wertvoll. Und als ehemaliger Polizeibeamter will sich Stefan Grieger verstärkt dem Thema Verkehrsüberwachung widmen. Hier setzt er auf die Mitwirkung der Bundesländer.

„Wir glauben, dass es gerade bei der Komplexität des Verkehrsgeschehens wichtig ist, die Polizei auch auf der Straße zu sehen. Manche Bundesländer bilden wieder verstärkt Polizeibeamte aus. Und am DVR ist es dann zu sagen, dass es innerhalb dieser Polizeiarbeit einen Schwerpunkt im Bereich Verkehrssicherheit geben muss.“

Zur besseren Sichtbarkeit der Polizei könnten auch Fahrradstaffeln in Städten über 100.000 Einwohnern beitragen, betont Stefan Grieger. In Berlin und Hamburg gebe es damit sehr positive Erfahrungen. Dort werde die Polizei wieder zum Freund und Helfer.   

„Auf den Punkt gebracht: Werden wir es eines Tages schaffen, dass im Straßenverkehr alle ankommen und keiner mehr umkommt?“

„Warum nicht?“

Andere Bereiche wie der Arbeitsschutz, der Flug- und Bahnverkehr würden es vormachen, sichere Systeme zu etablieren, findet Stefan Grieger. Mit technischen Innovationen und hervorragender Ausbildung aller Beteiligten habe auch der Straßenverkehr die reelle Chance, dem Ziel der Vision Zero, keine Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr, noch näher zu kommen.

„Herr Grieger, vielen Dank für dieses Gespräch.“

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) wurde 1969 mit der Aufgabe gegründet, Maßnahmen zu entwickeln und zu koordinieren, um wirksam gegen die damals stetig wachsende Zahl an Verkehrsopfern anzukämpfen. Die wesentlichen Arbeitsbereiche umfassen menschliches Verhalten, Fahrzeugtechnik, Infrastruktur, Verkehrsüberwachung und Verkehrsmedizin. Derzeit zählt der DVR rund 200 Mitglieder, darunter unter anderem Fahrzeughersteller, Berufsgenossenschaften, Gewerkschaften und Verbände. Der ARCD gehört dem DVR bereits seit 1969 an und ist dort in verschiedenen Gremien vertreten.

Titelfoto: André Kowalski/DVR


Kategorien